
MariaTudosescu
Transfer durch Konflikt: Besatzungsnarrative im Kontext der deutsch-französischen Versöhnung
Universität Tübingen in Cotutelle mit Universität Aix-Marseille
Die in Kriegen angerichteten Zerstörungen und das Gefühl des Hasses gegenüber dem Feind zerrütten die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen den beteiligten Völkern in der Regel nachhaltig, schüren langlebige Ressentiments und verhindern manchmal über Jahrhunderte den Aufbau eines vertrauensvollen Verhältnisses. Die Schnelligkeit, mit der sich nach 1945 der Kulturtransfer zwischen den beiden Erbfeinden Deutschland und Frankreich intensiviert hat überrascht daher und lässt sich nicht allein auf die vor dem Hintergrund des Kalten Krieges vollzogene politische Annäherung beider Staaten erklären.
Ziel meines Dissertationsprojektes ist es, den bereit in verschiedenen historischen Arbeiten angewendete neue Perspektivierung der Besatzungszeit nun auch kultur- bzw. literaturwissenschaftlich im Blick auf die verschiedenen Besatzungsnarrative fruchtbar zu machen.
Die Analyse dieser spezifisch brisanten Verbindung zwischen Konflikt und Kulturtransfer soll zum einen die widersprüchliche Komplexität der Narrative hinsichtlich ihrer Unterschiede und Gemeinsamkeiten untersuchen, die – auf beiden Seiten – von Angst durchdrungen sind, aber auch mitunter zwischen Feindseligkeit und Sympathie schwanken: Es geht daher nicht darum, die Besatzungsnarrative aus einem nationalen, sondern einem transnationalen Betrachtungswinkel zu beschreiben. Mit ambivalenten Gefühlen und Reaktionen sind – sowohl während des Krieges als auch danach – insbesondere die deutsch-französischen Mittler konfrontiert: französischsprachige und frankophile Deutsche wie Ernst Jünger oder Franzosen, die sich für die deutsche Kultur- und Geistesgeschichte interessieren (wie Albert Camus und Jean-Paul Sartre).
Darüber hinaus soll mit der Methode des Kulturtransfers der nachhaltigen, bis in die Gegenwart reichende Einfluss dieser konfliktreichen Vermischung benachbarter Kulturen untersucht werden, der letztlich den Grundstein für eine neue und dauerhafte Freundschaft gelegt hat.
Indem die Situation während des Zweiten Weltkriegs in Frankreich mit dem nach 1945 entstandenen kulturellen Transfer zwischen Frankreich und Deutschland in Beziehung gesetzt wird, unterstreicht das Dissertationsprojekt die Bedeutsamkeit des kulturellen Austausches in und über Krisenzeiten hinweg und zielt darauf ab, Erkenntnisse über die Entstehung gemeinsamer Narrative als Grundlage eines gemeinsamen kulturellen Erbes in Europa zu erhalten. Der direkte und indirekte wechselseitige Dialog und Austausch zwischen Deutschland und Frankreich – in Zeiten des Friedens wie der Krise und des Krieges – steht in diesem Sinne als pars pro toto für ganz Europa.

Carina Stegerwald
Idylle zwischen Naturverbundenheit, gelebter Gemeinschaft und konstruierter Heimat? Der Hiddensoer Künstlerinnenbund (1919-1933). Eine kunst- und kulturhistorische Untersuchung im Kontext der Künstlerkolonien an der deutschen Ostseeküste
TU Dresden
„Hiddensöe. Eine Anzahl Malerinnen hat sich zu einem Hiddensöer Künstlerinnenbund zusammen getan.“ Diese kurze Annonce aus den Kunstnachrichten vom 15. November 1919 mag auf den ersten Blick trivial wirken, doch versteckt sich dahinter ein für die Zeit ungewöhnlicher Zusammenschluss, der von großer Bedeutung für die künstlerische Moderne war. Denn beim Hiddensoer Künstlerinnenbund (1919-1933), welcher den zentralen Gegenstand meines Dissertationsvorhabens darstellt, handelte es sich nicht nur um eine lokale Vereinigung auf einer abgelegenen Insel in der Ostsee. Vielmehr wurden hier auch die neuen Möglichkeiten und die Freiheit repräsentiert, die Künstlerinnen mit der im selben Jahr stattgefundenen Öffnung der deutschen Kunstakademien für Frauen erlangten. Nun hatten Zusammenschlüsse von Künstlerinnen nicht mehr ausschließlich den Zweck der Ausbildung, sondern fungierten insbesondere als Mittel der Präsentation sowie zum Aufbau eines Absatzmarktes.
Um diese Ziele ging es auch Henni Lehmann, welche die Initiatorin und erste Vorsitzende des Hiddensoer Künstlerinnenbundes war. Ihr schlossen sich mehrere Frauen aus ganz Deutschland an – unter anderen Clara Arnheim, Elisabeth Büchsel, Käthe Loewenthal und Julie Wolfthorn –, die auf Hiddensee größtenteils über mehrere Jahre ihre Sommer verbrachten. Zwischen 1924 und 1933 stellten sie in der sogenannten Blauen Scheune regelmäßig ihre Werke aus. Dann jedoch fand die überwiegend aus Frauen jüdischer Abstammung bestehende Vereinigung durch den Nationalsozialismus ein abruptes Ende. Als jüdisch stigmatisiert – obwohl sie teilweise sogar zum Christentum konvertiert waren –, erhielten die meisten Künstlerinnen zunächst ein Berufsverbot und wurden einige Jahre später in Konzentrationslager deportiert, wo sie ermordet wurden.
Was macht den Hiddensoer Künstlerinnenbund so besonders? Eine Sonderstellung hat dieser Zusammenschluss vor allem durch seinen doppelten Status als Künstlerinnen(!)bund sowie Künstlerkolonie; beide Aspekte beabsichtige ich, in meiner Arbeit zu untersuchen. Dabei soll voraussichtlich zum einen die Idylle-Thematik, genauer gesagt die Hypothesen „Im Einklang mit der Natur?“, „Leben als Gemeinschaft?“ und „Hiddensee als Heimat?“ den Schwerpunkt bilden. Jene Fragen plane ich, auch im Kontext der anderen Künstlerkolonien an der deutschen Ostseeküste – Ahrenshoop, Ekensund und Nidden – zu betrachten. Zum anderen möchte ich als zweiten elementaren Aspekt die Rolle des Künstlerinnenbundes als Netzwerk und Rückzugsort für Frauen analysieren, wobei hier die politische und gesellschaftliche Situation im frühen 20. Jahrhundert zu beachten ist. Da bei diesem für die Kunstgeschichte äußerst relevanten Thema sowohl ein großer Forschungsbedarf als auch eine Leerstelle in der wissenschaftlichen Literatur besteht, soll die Thematik mittels einander ergänzender, zum Teil interdisziplinärer Methoden untersucht werden; meinen Ausgangspunkt bilden die Befragung der Kunstwerke und die Quellenforschung.

Alexander Bonk
Kriegsfotografien aus dem Ersten Weltkrieg: „Vergessene Fronten“ im Osten Europas
Justus-Liebig-Universität Gießen
Kriegsfotografien aus dem Ersten Weltkrieg: „Vergessene Fronten“ im Osten Europas. Der erste Weltkrieg als oft betitelte „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ setzte in vielen Aspekten neue Maßstäbe. Als ein Bewegungskrieg des 19. Jahrhunderts begonnen, entwickelte er sich zum ersten voll industrialisierten Krieg der Geschichte. Sinnbildlich für diesen Krieg stehen einige spezifische Eindrücke und Szenen: Schützengräben und Stacheldraht, von Artillerie zerfurchte und mit Granattrichtern durchzogene Landschaften, Soldaten mit Gasmasken, Flugzeuge und in der Endphase sogar Panzer. Das sinnlose Sterben zehntausender Soldaten für einige wenige Quadratkilometer gewonnenes Gelände gehört darüber hinaus zu den klassischen Assoziationen mit diesem Krieg. Bei einem tieferen Blick wird ersichtlich, dass all diese Szenen ihren Ursprung an der Westfront finden. An den übrigen, der Serbien-, Ost-, Italien- und Salonikifront oder den Fronten in Afrika und im Orient, gestaltete sich der Krieg mitunter vollkommen anders. Er blieb weit weniger industrialisiert, beweglicher und vor allem: In seiner Taktik und Technik ein Krieg des 19. Jahrhunderts. Lange waren Fotografien als Quelle zur Erforschung der Geschichte wenig beachtet und wurden primär zur Illustration, zur „Versinnbildlichung“ genutzt. In Bezug auf den Ersten Weltkrieg ist darüber hinaus kaum bekannt, wie viele Fotografien durch die Kriegsteilnehmer selbst angefertigt wurden. Ein technischer Sprung hatte in den 1890er Jahren dazu geführt, dass sich in den westlichen Staaten Europas portablere, ausgefeiltere und leichter zu bedienende Fotoapparate verbreiteten und sich bis zum Ersten Weltkrieg eine eigene Szene etablierte. Nach dem Zweiten Weltkrieg rückten die Aufarbeitung der Schrecken und Verbrechen ebenso wie die Erforschung seiner Operationen, seiner Schlachten, seiner Opfer etc. in den Fokus. Sie verdrängten die militärische Forschung zum Ersten Weltkrieg insbesondere in Deutschland nahezu vollständig. Im Vorfeld des 100. Jahrestags des Kriegsausbruchs von 1914 erfuhr das Interesse am Ersten Weltkrieg eine Renaissance. Insbesondere holte hier die Militärhistorik auf. Gezielt versuchte man, neben umfassenden Forschungen zum Krieg allgemein auch die „vergessenen Fronten“ mehr in den Fokus zu nehmen. Allerdings unterblieb es in diesem Kontext bis auf wenige Ausnahmen, die alten Fotografien zu nutzen. Mein Dissertationsprojekt bewegt sich im Bereich der Militärhistorik und der Visual History. Ich forsche mit privaten Fotografien von der Ostfront des Ersten Weltkriegs, vornehmlich Alben, zur Operationsgeschichte: Anhand der Orts- und Datumsangaben möchte ich beispielsweise rekonstruieren, wo der Weg bestimmter Einheiten während des Kriegs wann exakt entlang führte. Waren die Städte dort zerstört oder intakt? Machten die Einheiten Gefangene und lassen sich so die Orte von Gefechten ermitteln? Wie waren die Soldaten, wie die Gefangenen einquartiert? Diese Fragen sind nur eine kleine Auswahl derer, auf die ich in meinem Dissertationsprojekt Antworten zutage fördern möchte.

Alexey Gusev
Russian regional elites and the democratisation movement in RSFSR in 1987 – 1991
Universität Münster
This work will focus on the role of the Russian Soviet regional political elites during the Perestroika period. This question is often overlooked in the study of the processes in the 15 Soviet republics that became independent states in 1991. However, the Russian regional elites played a significant part in the democratisation process of the late Soviet Union.
The Russian Soviet Federative Socialist Republic was a complex federation with 88 regions with their own government and branch of the Communist Party. Thirty-one of these regions were autonomies that had a different ethnic makeup, official languages and sometimes had the tradition of distributing governing positions among different ethnicities. This structure was unique for the USSR, as the other 14 Soviet republics had only seven autonomies, and only Russia was officially a federation.
Apart from autonomies, Russia had 49 oblasts, 6 krais, and 2 cities of republican importance (Moscow and Leningrad/Saint-Petersburg). Their regional governments and branches of the Communist Party became a school for the future Perestroika movement and the leaders of New Russia. The first President of Russia, Boris Yeltsin, was a former first secretary of Sverdlovskiy Krai and the Moscow committee of CPSS, and his predecessor, Mikhail Gorbachev, ruled Stavropolskiy Krai in the 1970s.
The Soviet political system was highly centralised, and during the 1960s and 1970s, regional powers were largely dependent and rarely took the initiative. However, this situation changed dramatically during Gorbachev's Perestroika (1985 – 1991). The Glasnost policy, which allowed for freedom of speech, became a means of defending local interests against the centralised state. This policy stimulated the creation of a union between dissidents and local governments, with these governments becoming significant participants in Perestroika.
Between 1989 and 1990, local powers gained real political influence by participating in elections. In 1989, they took part in the first Soviet Union legislative elections with alternative candidates, and all autonomies had representatives in the Soviet Union parliament. They had a platform for expressing their ideas to a many-million audience because live broadcasts of the first sessions were one of the most popular TV shows on Soviet television.
In 1990, the republican elections in RSFSR were held, forming the future elite of the republics and demonstrating the nomenklatura's ability to be more flexible. Unfortunately, regional processes in RSFSR are usually underexplored and remain in the shadow of the independent movements in Soviet republics.

Blessen George Babu
Body and Soul: Decoding the Conundrum through the Mystical Hermeneutics of Mar Babai the Great
Georg-August Universität Göttingen
With my research topic, I discuss and analyse the philosophical understanding of body and soul through the mystical hermeneutics of Mar Babai the Great. Mar Babai the Great (c. 551 – 628 C.E.?) was an early church father and is admired in the world of Patristics for his contributions to theology, especially for his systematic formulations of Christology in the Syriac East. Contemporary historiography has paid little attention to Mar Babai, and the existing few studies published within the major fields of Syriac studies that review the interpretations of his theology have concentrated almost exclusively on his Christological reflection. However, revisiting existential theories or philosophical ideas in history also reveals situations that often exhibit hybridised meanings resulting from consciously or unconsciously exchanging thoughts at various crossroads of dialogues among different traditions. These results could be further fascinating when we try to study how certain communities or individuals try to either uphold or reshape such existential ideals during their encounters with whom they considered ‘the others’. Not many pieces of scientific literature discuss Babai as a tool for comprehending such historical interactions between different religions/ cultures during his era in the late Sassanid empire. Therefore, I study the mystical elements in the writings of Mar Babai and reflect upon the possible solutions that he could offer to the philosophical problem of body and soul, not alone as theoretical ideas but also as phenomena of transcultural exchanges. For this purpose, I apply ‘transcultural history’ as my primary research methodology. This approach is based on the knowledge that Mar Babai’s writings and ideas had bilateral influences over his ecclesiastical, political, social and intellectual encounters. Such a re-reading could pave the way for our understanding of Babai as a gateway to the different religious and philosophical traditions of early medieval history and also in (re)shaping our own identities in the light of pluralistic co-existence and understanding ‘the other’.

Juan José Rodríguez
Endlichkeit, Böse und menschliche Freiheit als Grundproblematik eines Systems der Freiheit in der mittleren Metaphysik Schellings (1804-1811)
Bergische Universität Wuppertal
In Zur Geschichte der neueren Philosophie (1836-1837) wiederholt Schelling gegen Ende seiner München Zeit seine unvollendete Sehnsucht, ein System der Freiheit als perfektes Gegenstück zum spinozistischen System zu entwickeln. Schon im Jahr 1795 plante Schelling in seiner Schrift Vom Ich als Princip der Philosophie, eine Ethica wie die Spinozas zu schreiben, jedoch in idealistischer Tonart, in der der Begriff der menschlichen Freiheit im Zentrum des Systems steht. Was geschah dann in diesen vierzig Jahren zwischen 1795 und Mitte der 1830er Jahre, die die Entstehung des versprochenen ultimativen Systems der Freiheit so lange verzögern konnten?
In der Zeit, an der wir festhalten, veranschaulichen zwei Themen die Schwierigkeit, die menschliche Freiheit als Vermögen des Guten und Bösen und die monistisch- systematische Auffassung des Wissens beziehungsweise der Einheit und der Identität der Vernunft mit sich selbst. Erstens der Gegensatz zwischen der absoluten Kausalität Gottes, die bei Spinoza als Substanz oder in Kants Kritik der Urteilskraft (1790) als archetypischer Intellectus verstanden wird, und der Kausalität durch Freiheit des Menschen. Zweitens der Widerspruch zwischen Freiheit als Fähigkeit des menschlichen Individuums und ihrer Notwendigkeit, gleichzeitig, in Gott zu sein. Schelling wird versuchen, den räumlich-ontologischen Begriff der Immanenz, der deterministischen Implikationen, im Sinne von Lebendigkeit, Selbständigkeit und Freiheit neu zu definieren, dass bedeutet gemäß einer neuen Metaphysik des Werdens, die in seiner früheren Naturphilosophie (1797-1800) initiiert wurde.
Unsere Forschung zielt darauf ab, diesen Aufschub eines Systems der Freiheit bei Schelling aus historischer und systematischer Sicht zu analysieren. In unserer Forschung widmen wir uns dem problematischen Kern von Begriffen, die mit der mittleren Metaphysik unseres Autors verbunden sind, wie die der Endlichkeit, des Bösen und der menschlichen Freiheit, die unserer Meinung nach und verschiedener Spezialisten, die Möglichkeit selbst eines Systems der Freiheit bei Schelling in Frage stellen und allgemeiner der Inkompatibilität der Begriffe von System und Freiheit beweisen. Die Erklärung dieser inneren Unmöglichkeit bei der Betrachtung des neuen Schelling- Systems zwischen Freiheit und rationalem System ist das allgemeine Ziel dieses Promotionsprojekts sowie die historische und systematische Rekonstruktion der verschiedenen Lösungen, die unser Autor erarbeitet, um diesen Widerspruch zu überwinden.
Die Arbeitshypothese, die die geplante Forschung leitet, legt daher nahe, dass Schelling ab 1804/1809 eine Lehre erarbeiten würde, die als „transzendente-Immanenz“ bezeichnet werden könnte. Mit anderen Worten: Wir schlagen vor, im Begriff des Grundes die Entwicklung eines Prozesses zu lesen, dessen Ergebnis sich von der spinozistischen Deus sive natura unterscheiden würde, der absoluten Identität zwischen Gott und Natur, die alle Selbständigkeit des Endlichen aufhebt und die Gründung einer totalisierenden Politik ermöglicht, wie sie sich aus dem Hegelschen System ergibt.

Bhagyashri Vyasaramacharya
Framing Memories of Colonial Violence: Tracing shifts in narratives of the Bengal famine 1943
Goethe-Universität Frankfurt am Main
My thesis examines the memorability of famines, specifically focusing on its shift from being unmemorable to memorable. With specific reference to the memories of the Bengal famine that occurred amidst WWII, which caused 3 million deaths, this thesis aims to trace its shifting memorability. Though popularized as man-made famine, the famine of 1943 remains occluded, dissociated, and rather forgotten in national and historical narratives. Famines are generally perceived as “extreme and general scarcity of food” and have caused casualties for centuries. Yet, they remain largely forgotten, excluded, and garner less attention. It is the quiet and unobtrusive nature of death by starvation that explains why many of those who died of hunger during the Second World War are largely forgotten today.

Polina Kashkarova
Linguistic representation of Russian characters in American cinema
English Department
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Language of film characters’ is an essential part of their image. The ability of linguistic varieties (such as dialects, accents, registers and styles) to convey information about speakers’ social backgrounds is often used by filmmakers as a shortcut for building characters’ profiles. In particular, linguistic choices in films have been found to correlate with such non-linguistic variables as characters’ narrative evaluation (e.g., positive or negative), role centrality (e.g., main, supporting or minor roles) and social characteristics (e.g., ethnicity, gender or social class). The connection between linguistic form and social meaning, referred to as sociolinguistic indexicality, also affects the choice of individual linguistic features employed in characters’ speech. For instance, stylized speech in films often relies on a limited number of salient and stereotypical features, which are highly indexical of a linguistic variety and easily recognizable by a lay audience. Ultimately, linguistic choices made for particular characters can reflect attitudes held toward respective social groups as well as ideologies that filmmakers want to convey or challenge.
My project aims at investigating how linguistic choices help form the image of one particular social group in American cinema, the Russians. Russian characters have been inhabiting the Hollywood space since its establishment, with more than 240 films featuring Russians produced between 1946 and 1991. The representation of Russians in Hollywood has largely followed and reflected socio-political relations between the U.S. and the USSR/Russia. Although these relations have seen dramatic turns, including the countries’ allied participation in WWII and the following Cold War confrontation, it is mainly unfavourable Russian characters that have become archetypal in Hollywood. The role of language in the cinematic representation of Russians, however, remains under-studied. Using a character-based approach to language variation in films, the study is analyzing linguistic (phonetic, grammatical and lexical) and non-linguistic (narratological and social) variables of Russian characters in order to identify meaningful correlations. Indexicalities of stylized Russian English and its features will be determined as a result. The concluded patterns of characterization and language variation will contribute to better understanding the role of cinema in conveying ideologies and projecting attitudes towards Russians in the U.S.

Madeleine Floiger
Erwartungswidriger Bildungsaufstieg und die Verwertung auf dem Arbeitsmarkt bei Jugendlichen aus bildungsfernen Familien
Universität Potsdam
Das deutsche Bildungssystem gilt als ein System, das soziale Ungleichheit eher reproduziert als ausgleicht. Trotz steigender Bildungsmöglichkeiten entscheidet der sozioökonomische Hintergrund über Bildungs- und anschließende Erwerbsverläufe. Denn höhere Abschlüsse und daraus resultierende Bildungsaufstiege ermöglichen nicht zugleich sozialen Aufstieg, sondern sind gegenwärtig relevant, um die soziale Stellung in der Gesellschaft zu halten. Der gesamtgesellschaftliche Anstieg der höheren formalen Bildungsabschlüsse lässt weiterhin nur wenig Aufwärtsmobilität zu.
Bildungsverläufe, bei denen Herkunftseffekte dennoch überwunden werden und bei denen der Bildungsaufstieg über mehrere Bildungsstufen erfolgt, sind in Deutschland innerhalb der immobilen Strukturen erwartungswidrig. Gleichwohl, und dies bildet die Ausgangssituation meiner Dissertation, werden erwartungswidrige Bildungsaufstiege realisiert: So kommen z. B. 8 % der Studentinnen und Studenten aus einem Haushalt, indem die Eltern keinen Schul- oder maximal einen Hauptschulabschluss besitzen.
Des Weiteren verweist einschlägige Literatur darauf, dass Bildungsaufsteigerinnen und -aufsteiger beim Eintritt in den Arbeitsmarkt ihren erlangten Status oft nicht adäquat umsetzten können. Denn nach einem erlangten Abitur entscheiden sich insbesondere diese Personen gegen ein Studium oder erlangen geringwertigere berufliche Erstpositionen, als es Personen erreichen, die auf diesen höheren Berufsstatus bereits seit der Vorgängergeneration etabliert sind.
In meiner Dissertation werden diese erwartungswidrigen Bildungsverläufe betrachtet, d. h. die Verläufe, bei denen Jugendliche aus ressourcenarmen Familien kommen, dennoch eine weite Aufwärtsmobilität im Bildungssystem zurückgelegt haben und die erlangten höheren Bildungsstufen auch in der Erwerbstätigkeit adäquat halten können. Dafür wird quantitativ mittels Sekundäranalyse untersucht, warum der geringe Personenanteil diese Verläufe geschafft hat und welche Faktoren im Lebenslauf dafür verantwortlich waren.
Das Ziel der Arbeit ist zu ermitteln, welche Faktoren in ihrer Stärke und Kombination vorliegen und für die besonderen Verläufe verantwortlich sind, damit diese rekonstruiert und erklärt werden können. Die gewonnenen Ergebnisse der Untersuchung sind wiederum wichtig für fördernde und präventive schulische sowie bildungspolitische Anregungen und Maßnahmen, aber auch für die Sensibilisierung und den Umgang mit Ungleichheit im deutschen Bildungssystem. Durch die Untersuchung soll zudem ein Beitrag geleistet werden, die Aufmerksamkeit auf das Gelingen von erfolgreichen Bildungsverläufen zu legen und die Bedeutung dafür hervorzuheben. Anders als in themenbezogener Forschung, sollen nicht die Faktoren für das Scheitern im Bildungssystem in den Vordergrund gerückt werden.

Dominique Bobeck
Consonantal Roots in Phonological and Morphological Theory
Universität Leipzig
Mein Dissertationsthema in Linguistik behandelt die Frage, wie sogenannte Wurzeln in bestimmten Sprachen aussehen können, wobei primär semitische Sprachen (z.B. Arabisch, Amharisch, Hebräisch, Aramäisch) und ferner deren Verwandte aus anderen Zweigen des Afroasoatischen (z.B. Hausa, Berber, Beja) im Fokus sind. Unter Wurzeln kann man sich in etwa den kleinsten gemeinsamen Nenner vorstellen, mit dem man Wörter miteinander in Verbindung setzen kann, im Deutschen beispielsweise werfen, (sie) wirft, (ich) warf, geworfen, Wurf und Würfel, wobei hier die Wurzel √werf zugrunde läge – oder doch nur √wrf, wie schon für semitische Sprachen vorgeschlagen wurde?
Typischerweise wird sowohl traditionell in der Semitistik als auch in den meisten generativlinguistischen Ansätzen angenommen, Wurzeln in semitischen Sprachen bestünden ausschließlich aus Konsonanten (meistens drei). Ein Beispiel sei hier die Wurzel √brd aus dem modernen Standard-Arabischen, von der sich folgende Formen ableiten lassen: barada ‚er war/wurde kalt‘, yabrudu ‚er ist/wird kalt‘, barrada ‚er kühlte‘, yubarridu ‚er kühlt‘, bard‚ Kälte‘, burūd ‚Kälte, Gefühlskälte‘, buradāʔ ‚Schüttelfrost‘, barad ‚Hagel‘, barrāda‚ Kühlschrank‘, tabrīd ‚Kühlung‘ und bārid ‚kalt‘.
Einige Gegenentwürfe, vor allem aus den 1990ern und 2000ern, versuchen stattdessen, statt auf rein theoretische Konstituenten wie die Wurzel, auf ganze Wortformen oder Wortstämme zurückzugreifen – am obigen Beispiel gemessen z.B. barad-. Es gibt gute Gründe, warum der wort- bzw. stammbasierte Ansatz starker Kritik ausgesetzt ist, was damit zusammenhängt, dass er bestimmte systematische Zusammenhänge als Zufälle darstellt und allgemein zu wenig restriktiv ist – im Sinne, dass eine Theorie, die prinzipiell alles erklären könnte, was es gibt oder auch nicht gibt, letztendlich dadurch doch nichts erklären, sondern nur beschreiben kann.
Gleichzeitig birgt der Ansatz konsonantischer Wurzeln zahlreiche theoretische wie empirische Probleme. So ist es allein schon fragwürdig, dass derartige Wurzelstrukturen laut aktuellem Forschungsstand ausschließlich in semitischen Sprachen zu finden sind. Zentrale Hypothese meines Promotionsprojekts ist, dass die konsonantische Wurzel inadäquat ist, morphologische Zusammenhänge zu erfassen. Stattdessen wird der Versuch unternommen, die beiden bisherigen Strömungen zu vereinen, indem auf die Wurzel als morphosyntaktische Konstituente Bezug genommen wird, ohne aber, dass diese allein aus Konsonanten bestehe.

Elisabeth Scharkin
Portrayal of Women by Roman Authors and its Influence on Today's Society
Eberhard Karls Universität Tübingen
Being born as a woman in ancient times would undoubtedly not be described as an effortless experience, as numerous women were confronted with insurmountable obstacles. A woman could have been seductive and wicked, murderous, power–hungry, and lascivious lustful, or motherly and caring, supportive of her husband, faithful, and brave. It was irrelevant because, ultimately, there was always someone who caused a tragic death for that woman or at least destroyed her reputation. At least that was the case for women, who today would be described as public figures. It appears that, during antiquity, it did not matter whether these women had tried to subordinate themselves to the patriarchal society or whether they had violated the regulations. The result seems to remain the same: they all faced some sort of tragedy and condemnation. It is evident that Roman antiquity in particular was strongly patriarchal in character. Therefore, it is unsurprising that the majority of writers pertaining to women were male, without any apprehension of being criticized by society for a skewed portrayal of female figures. Although the notion of ‘male gaze’, which implies that men evaluate women in a particular manner and thus possess a particular viewpoint on the matter, is a contemporary concept, it is evident that it can be applied to ancient texts. In antiquity, the distinction between the feminine and masculine domains was strictly regulated. This phenomenon had a predetermined limit in literature that was unbreakable. Hence, women were depicted as unable to move in epics and myths, thereby limiting transgression to men exclusively. It appears that society was concerned that women would, given some freedom, no longer want to remain tied to their families if they had their income and status. This is precisely the reason the patriarchal society endeavoured to prevent it from the outset. Due to their biological gender, women were also largely excluded from public office and politics, either due to a lack of trust in their abilities or a fear of societal disruption. As the antiquity of the Mediterranean region continues to be regarded as the cradle of contemporary Europe, it is important to critically examine the representation of women in antiquity to comprehend the perilous trends prevalent in contemporary society. It is therefore time to critically scrutinize the ancient texts regarding their attitude towards women and to ask ourselves the question of the attitude from which the ancient texts are read and received today.
Fabian Reichel
Die Geschichte des Sehens: Zum Problem der Variabilität von Wahrnehmung und Aufmerksamkeit
Friedrich-Schiller-Universität Jena
In weiten Teilen der Kunst- und Kulturwissenschaften besteht heute Konsens darüber, dass das Sehen eine Geschichte hat. Auffällig ist jedoch, dass diese These nur selten wirklich ausgearbeitet und begründet worden ist. Und die wenigen vorliegenden Begründungsversuche wurden bislang höchstens ansatzweise systematisch diskutiert. Vor dem Hintergrund dieses Ungleichgewichts setzt sich das Projekt zum Ziel, die zentralen Positionen in der Debatte um die Geschichte des Sehens erstmals in einen Zusammenhang zu bringen und im Detail zu prüfen, wie überzeugend sie sind. Dabei zeigt sich, dass häufig, wenn von „Sehen“ oder „Wahrnehmung“ gesprochen wird, eigentlich das Phänomen visueller Aufmerksamkeit gemeint ist. Ausgehend von dieser Diagnose wird der Vorschlag verteidigt, zwischen starken Versionen und schwachen Versionen der Historizitäts-These zu differenzieren: Erstere gehen von einem „Wahrnehmungsstil“ aus, der sich analog zum Stil von Bildern verändert, letztere betonen lediglich die Variabilität der Aufmerksamkeit. Es soll gezeigt werden, dass sich die starken Versionen in logische Widersprüche verstricken, während die schwachen Versionen zumindest mit einem fragwürdigen Aufmerksamkeitsbegriff arbeiten. Die Grundhaltung des Projekts ist also durchaus kritisch, es soll sich aber nicht mit Skepsis begnügt werden. Stattdessen wird abschließend die Phänomenologie in die Diskussion eingebracht, um durch die Konfrontation mit der erstpersonalen Perspektive zu einem präziseren Verständnis davon zu kommen, in welchem Sinne und in welchem Maße Wahrnehmung und Aufmerksamkeit wandelbar sind.

Freddy Nd
Irreparabilität? Eine Untersuchung des Nation Buildings in posttraumatischen Kontexten: Ruanda von 1994 bis heute
Universität des Saarlandes
Mein Dissertationsprojekt will die Umsetzung von Reparationen in Ruanda nach dem verheerenden Völkermordvon 1994 untersuchen . Es strebt danach zu verstehen, wie diese Maßnahmen in den komplexen posttraumatischen Kontext eingebettet wurden. Ruanda wird heute oft als ökonomisches Erfolgsmodellgefeiert, doch dieser Glanz steht im krassen Gegensatz zu den düsteren Erinnerungen an das Massaker vor fast drei Jahrzehnten. Trotz der Lobpreisungen für Ruandas wirtschaftliche Entwicklung bleibt das Land von einem autokratischen Regime geprägt. Dieser Widerspruch verdeutlicht die tiefgreifenden Herausforderungen, mit denen Ruanda nach dem Genozid konfrontiert ist. Die aktuelle Eskalation der Gewalt an der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo wirft weitere Fragen zur Nachhaltigkeit der Friedensbemühungen und der politischen sowie kulturellen Reparationspraktiken auf. Das Projekt verfolgt einen innovativen, interdisziplinären Ansatz, der Experteninterviews und Diskursanalysen umfasst. Es zielt darauf ab, ein breites Spektrum von Perspektiven auf die Reparationsmaßnahmen einzufangen und einen umfassenden Dialog über ihre langfristige Wirksamkeit und die Zukunft Ruandas sowie anderer afrikanischer Nationen anzuregen. In einer Zeit globaler Krisen und Herausforderungen strebt dieses Projekt neue Ansätze für die Gestaltung von Reparationspolitik und-praxis an. Es betrachtet Reparationen nicht nur als vorübergehende Maßnahme, sondern als unverzichtbare Perspektive für eine gerechtere Welt. Ruanda dient dabei als Ausgangspunkt für ein breiteres Forschungsmosaik,
das sich anderen Fallstudien widmet und so zu einem umfassenderen Verständnis von postkonfliktuellen Gesellschaften beiträgt.

Friedrich Wilhelm Franzen
Moralische Expertise
Universität Münster
Der Begriff der Expertise scheint auf den ersten Blick recht alltäglich: Experten verfügen auf einem spezifischen Gebiet über Kenntnisse oder Fähigkeiten, die jene der meisten anderen Menschen signifikant übertreffen, und sind darüber hinaus in der Lage, diese Kenntnisse und Fähigkeiten auf immer neue Problemstellungen anzuwenden (Goldman, 2001). Ein solcher Begriff der Expertise mag uns im Alltag zwar leicht über die Lippen gehen, wirft bei näherer Betrachtung jedoch gewisse Fragen auf: Was genau ist das Wesen der Expertise? Handelt es sich um eine bloße soziale Zuschreibung auf der Grundlage formeller Bildungsabschlüsse oder praktischer Erfahrungen, oder ist Expertise eine objektive Eigenschaft von Personen? Kurzum: Können Menschen Experten sein oder aber bloß von ihren Mitmenschen als solche wahrgenommen werden? Und wie können Laien (die über keinerlei Kenntnisse auf einem jeweiligen Gebiet verfügen) oder Novizen (die erst noch im Begriff sind, sich entsprechende Kenntnisse anzueignen) Experten identifizieren? Fragen dieser Art sind Gegenstand der sozialen Erkenntnistheorie, welche den traditionell individualistischen Ansatz der Epistemologie um eine Analyse der Effekte sozialer Interaktionen und Systeme zu ergänzen sucht. Während zahlreiche Autoren sich natur- und lebenswissenschaftlichen Feldern zugewandt und diesbezüglich differenzierte Analysen vorgelegt haben, wurden Fragen der Moral in der wissenschaftlichen Diskussion bislang weitestgehend ausgeklammert. Gleichzeitig wird in politischen und medialen Debatten wiederkehrend das Bedürfnis nach moralischer Orientierung angesichts komplexer Krisensituationen artikuliert. Der moralische Diskurs ist für Menschen als soziale Wesen zwar essenziell und durch evolutionäre Anpassungsprozesse vorstrukturiert, entpuppt sich bei näherem Hinsehen aber als ungemein voraussetzungsreich hinsichtlich seiner Semantik, Ontologie und Erkenntnistheorie. Die Frage, ob es so etwas wie Moralexperten geben könnte, hängt also von einer Positionierung zu bestimmten Teilfragen des moralischen Diskurses ab: Gibt es normative Tatsachen? Wenn ja, wie können wir diese erkennen? Zählt bloß unser Wissen oder aber auch unser praktisches Handeln? Eine grundlegende These dieser Arbeit lautet: Moralischer Diskurs kann auch ohne das Streben nach Letztbegründungen und einen strengen Wahrheitsanspruch gelingen, wenn wir die Moralphilosophie als Element eines pluralen, nach den Prinzipien des Fallibilismus arbeitenden Wissenschaftsgefüges verstehen sowie möglichst konsensfähige moralische Normen zugrunde legen. Moralische Expertise lässt sich über den individualistischen Zugang der Wissensbestände und Handlungsdispositionen des einzelnen moralischen Akteurs nicht zufriedenstellend konzeptualisieren; sie zeigt sich vielmehr in der kompetenten Steuerung menschlicher Verhaltensdispositionen mithilfe soziokultureller Institutionen.

Georgette Issa
Köter einer wechselvollen Geschichte: das Libanesische Nationale Musikkonservatorium als Herausforderung für die Feldtheorie
Kunstakademie Düsseldorf
Mein Projekt zielt darauf ab, die Entwicklung des libanesischen nationalen Musikkonservatoriums als Herausforderung für Bourdieus Feldtheorie zu operationalisieren. In diesem Sinne verwende ich die Feldtheorie zum einen, um das Konservatorium als Teil eines institutionellen Musikbildungsfeldes zu untersuchen und seinen gegenwärtigen Zustand im Licht der historischen Kontexte im Libanon zu verstehen. Zum anderen zeige ich auf, dass und wie die postkoloniale Geschichte des Libanons, die schwache Institutionalisierung der Musikausbildung und die Bedeutung der Religionszugehörigkeit für die Besetzung von Ämtern tiefgehende Herausforderungen für die Feldtheorie darstellen. Ziel des Projektes ist es herauszuarbeiten, wie Bourdieus Feldtheorie umgearbeitet werden kann und muss, um für den postkolonialen Kontext des Musikbildungsfeldes im Libanon fruchtbar angewendet werden zu können. Das Projekt versteht sich in diesem Sinne vor allem als Beitrag zu einer dringend nötigen postkolonialen Überarbeitung von Bourdieus Feldtheorie.

Marcel Lemmer
Vergleichende Analyse konstituierender Narrative zur Staats(un)treue anhand der soldatischen Fahnenflucht
Goethe-Universität Frankfurt am Main
Meine Forschung konzentriert sich auf die Konstituierung und Kontestation staatlicher und kollektiver Narrative und untersucht deren Einflüsse auf die Bürger verschiedener Staaten. Narrative, die Staatstreue einfordern und begründen, schwingen überall mit: Ob beim Steuerzahlen, bei Zivilcourage, Integration, Engagement oder der Teilnahme an Wahlen – stets wird sich mehr oder weniger für die Interessen und Werte eines Staates eingesetzt.
Mit meinem Projekt möchte ich einen Forschungszugang zur öffentlichen Reflexion dieser Narrative zur Staatstreue entwickeln und insbesondere anhand der speziellen performativen Dimension der soldatischen Aushandlung mit dem Narrativ zur Staatstreue (im Einsatz zwischen Leben oder Tod) Rückschlüsse über alltägliche und schwer fassbare Narrative – und über die bürgerliche Staatstreue im Gesamten ziehen. Dafür rekonstruiere ich im ersten Schritt gesellschaftliche und militärische Narrative aus Staaten wie Afghanistan, China, Deutschland, Israel, der Ukraine und den USA, die die Zugehörigkeit und Treue ihrer Bürger und Soldaten in unterschiedlichen Intensitäten fördern.
Im zweiten Schritt analysiere ich die soldatische Reflexion dieser Narrative, um zu verstehen, welche als überzeugend empfunden werden und bei den Soldaten ein Gefühl der Zugehörigkeit und Treue erzeugen – und welche weniger wirksam sind. Damit gehe ich auch der Frage nach, ob und wie Narrative zur Staatstreue die Entscheidung von Soldaten beeinflussen, nicht fahnenflüchtig zu werden. Möglicherweise ähnlich interessante Vergleichsgruppen könnten Künstler, Sportler und Lehrer eines Staates sein, die im Ausland agieren (z.B. über das Goethe-Institut).

Marlene Nagel
Selbstbestimmter Freundschaftsdienst oder falsch benannter Raub? – Koloniale „Geschenke“ im GRASSI Museum Leipzig
Humboldt-Universität zu Berlin
Meine Forschung widmet sich der Provenienzforschung von Objekten, die während der deutschen Kolonialzeit als „Geschenke“ von Oberhäuptern aus Tansania und Kamerun in die Sammlung des GRASSI Museums für Völkerkunde zu Leipzig gelangten. Dabei hinterfrage ich, ob diese Objekte freiwillig übergeben, durch koloniale Machtverhältnisse beeinflusst oder sogar geraubt wurden.
Im Fokus stehen vier exemplarische Objekte: ein Speer und ein Schild aus Tansania sowie eine Halskette und ein Bronzefrosch aus Kamerun. Diese Objekte bieten Einblicke in die Vielfalt der Erwerbungsumstände und verweisen auf die komplexen kulturellen und politischen Austauschverhältnisse in der Kolonialzeit. Erste Erkenntnisse deuten auf unterschiedliche Motive des Transfers hin: von diplomatischen Gesten und vermeintlichen Freundschaftsdiensten bis hin zu gewaltsamen Aneignungen.
Um ein differenziertes Bild dieser kolonialen Austauschverhältnisse zu zeichnen, ist eine ergebnisoffene Analyse unerlässlich, die sich nicht von vornherein auf einen bestimmten Erwerbskontext festlegt. Dieser Ansatz verhindert eine Vereinfachung historisch komplexer Handlungsgefüge und ermöglicht eine präzisere Rekonstruktion wechselseitiger machtpolitischer Strukturen in der Kolonialzeit. Gleichzeitig berücksichtigt er die Handlungsfähigkeit der Herkunftsgesellschaften, indem er neben gewaltsamen Entwendungen auch freiwillige Geschenkgaben in Betracht zieht. Ergänzt durch einen interdisziplinären Zugang, der die materielle Geschichte der Objekte ebenso einbezieht wie ihre symbolische und soziale Bedeutung, entsteht eine ganzheitliche Analyse. Dadurch werden nicht nur die historischen, kulturellen und musealen Zusammenhänge beleuchtet, sondern auch die Handlungsspielräume der Akteur*innen und die langfristigen Folgen für beide Seiten sichtbar gemacht.
Meine Forschung verbindet historische Provenienzforschung mit einem interdisziplinären Ansatz. Neben der Auswertung von Archivmaterial beziehe ich qualitative Interviews mit Nachfahren der Herkunftsgesellschaften ein, um lokale Perspektiven auf die Objekte und ihre Bedeutung in Vergangenheit und Gegenwart zu integrieren. Ziel ist es, ein multiperspektivisches Verständnis der Erwerbskontexte zu entwickeln und die Vielfalt der Aneignungspraktiken während der Kolonialzeit sichtbar zu machen.
Mit meinem Projekt möchte ich die Werte Individualismus, Freiheit und Selbstbestimmung betonen, die in der laufenden Restitutionsdebatte von unterschätzter, aber zentraler Bedeutung sind. Dabei setze ich auf eine liberale Perspektive, die den Fokus auf die Selbstbestimmung und die Handlungsmacht der Herkunftsgesellschaften legt. Durch die Förderung der Friedrich-Naumann-Stiftung kann ich zur Stärkung des Pluralismus im globalen wissenschaftlichen Diskurs beitragen und die Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit um neue Impulse bereichern.

Niloofar Eskandari
Halbautomatisierte grammatische Selbstkorrektur von eigenen Texten mithilfe eines Karteisystems im DaF-Unterricht: Eine empirische Untersuchung am Beispiel persischsprachiger DaF-Lernender auf dem A1-Niveau
Universität Münster
In vielen Ländern, wie dem Iran, ist es ungewöhnlich, Fehler konstruktiv anzugehen. Oft werden sie als Gesichtsverlust interpretiert, anstatt sie als Gelegenheit zum Spracherwerb zu betrachten, vor allem wenn man Deutsch lernt, um in deutschsprachigen Ländern zu studieren oder zu arbeiten. Wenn Lehrkräfte im Iran Lernertexte lediglich durch Fehlermarkierung korrigieren, fehlt den Lernenden oft die Motivation, ihre Fehler zu beheben. Zudem wissen sie nicht, wie sie die Ursachen ihrer Fehler identifizieren können. Dadurch bleibt die Verbesserung ihrer Sprachkompetenz begrenzt. Der Umgang mit diesem Problem variiert je nach kulturellem Hintergrund. In Ländern mit einer Null-Fehler-Kultur wie dem Iran wird dieses Problem besonders deutlich. Um es anzugehen, ist im Unterricht ein System erforderlich, das die Lernenden dazu ermutigt, Fehler als einen natürlichen Teil des Lernprozesses anzusehen, anstatt sie zu vermeiden. Um die Überarbeitung von Fehlern durch die Lernenden kompetenzorientiert in den Unterricht zu integrieren, wurde ein neues System zur Vermittlung und Selbsteinschätzung entwickelt. Dieses System bzw. das Karteisystem unterstützt gleichzeitig selbstregulatorische Fähigkeiten der Lernenden. Es besteht aus Korrekturkarten zur Selbstkorrektur, Emojis und Evaluationskarten zur Selbsteinschätzung sowie Stickern als Notenersatz seitens der Lehrkraft. In der vorliegenden Untersuchung wird erforscht, wie erwachsene Lernende, die Persisch als Muttersprache sprechen und Deutsch als Fremdsprache (DaF) erlernen, aktiv mit diesem neuen sprachlichen System interagieren. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der Entwicklung ihres Verständnisses von Fehlern während des Lernprozesses. Die Studie zielt insbesondere darauf ab, individuelle Unterschiede im Umgang mit Fehlern zu erfassen und zu analysieren, wie sich dieser Umgang im Laufe der Zeit verändert. Des Weiteren wird untersucht, wie die Lernenden befähigt werden können, eine Null-Fehler-Kultur zu überwinden. Dies beinhaltet das Erlernen der Fähigkeit, eigene schriftliche Fehler zu identifizieren, zu analysieren und zu korrigieren, sowie die Fähigkeit, den eigenen Lernfortschritt einzuschätzen. Die Analyse des ersten Designszyklus verdeutlicht, dass sich die positive Einstellung der Lernenden, die ausschließlich mit Fremdkorrektur vertraut sind, durch den Unterrichtsverlauf und die Anwendung der neuen Methode signifikant verbessert. Die Resultate des zweiten Zyklus zeigen, dass die Nutzung des Karteisystems zur Selbstkorrektur die Anzahl der Fehler in nachfolgenden Texten verringert, wobei die Lernenden in der Regel in der Lage sind, ihre Fehler zu finden und richtig zu korrigieren. Im Rahmen der Einzelfallanalysen des dritten Designszyklus wird herausgestellt, dass das Karteisystem eine förderliche Fehlerkultur schafft, in der die Lernenden Feedback zur Fehlerquelle und -behebung erhalten und lernen, Kritik konstruktiv zu nutzen.
Sarah Weintritt
Diversität und Inclusion bei klassischen Musikfestivals: Eine neo-institutionalistische Analyse von Good Practices und Strategien zur Förderung einer integrativen Kultur
Hochschule für Musik und Theater Hamburg, Institut für Kultur- und Medienmanagement
Die klassische Musikszene sieht sich großen Herausforderungen gegenüber: Sie muss sich in einer immer vielfältigeren und offenen Gesellschaft weiterentwickeln und ihren Stellenwert behaupten. Staatlich geförderte Kulturinstitutionen stehen unter dem Druck, kontinuierlich ihren gesellschaftlichen Beitrag („Public Value") nachzuweisen. In einem postmigrantischen Deutschland sind die Begriffe Kultur, Diversity und Inclusion eng miteinander verwoben. Bereits der „Nationale Integrationsplan" von 2007 betonte die Relevanz einer interkulturellen Kulturpolitik und die kulturelle Beteiligung von Personen mit Migrationshintergrund (Allmanritter, V., 2017). Es ist entscheidend, den öffentlichen Kulturauftrag für Menschen unterschiedlicher Herkunft auf hohem künstlerischen und kulturpädagogischem Niveau zu erfüllen. Doch laut Institut für Demoskopie Allenbach besuchten 2021 nur 7,3 % der über 14-Jährigen regelmäßig Musikveranstaltungen, während 60,1 % diese gelegentlich und ein Drittel gar nicht besuchten.
Diversität und Inclusion, oft als miteinander verknüpftes Begriffspaar in Organisationen verwendet, sind Schlüssel, um die klassische Musik dynamisch und zukunftsfähig zu gestalten. Sie müssen eng zusammenwirken, um ein vielfältiges und erfolgreiches Arbeitsumfeld zu schaffen. Hierbei wird der englische Begriff „Inclusion" genutzt, da er eine andere Bedeutung hat und anders verstanden wird als der deutsche Begriff „Inklusion". Inclusion bedeutet in der Soziologie das Miteinbezogensein und die gleichberechtigte Teilhabe an etwas; in Unternehmen ist es das Miteinbezogensein und die Teilhabe an allen Bereichen der Organisation (Sauberer, 2021). „Inclusion" als Wortpaar-Ergänzung zu Diversität bezieht sich auf eine Grundhaltung der Wertschätzung und Einbeziehung aller Menschen in sämtlichen Lebensbereichen, unabhängig vom Leistungs- und Handlungsvermögen der einzelnen Person.
In meiner Arbeit analysiere ich die Rolle von Diversität und Inclusion bei klassischen Musikfestivals und nutze Neo-Institutionalismus sowie systemische Organisationstheorie, um zu verstehen, welche institutionellen, normativen, kulturellen und systemischen Faktoren die Umsetzung dieser Maßnahmen beeinflussen. Die systemische Organisationstheorie betrachtet Organisationen als komplexe Systeme, in denen verschiedene Elemente miteinander interagieren und sich gegenseitig beeinflussen. Sie ermöglicht es, das Zusammenspiel von Strukturen, Prozessen und Verhaltensweisen innerhalb der klassischen Musikbranche und ihrer Einbettung in größere soziale Systeme zu analysieren.
Die Förderung einer diversitätsorientierten Organisationsentwicklung in der klassischen Musik dient nicht nur ethischen und sozialen Zielen, sondern hilft auch, neue Zielgruppen zu erreichen, künstlerische Innovationen voranzutreiben und die Wettbewerbsfähigkeit von Musikfestivals zu erhöhen. Ein stärkerer Fokus auf Diversität und Inclusion fördert den kulturellen Dialog und den sozialen Zusammenhalt durch die Einbindung verschiedener künstlerischer Traditionen, was ein tieferes Verständnis und eine höhere Anerkennung von kultureller Diversität in der Gesellschaft ermöglicht. Ziel ist es, Good Practices und Strategien zur Förderung von Diversität und Inclusion zu identifizieren, um wertvolle Erkenntnisse für Veranstalter, Künstler, Kulturmanager und andere Stakeholder bereitzustellen.

Sibylla Elsing
Bildungszugänge Jugendlicher zum Musiktheater. Eine empirische Studie im Spannungsfeld staatlicher Subventionierung und privatwirtschaftlichem Musical–Entertainment
Universität Paderborn
Sowohl mit schulischen als auch mit außerschulischen Projektformaten wird an vielen Opernhäusern versucht, ein junges Publikum für das Musiktheater zu gewinnen. Doch trotz der Bemühungen der Opernhäuser, auch innerhalb der jüngeren Generation das Genre Oper attraktiver zu machen, ist der Altersdurchschnitt des Publikums in Opernproduktionen hoch. In Berlin ergab die Befragung ein überdurchschnittliches Alter von 53 Jahren, der Altersdurchschnitt in NRW lag sogar bei 57 Jahren. Insgesamt wird der Markt für klassische Musik seit Mitte der 90er Jahre stetig kleiner und die Konsument*innen stetig älter. Angesichts der ohnehin begrenzten Zahl der Opernliebhaber*innen und des während der letzten 35 Jahre stetig gestiegenen Durchschnittsalters, wird verschiedentlich auf die Gefahr eines „Aussterbens“ des Opernpublikums hingewiesen. In Anbetracht dessen ergibt sich eine Reihe von Fragen: Was lässt die Oper für Jugendliche so unattraktiv erscheinen und inwiefern bestimmen Eltern und Schule, welches künstlerische Angebot wahrgenommen wird? Kann die Schule hier einen entscheidenden Beitrag leisten, wenn Eltern am künstlerisch kulturellen Leben nicht teilnehmen? Während nach Angaben des deutschen Musikinformationszentrums (10/2021) noch 22,6 % der befragten Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren angaben, gerne Musicals zu hören, betrug der Anteil jener, die gerne Oper/Operette/Gesang hören nur noch 3,6 %. Fraglich ist, was das Genre Musical einem jugendlichen Publikum im Gegensatz zur Oper rezeptionspsychologisch bieten kann und inwieweit gattungsimmanente Stoffe ausschlaggebend für den Besuch der Musiktheater sind. Die Relevanz einer empirischen Publikumsforschung im Hinblick auf die möglichen Bildungs- zugänge des jungen Publikums zum Musiktheater ergibt sich schon angesichts hoher Subventionen, mit denen Operntickets aus Steuergeldern bezuschusst werden. Über Jahre hinweg unterstützte der Bund mit mehr als 200 Millionen Euro zwar auch die kulturelle Bildung von Kindern und Jugendlichen, dennoch stellt sich die Frage, inwiefern die öffentliche Förderung von Opernhäusern im Hinblick auf ein vergleichsweise kleines, alterndes Publikum überhaupt noch gerechtfertigt ist. Die Analyse des Forschungsstandes zum Bildungszugang des Nicht-Publikums, also jener Jugendlichen, die bislang selten oder nie ein Musiktheater besucht haben, zeigt, dass bisher keine umfassende Untersuchung zu dieser Thematik vorliegt. Die bisher erhobenen Daten betreffen vor allem gezielte Publikumsbefragungen der
Besucher von Vorstellungen von Musiktheatern. Das Dissertationsvorhaben soll ausgehend von der Datenerhebung zum Bildungszugang klären, was Jugendliche veranlasst oder davon abhält, die Aufführung einer Oper/Operette zu besuchen, welche Bildungszugänge zum Musiktheater Jugendlichen zur Verfügung stehen, wie diese genutzt werden und welche Bildungsangebote sinnvoll erscheinen können, um das Genre Oper/Operette auch zukünftig attraktiv zu machen.