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Klimaschutz
Der einheitliche Preis für CO2

Sachverständigenrat befürwortet umfassenden Emissionshandel. Dabei sind pragmatische Übergangslösungen denkbar.
Paqué
Karl-Heinz Paqué © Photothek / Thomas Imo

Pünktlich zu Beginn der Sommerpause hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gesprochen, und zwar zur Klimapolitik - in einem fast 150-seitigen Sondergutachten. Sein Wort überzeugt. Dies findet unser Vorstandsvorsitzender Professor Paqué. Der Volkswirt erklärt im Folgenden warum.

Wie können Deutschland, Europa und die Welt endlich ihre Klimaziele erreichen? Darüber gibt es seit Monaten eine hitzige Debatte, nicht zuletzt ausgelöst durch die Proteste der Fridays-for-Future-Bewegung. Die Debatte gewinnt dabei an Niveau: War sie lange Zeit durch moralisierende Vorhaltungen geprägt, treten endlich rationale Argumente in den Vordergrund. Das Sondergutachten des Sachverständigenrats könnte ein erstes willkommenes Resümee sein, das dann die politische Debatte des Herbstes beflügeln sollte.

Was sind die zentralen Aussagen des Gutachtens? Allen voran steht das Plädoyer für einen einheitlichen CO2-Preis, der möglichst allen Teilnehmern am Wirtschaftsleben den gleichen monetären Anreiz gibt, CO2-Emissionen zu reduzieren - unabhängig von Identität, Branche und Zweck der Tätigkeit. Diese Forderung ist außerordentlich wichtig, denn sie rückt zum Beispiel die hochgespielten Diskussionen um den Termin des Kohleausstiegs auf das politische Nebengleis, wo sie hingehören. Es geht ja gerade nicht um die Verteufelung irgendeiner Technologie, sondern allein darum, die Anreize zur Senkung von Emissionen richtig zu setzen - und damit natürlich auch die Forschung & Entwicklung anzuregen und in die bestmögliche Richtung zu lenken.

Es gibt grundsätzlich zwei Wege, diesen einheitlichen CO2-Preis zu erreichen:

  1. Durch die Festlegung der CO2-Emissionsmenge und den Handel mit Emissionszertifikaten oder 
  2. durch die Erhebung einer Steuer auf CO2-Emissionen, beides natürlich quer durch alle Bereiche der Wirtschaft, in denen CO2 emittiert wird - von der Erzeugung von Energie und Wärme über die Landwirtschaft bis zum Verkehr.

Der beste Weg ist dabei der umfassende Emissionshandel, weil er keine Abweichung von der (naturwissenschaftlich begründeten) Maximalmenge des CO2-Ausstoßes zulässt - ganz anders als die Steuer, die zu hoch oder zu niedrig ausfallen kann, um das Mengenziel zu erreichen und dann ständig politisch nachjustiert werden muss. In Deutschland haben deshalb die Freien Demokraten ein entsprechendes Modell des Emissionshandels vorgelegt.

Für die Steuer sprechen eigentlich nur, wenn überhaupt, Argumente der Praktikabilität: Ein umfassender Emissionshandel ist rechtlich und organisatorisch komplex, vor allem dann, wenn er, was er ja soll, zwischen Ländern und über Branchen weit ausgreift. Allerdings ließen sich auch Zwischenlösungen finden, wie sie etwa jüngst das Institut für Weltwirtschaft Kiel vorgeschlagen hat, also: eine Koalition der willigen Länder und zunächst sektoral getrennte Handelssysteme, die dann erst allmählich zu einem umfassenden Markt verschmolzen werden.

Tatsächlich stellt sich praktisch die Frage, ob die Einführung einer CO2-Steuer wirklich administrativ und politisch einfacher ist. Denn der Widerstand dagegen wird aus den gleichen Branchen und Nationen kommen wie bei der Einführung des Emissionshandels. In jedem Fall - und das lässt auch der Sachverständigenrat durchblicken - handelt es sich dabei um pragmatische Fragen, die keineswegs mit ideologischer Aufregung beantwortet werden sollten. Hier gibt es viel Spielraum für die durchaus schwierige praktische Diskussion, genauso wie bei der Frage der Vermeidung von "Carbon Leakage" in jenes Ausland, das nicht Teil der CO2-Bepreisung ist.

Bleibt die zentrale Frage der Belastung, sei es mit den Kosten des Emissionskaufs oder der Zahlung der CO2-Steuer. Da gibt es eine Reihe von Vorschlägen - von der pauschalen Rückgabe je Einwohner über die Abschaffung der Stromsteuer bis hin zur Senkung direkter Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Der Sachverständigenrat behandelt die meisten von ihnen - wohl wissend, dass hier noch großer politischer Sprengstoff liegt. Klar muss aber sein, dass der Übergang zu einer klimafreundlichen Bepreisung nicht zu einer Zunahme der Gesamtbelastung mit Steuern, Abgaben und Emissionspreisen führen darf - sonst kann es schnell zu jenem anschwellenden Unmut kommen, den die Regierung Macron in Frankreich zu spüren bekam.

Alles in allem: Der Sachverständigenrat hat einen ausgezeichneten Startpunkt für die Diskussion um unsere klimapolitische Zukunft gesetzt. Zunächst also noch einmal in die Sommerferien – und danach auf zum Schlussspurt um den politischen Streit über den richtigen Weg!