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Philippinen
„Er war ein mieser Hurensohn, er hat es verdient“

In den Philippinen gehört Straflosigkeit bei Verbrechen gegen Journalisten zum traurigen Alltag
Proteste
Kundgebung gegen das Maguindanao-/Ampatuan-Massaker 2009 © CC BY-NC-ND 2.0 Flickr.com/ Magic Liwanag

Die Philippinen verfügen über eine plurale Medienlandschaft mit mehr als 1000 Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen. Die Gesetzeslage ist sehr gut, theoretisch sichert sie die Rechte von Journalisten. Allerdings sind die meisten privaten Medienhäuser im Besitz von einflussreichen Familien und vertreten deren politische Interessen. Die rechtliche Sicherheit besteht vorwiegend auch nur in der Theorie. Verleumdungsklagen werden verwendet, um Journalisten zu behindern. Kritische Berichterstatter werden täglich angefeindet und bedroht. Journalisten außerhalb der großen Städte sind besonders gefährdet.

Wie ist es aktuell um die strafrechtliche Verfolgung von Verbrechen gegen Journalisten im Land bestellt?

Anfang des Jahres wurde der Reporter und Radiomoderator Joaquin Briones am helllichten Tag in der Kleinstadt Masbate erschossen. Wie in den meisten Fällen konnten die Mörder entkommen. Aufgrund von Korruption in der Polizei und der Justiz werden Übergriffe und Morde auf Journalisten kaum aufgeklärt. Die Ermordung von 34 Journalisten in Maguindanao, das bislang größte dokumentierte Massaker an Journalisten, ist nach acht Jahren immer noch nicht aufgeklärt. Die philippinische Zivilgesellschaft ist zwar lebhaft und prangert den Tod dieser Journalisten an, zu einer verbesserten Aufklärungsrate führt dies aber nicht. Solange Journalistenmörder strafffrei bleiben, wird die Sicherheit von Journalisten weiterhin gefährdet sein.

Seit dem Amtsantritt von Präsident Duterte im Juni 2016 hat sich die Situation zudem nicht verbessert. Der Präsident wird von Menschenrechtsverteidigern sogar als Unterstützer solcher Morde gesehen. Den Mord an dem Journalisten Jun Pala im Jahre 2003, der damals auch Duterte kritisierte, kommentierte der Präsident mit den Worten: „Das Beispiel ist Pala, ich will die Erinnerung an ihn nicht schmälern, aber er war ein mieser Hurensohn. Er hat es verdient.“ Zudem ist unter Duterte eine neue Unterdrückungsform zu beobachten. Fake News werden per Trolls und Bots sehr professionell in sozialen Medien gestreut. Die Artikel loben den Präsidenten und mobilisieren gegen Kritiker seiner Regierung. Die geschickte Ausnutzung von Algorithmen auf Facebook und anderen Plattformen ermöglicht ihre weite Streuung, seriöse Nachrichtenartikel werden so überlagert. In diesen Artikeln loben Prominente Präsident Duterte als „Gigant des 21. Jahrhunderts (eine angebliche Äußerung Angela Merkels)“, „von Gott auserwählt“ (Papst Franziskus) oder als „echter Kämpfer“ (Arnold Schwarzenegger). Zudem werden kritische Journalisten mit gefälschten Artikeln diskreditiert. Zusätzlich versuchen bezahlte Internettrolle durch ihre Hasstiraden Journalisten gezielt mundtot zu machen.

Gefälschte Nachrichten

"Fake News" über angebliches Lob von Angela Merkel (Screenshot)

Hat sich die Lage in den vergangenen Jahren verbessert oder verschlechtert?

Aufgrund der gesunkenen Zahl von ermordeten Journalisten hat sich die Situation statistisch  verbessert. Von einem wirklichen Fortschritt kann aber nicht gesprochen werden. Die Rahmenbedingungen haben sich nämlich nicht verändert. Die meisten privaten Medienhäuser vertreten immer noch die politischen Interessen von einflussreichen Familien. Die Verbreitung von Fake News hat die Situation vielmehr verschlechtert. Zum Glück führten diese Kampagnen bis jetzt noch nicht zu einem Mord. Die Defizite bei der Polizei und den Gerichten haben sich auch eher verschlechtert. Eine strukturelle Verbesserung für die Sicherheit von Journalisten sieht anders aus. Solange Berichterstatter ohne Folgen ermordet werden, bleibt der Journalismus auf den Philippinen ein gefährlicher Beruf.

Inwieweit wirkt sich die Straflosigkeit auf die Meinungs- und Pressefreiheit im Land aus?

Journalisten sind sehr vorsichtig bei ihrer Arbeit. Sie denken ganz genau nach, wenn sie kritisch über sensible Themen wie Korruption berichten. Nur Mutige veröffentlichen  ihre Stories. Verleumdungsklagen können den finanziellen Ruin bedeuten, außerdem besteht vor allem in ländlichen Gebieten die Gefahr, ums Leben zu kommen. Aufgrund der Anfeindungen im Internet haben einige Journalisten ihre Profile auf den sozialen Medien deaktiviert.

Wird die Straflosigkeit von Verbrechen gegen Journalisten in der öffentlichen Debatte thematisiert? Gibt es konkrete Fälle, die in den Fokus der Öffentlichkeit geraten sind?

Vor allem die Ermordung der Journalisten in Maguindanao aus dem Jahr 2009 bleibt im öffentlichen Gedächtnis. Nicht nur aufgrund der hohen Zahl der ermordeten Journalisten, sondern auch weil bis heute keiner der Verdächtigen verurteilt wurde, obwohl erdrückende Beweise vorliegen. Die Straflosigkeit von Verbrechen gegen Journalisten wird in der Öffentlichkeit immer wieder aufgegriffen, zu einer Verbesserung der praktischen Situation hat dies aber noch nicht geführt.

Welche Organisationen setzen sich im Land gegen die Straflosigkeit von Verbrechen gegen Journalisten ein? Inwieweit unterstützt die FNF diese Bemühungen?

Das Committee to Protect Journalists (CPJ) und das Centre for Media Freedom and Responsibility (CMFR) sind wichtige Institutionen, die sich gegen die Straflosigkeit von Verbrechen gegen Journalisten einsetzt. Die Stiftung engagiert sich mit ihren Partnern für die Stärkung der Medienfreiheit auf den Philippinen, indem sie bisher eher rudimentär vorhandene Journalistennetzwerke stärkt und die Ausarbeitung von innovativen Methoden gegen Fake News unterstützt. Eine der nächsten Stiftungsaktivitäten sind technische Trainings zur sicheren Nutzung von Mobilfunktelefonen. Den Journalisten soll es so ermöglicht werden geschützter zu kommunizieren.

Siegfried Herzog ist Regionalbüroleiter der Stiftung für Südost- und Ostasien