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Migration Policy Group
Libanon: Von einem Aufnahmeland zu einem Abfahrtshafen?

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Meeting with MP Michel Moawad, a member of the Renewal Bloc in the Lebanese Parliament

© FNF Madrid

In der vergangenen Woche haben wir mit Unterstützung des FNF-Büros für Libanon und Syrien ein Besuchsprogramm zum Thema Migration veranstaltet. Die FNF Madrid Policy Group, die sich aus liberalen politischen Entscheidungsträgern und Experten aus ganz Europa, Nord- und Westafrika und dem Nahen Osten zusammensetzt, hatte die Gelegenheit, die Realität der Migrationssteuerung im Libanon aus erster Hand kennenzulernen.

Der Libanon hat eine Bevölkerung von 5,6 Millionen Menschen, von denen 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge sind. Mit dieser Zahl ist das Land das Land mit den meisten Flüchtlingen pro Kopf der Bevölkerung in der Welt. Hinzu kommt eine neue Realität, die den Libanon ins Zentrum der Aufmerksamkeit europäischer Politiker und Experten gerückt hat: Die desolate Wirtschaftslage hat zu einem Anstieg der irregulären Bootsflucht nach Europa geführt. Die Migrationslandschaft im Libanon wird durch drei Faktoren geprägt: seine Rolle als Auswanderungszentrum, als Aufnahmeland für Flüchtlinge und als Zielland für Arbeitsmigranten.

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Dr. Jasmin Lilian Diab during the presentation of the study “Conflict, Crisis and Migration. A Database Study of maritime irregular Migration to Lebanon since 2019”

© FNF Madrid

Libanon, vom Ziel- zum Herkunftsland?

Die Madrider Gruppe für Migrationspolitik der FNF hatte Gelegenheit, sich über die Herausforderungen zu informieren und von den Erfahrungen einer Vielzahl von Interessengruppen und Akteuren im Bereich Migration zu lernen. Vertreter von Think Tanks, Universitäten und Ökosystemen für Migrantenunternehmertum, wie das Issam Fares Institute for Public Policy and International Affairs, die Samir Kassir Foundation, das ALsama Project und die EU-Delegation, beleuchteten unter anderem, wie Migrationsprozesse Chancen und wirtschaftliche Herausforderungen im Libanon als Herkunfts- und Zielland gestalten.

Darüber hinaus stand eine Veranstaltung zur Vorstellung der Studie „Conflict, Crisis and Migration. A Database Study of maritime irregular Migration to Lebanon since 2019" auf dem Programm, die an der Universität Saint Joseph in Beirut stattfand. An der Veranstaltung nahmen mehr als 50 Personen teil, darunter Lokalpolitiker, Vertreter öffentlicher Einrichtungen, des akademischen Sektors und von internationalen Organisationen. Die Studie wurde von den Forschern Ibrahim Jouhari und Dr. Jasmin Lilian Diab mit Unterstützung des FNF-Büros in Madrid durchgeführt. In dieser Analyse untersuchen die Experten die illegale Migration aus dem Libanon seit Beginn der Krise im Land im Jahr 2019. Eine lahmgelegte Wirtschaft und eine Hafenexplosion sowie eine Pandemie haben die Lage im Land stark beeinträchtigt.  Eine wachsende Zahl von Menschen hat daher begonnen, den Libanon in noch nie dagewesener Geschwindigkeit zu verlassen. In diesem Forschungspapier stellten die beiden Autoren die von ihnen gesammelten Daten vor und gaben politische Empfehlungen, die sich auf einen nachhaltigen Umgang mit dem Thema konzentrieren.

Der letzte Tag des Besuchsprogramms fand in der Stadt Tripolis im Norden statt und umfasste den Besuch eines Aufnahmezentrums und einer informellen Siedlung für Flüchtlinge, die vom UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) verwaltet werden. Der Tag begann mit einem Treffen mit UNHCR-Vertretern, einem Besuch des Aufnahmezentrums und einer Besichtigung einer informellen Siedlung, wo die Mitglieder der Gruppe „Migration" Erfahrungsberichte von Flüchtlingen aus erster Hand hörten. 

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Visit to an informal settlement of Syrian refugee’s in the North of Lebanon

© FNF Madrid

Eine liberale Vision für die Zukunft des Libanon und seine Beziehungen zur EU

Bei verschiedenen Gelegenheiten des Programms fand ein Austausch mit liberalen libanesischen Politikern statt, wie dem Abgeordneten Michel Moawad, Mitglied des Erneuerungsblocks im libanesischen Parlament, dem Abgeordneten Ibrahim Mneimneh, der in einen der sunnitischen Sitze gewählt wurde, und dem ehemaligen Abgeordneten Mustapha Allouch, Mitglied der Zukunftsbewegung.

In dem Gespräch mit den liberalen libanesischen Politikern ging es vor allem um die Zukunft des Libanon und seine Beziehungen zur EU, insbesondere in Anbetracht der jüngsten Veränderungen in der Haltung der internationalen Gemeinschaft gegenüber Syrien.

Syrien ist nach 12-jähriger Verbannung in die Arabische Liga zurückgekehrt und tritt nun in eine Phase ein, die von vielen Experten als Phase der Normalisierung und Stabilität angesehen wird. Dennoch steht die syrische Flüchtlingssituation nach wie vor auf der internationalen Agenda, und die EU misst ihr eine hohe Priorität bei. Nicht nur der Libanon beherbergt 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge, auch Deutschland öffnete 2015 seine Türen für mehr als eine Million syrischer Flüchtlinge.

Im Mittelpunkt steht die bevorstehende VII. Brüsseler Konferenz zum Thema „Unterstützung der Zukunft Syriens und der Region", die im Juni stattfinden wird und bei der die Liberalen ein Wörtchen mitzureden haben sollten.

Der libanesische Abgeordnete Moawad betonte, dass sich Syrien auf dem Weg zur Stabilität befinde und die EU sich für eine sichere freiwillige Rückkehr nach Syrien einsetzen sollte, um die wirtschaftliche und soziale Lage im Libanon zu verbessern. Moawad ist der Ansicht, dass der einzige Weg nach vorne für den Libanon „ein Wandel durch eine liberale Demokratie" ist.  In diesem Sinne betonte der Abgeordnete Ibrahim Mneimneh, wie wichtig es sei, legale Wege mit der EU zu finden und die Arbeitskräfte auf systematische Weise zu kanalisieren.

Jan-Christoph Oetjen, Mitglied des Europäischen Parlaments (FDP/RENEW Europe), wies darauf hin, dass sich derzeit alle Bemühungen auf die Verabschiedung des Migrations- und Asylpakts durch die Mitgliedstaaten und die Stärkung der Beziehungen zu den wichtigsten Drittländern konzentrieren.

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Meeting with representatives and beneficiaries of the ALsama Project

© FNF Madrid