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Krieg in Europa
Krieg in Europa - Perspektiven für die Ukraine

Olha Stefanishyna, stellvertretende Ministerpräsidentin und Ministerin für europäische Integration in der Ukraine

Olha Stefanishyna, stellvertretende Ministerpräsidentin und Ministerin für europäische Integration in der Ukraine im Videostatement während der Veranstaltung.

© Frank Nürnberger

Vor genau einem Jahr, am 24. Februar 2022, überfiel Russland frühmorgens die Ukraine. Die sicherheitspolitische Lage Europas und der Welt befindet sich seitdem in einem dramatischen Wandel. Wie sind die „langen“ Linien der sicherheitspolitischen Veränderungen, die jetzt schon sichtbar werden? Wie kann der Ukraine dauerhaft geholfen werden, damit sie die Integrität ihres Territoriums schützen kann? Diese Fragen standen im Mittelpunkt unserer großen Ukraine-Konferenz, die am 21. Februar 2023 im FAZ Atrium in Berlin stattfand.

Dass der Freiheitskampf der Ukrainer ein leuchtendes Vorbild für die Welt ist, hob der Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué bei der Eröffnung der Konferenz hervor: „ Dieser Krieg ist nicht nur ein Angriff auf die Ukraine, denn es geht um das Recht des Stärkeren gegen die Stärke des Rechts. Es geht um Autokratie gegen Demokratie. Es geht um die Zukunft, in der unsere Kinder und Kindeskinder aufwachsen werden. Der Befreiungskampf der Ukrainerinnen und Ukrainer ist auch unser Kampf. Und es ist unsere Pflicht, sie weiterhin mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen.“

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Kriegsverbrechen müssen strafrechtlich verfolgt werden

Die stellvertretende Ministerpräsidentin der Ukraine, Olha Stefanishyna, machte in ihrer Videobotschaft in eindringlichen Worten deutlich, wie schwierig die Situation nach wie vor im ganzen Land ist. „Es hat schon so viel Leid gegeben. Der Krieg in der Ukraine hat Europa verändert, er hat Deutschland und die ganze Welt verändert“, so Stefanishyna. Ihr Dank galt gleichzeitig auch den deutschen Bemühungen, ebenfalls hierzulande die durch Russland begangenen Kriegsverbrechen zu verfolgen: „Die Kriegsverbrechen müssen strafrechtlich verfolgt werden und das Ende des Krieges kann nur mit einem Sieg für die Ukraine bestimmt werden. Wir müssen eine klare Botschaft an autoritäre Regime senden“, sagte Stefanishyna.

In der sicherheitspolitischen Podiumsdiskussion analysierte Dr. Claudia Major, Leiterin der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik in der Stiftung Wissenschaft und Politik die aktuelle Lage. Dabei stand zu Beginn der Runde die Frage im Mittelpunkt, was genau eigentlich Präsident Putins Kriegsziele sein könnten. Die Antwort von Dr. Claudia Major fiel eindeutig aus: „Aus Putins Sicht hat die Ukraine kein Existenzrecht, die Existenz als eigene Nation mit eigener Kultur. Das Ziel ist das Auslöschen der Ukraine als eigenen Staat“. Mit Blick auf die Veränderungen der internationalen Sicherheitsarchitektur warnte Major vor einer Art Modellcharakter, der sich durch den gegenwärtigen Konflikt ergibt. Wenn das atomare Arsenal als eine Art Schutzschirm unterhalb eines konventionelle Krieges wirke, in dem sich das Recht des Stärkeren durchsetze, entstehe eine Art Modell für andere autoritäre Staaten wie etwa China.

Europa hat sich zu abhängig gemacht

„Die Enthauptung der Ukraine ist das Ziel Russlands. Die Macht Projektionen gegenüber der Ukraine und dem Westen sind sehr eng verknüpft.“, so Wilfried Jilge, Osteuropahistoriker und Mediationsberater Ukraine, Zentrum für internationale Friedenseinsätze (ZiF) und DGAP. Der Krieg habe vor allem Europa gezeigt, das es im letzten Jahrzehnt nicht dafür gesorgt hat, sich selber zu versorgen. „Europa hat sich zu abhängig gemacht und das ist die große Lehre aus diesem Krieg, dass Europa und Deutschland unabhängiger werden müssen“, so Jilge.

Der Außenpolitiker und Generalsekretär der FDP, Bijan Djir-Sarai MdB, hob auch die Fehleinschätzungen zu Beginn des Krieges hervor. „Putin hat seine Ziele nicht erreicht. Er ist fest davon ausgegangen, dass er die Ukraine schnell erobert wird, und er ist davon ausgegangen, dass der Westen nicht so geschlossen hinter der Ukraine steht. In Deutschland wiederum sind wir lange davon ausgegangen, dass wir eigentlich so was wie Sicherheitspolitik und eine strategisch integrierte Planung nicht brauchen.“, so Bijan Djir-Sarai.. Es sei allgemein bekannt, dass die Investitionen in die Bundeswehr nicht ausreichend gewesen sind. Das Sondervermögen von 100 Milliarden für die Bundeswehr müsse jetzt gezielt eingesetzt werden, um unter anderem auch die NATO-Ziele zu erreichen.

„Die Zukunftsprognosen sehen so aus, dass der Krieg noch länger andauern wird. Das hat zur Folge, dass Deutschland und auch Europa schauen müssen, wie sie ihre Abhängigkeiten verringern und stärker auf Autonomie setzen, ohne dabei Handlungsbeziehungen zu vernachlässigen. „Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen, es gibt keine Alternative. Wir dürfen uns keine Illusionen machen, wenn die Ukraine diesen Krieg verlieren sollte, wird die globale Dynamik noch mal eine ganz andere.“, so Djir-Sarai.