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Antisemitismus
Finanzelite, Hochfinanz, Ostküste, Wall Street, raffen versus schaffen

Deconstruct Antisemitism #2/15
The New York Stock Exchange Building
© picture alliance / zz/STRF/STAR MAX/IPx | zz/STRF/STAR MAX/IPx

In der Serie “Deconstruct Antisemitism” versuchen wir Antisemitismus zu dekodieren, denn dieser wird oft in Form von Codes und Metaphern kommuniziert. In Sozialen Medien, bei Demonstrationen, in Talkshows, an Stammtischen, in Parlamenten. Mal unbewusst, weil einige Codes seit Jahrhunderten im kollektiven Gedächtnis der Gesellschaft weiterleben, mal bewusst, um zum Beispiel eine strafrechtliche Verfolgung zu umgehen. Schließlich ist offener Judenhass seit der Schoah, der Ermordung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus, ein Tabu und als Volksverhetzung strafbar. Doch ob bewusst oder unbewusst: Die Codes und Metaphern funktionieren wie eine Hundepfeife. Wer fähig ist, die Pfeife zu hören, decodiert und versteht, dass hier Judenhass verbreitet wird. Die Texte dieser Serie aus der Broschüre deconstruct antisemitism der Amadeu Antonio Stiftung helfen, antisemitische Codes und Metaphern zu erkennen und zu deuten. Für sich sind die meisten dieser Begriffe noch nicht antisemitisch. Ihr Kontext und ihr geschichtlicher Hintergrund müssen berücksichtigt werden, um den enthaltenen Antisemitismus zu erkennen. Die folgende Sammlung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Finanzelite, Hochfinanz, Ostküste, Wall Street, raffen versus schaffen

Geld regiert die Welt – so weit, so bekannt. Problematisch wird Kapitalismuskritik, wenn von einer ominösen „Finanzelite“ die Rede ist, die die Strippen in den Händen hält. Zum Kapitalismus gehören Geld und Unternehmen gleichermaßen. Eine Trennung von Finanz- und Industriekapital ist künstlich und teilt den Kapitalismus in vermeintlich Gutes und vermeintlich Schlechtes. Dies ist problematisch, weil es das System vereinfacht darstellt und allzu oft das „Schlechte“, also die Finanzsphäre, mit antisemitischen Vorstellungen „des Jüdischen“ beschreibt: nämlich, dass die wirtschaftlichen und damit die politischen Geschicke der Welt durch „die Juden“ gelenkt würden, da sie angeblich das Finanzwesen beherrschen.

Analog zum alten Bild des „Geldjuden“, der sich vorgeblich als Geldverleiher mit Wucherei an der Not anderer bereichert, werden Einzelpersonen (z.B. Rothschild) oder Berufsgruppen (z.B. Banker:innen) zum Sinnbild von Geld und Kapitalismus. Im Gegensatz zu scheinbar ehrlicher, schaffender Erwerbsarbeit werden Bank- und Börsengeschäfte jüdisch konnotiert und als unehrlich, raffend bezeichnet. Bereits im Nationalsozialismus wurde versucht mit dieser Sprache, den Kapitalismus als eine jüdische Erfindung zu erklären.

Der antisemitische Code einer jüdischen „Hochfinanz“ ähnelt dem nationalsozialistischen Terminus des „internationalen Finanzjudentums“. Heute ist er ein geläufiger Code in verschwörungsideologischen Kontexten.

Hinter vermeintlicher Kapitalismuskritik verbirgt sich nicht selten auch manifester Antiamerikanismus: „Ostküste“ und „Wall Street“ suggerieren eine jüdische Kontrolle der US-amerikanischen Börse – und damit der Welt.

 

Lesen Sie hier die gesamte Broschüre.

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