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Irmgard Schwaetzer
Die Erste ihrer Art

Dr. Irmgard Schwaetzer im Gespräch mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Cornelia Schmalz-Jacobsen
Irmgard Schwaetzer

Irmgard Schwaetzer

© picture alliance/dpa | Daniel Karmann

Manchmal kommt es einem vor, als hinge in diesen Tagen ein Schleier über der Welt. War es zuerst die Pandemie, die das gesellschaftliche und politische Leben einschränkte, Begegnungen verhinderte oder erschwerte, so taucht nun der russische Angriffskrieg in der Ukraine unser Leben in ein trübes Licht. Scheinbar gefestigte Sicherheiten gelten nicht mehr, schreckliche Erinnerungen, vor allem bei den Älteren kommen wieder hoch, die Sorgen sind zurück und der so dringend notwendige Optimismus fällt vielen schwer. Und doch ist es so wichtig, gerade auch in solchen Zeiten klar und positiv zu denken und zu handeln.

Eine „Veranstaltung im Kontext der Zeit“, so nannte es der Leiter des Länderbüros Berlin Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, Ralf Erbel, in seiner Begrüßung, hatte dies zum Thema: Zu Ehren von Dr. Irmgard Schwaetzer, die im April einen runden Geburtstag gefeiert hatte, hatte die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit zum Gespräch über „Werteorientierte Politik in einer Welt im Wandel“ geladen. Und in der Tat wurden schon in der Würdigung, die die ehemalige Bundesjustizministerin und aktuelle Stellvertretende Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, übernahm, bedeutende zeithistorische Fakten und Parallelen deutlich. Frau Schwaetzer sei, so Leutheusser-Schnarrenberger, eine der „Vorreiterinnen der FDP gewesen“, in vielen Funktionen „die Erste ihrer Art“ – gemeinsam auch mit Cornelia Schmalz-Jacobsen, der ehemaligen FDP-Generalsekretärin und Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, die ebenfalls bei dieser Veranstaltung auf dem Podium saß.

„In der Politik bin ich zwangsläufig Feministin geworden“

Der heute viel verwendete Begriff der „Wendezeit“ kann mit Fug und Recht auch für das Jahr 1982 benutzt werden, in dem Irmgard Schwaetzer erste Generalsekretärin der FDP wurde. In bewegten Zeiten nach dem Koalitionswechsel mit einer „zerrissenen“ FDP (so Schwaetzer) und angesichts einer überdeutlichen männlichen Dominanz war das ein durchaus harter Job, ähnlich wie ihr nachfolgendes Amt als (erste) Bundeschatzmeisterin der FDP. Es verwundert wenig, dass (so zitierte es die Moderatorin der Diskussion, Ute Welty) Irmgard Schwaetzer in der Rückschau sagte: „In der Politik bin ich zwangsläufig Feministin geworden.“ Aber auch die von Irmgard Schwaetzer betriebene Gründung der „Liberalen Frauen“ oder wiederholte Versuche, die Anzahl der Frauen in der FDP, zumal in verantwortlichen Positionen zu erhöhen, haben das Problem der „Männerpartei FDP“ bis heute nicht gelöst. Noch immer, so Schwaetzer, gelte es, Zeichen zu setzen für mehr Frauen in Verantwortung, und sich zu vernetzen. Sie vermisse die „Quote“, sagte sie, denn anscheinend gehe es nicht ohne.

In manchen Feldern kommt der Wandel also nicht, auch wenn man ihn will – und in anderen Bereichen geht der Wandel sehr rasch vor sich und mitunter in Richtungen, die man nicht will. Sie sehe eine tiefgreifende Erschütterung unserer Gesellschaft, sagte Schwaetzer in Bezug auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Und in spannenden Vergleichen der Zeitzeuginnen zwischen der weltpolitischen Situation in den 80er-Jahren und der Situation heute wurde deutlich, wie tiefgreifend die weltpolitische Lage, für deren Stabilisierung im Zuge der Überwindung des Denkens in Blöcken und den Fall des Eisernen Vorhangs hart gearbeitet worden war, durch das Handeln des russischen Staatspräsidenten verändert – und verschlechtert – worden ist. Frau Schwaetzer wies auf die Bedeutung einer wertegeleiteten Außenpolitik hin, auf die Universalität der Menschenrechte, die Betonung der gleichen Würde aller Menschen, die Wichtigkeit des Blicks auch auf „die Kleinen“ in der internationalen Politik – dies seien die Prinzipien gewesen, von denen auch ihre Arbeit als Staatsministerin im Auswärtigen Amt geleitet worden sei. Zur Anmerkung der Moderatorin, fast sei sie ja auch noch – dreißig Jahre vor der aktuellen Amtsinhaberin – die erste deutsche Außenministerin geworden, sagte Schwaetzer nur knapp: „Aber die Fraktion hat es anders entschieden.“

Verteidigung der Freiheit

Letztes Thema an diesem trotz aller Ernsthaftigkeit kurzweiligen Abend war der Einsatz für Demokratie und der Kampf gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit, dem sich alle drei liberalen Teilnehmerinnen an dieser Veranstaltung gewidmet haben – auch über die Zeit in politischen Ämtern hinaus im Ehrenamt. Die Verteidigung der Freiheit gegen rechtsradikale Vorurteile, gegen die Ausgrenzung von Menschen, gegen das Wiederaufflammen antisemitischer Auswüchse, gegen Hass und Intoleranz ist weiterhin eine wichtige Aufgabe. Man müsse Ereignisse schaffen, damit bislang fremde Menschen sich in Deutschland angenommen fühlten.

Was sind nun die Grundwerte einer freien Gesellschaft, fragte die Moderatorin zum Schluss. Freiheit und der Grundsatz „All men are created equal“ aus der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung – so Cornelia Schmalz-Jacobsen. Gerechtigkeit – so Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Gerechtigkeit, speziell die Ermöglichung umfassender Freiheit für immer mehr Menschen, auch für die Schwächeren in unserer Gesellschaft, so Irmgard Schwaetzer. Und natürlich, so alle drei, die Gleichberechtigung und eine stärkere Vertretung von Frauen in allen Gremien von Gesellschaft und Politik. Hier wäre ein Wandel wirklich angebracht.