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Internationale Politik
Der neue Westen: Die Herausforderer China und Russland

Russia-China talks Vladimir Putin met with President Xi
© picture alliance / SvenSimon-TheKremlinMoscow | The Kremlin Moscow

Herausforderungen in einer veränderten Weltordnung

Die Länder, die sich als Teil der liberalen Weltordnung verstehen, tragen eine kollektive Verantwortung. Sie müssen zusammenarbeiten, um die globalen Herausforderungen zu bewältigen und dadurch das Vertrauen in das westliche Modell zu stärken. Dies erfordert eine intensive Zusammenarbeit nicht nur zwischen den transatlantischen Partnern, sondern auch mit den Demokratien in der indo-pazifischen Region. Neben den traditionellen Partnern (z.B. Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland) spielen demokratische Staaten wie Indien und Indonesien - trotz vieler Diskrepanzen und divergierender Interessen - eine zunehmende Rolle. In erster Linie gilt es daher, gemeinsame Stärken zu betonen und politische Strategien zur Steigerung von Stabilität und Wohlstand zu entwickeln. Auf diese Weise wird es möglich sein, den Akteuren entgegenzutreten, die das westliche Modell heute bedrohen

Die Herausforderer: China und Russland

Gegenwärtig sind es vor allem zwei Staaten, die die westlichen Werte offensiv in Frage stellen. Die Volksrepublik China ist zu einer wirtschaftlichen, technologischen und militärischen Weltmacht geworden und hat sich zu einem autoritären System mit totalitären Zügen entwickelt. Der kommunistische Einparteienstaat unternimmt große Anstrengungen, um in der ganzen Welt an Einfluss zu gewinnen und sich als Gegenmodell zum Westen zu behaupten. Gleichzeitig ist China - ganz im Gegensatz zur Systemkonfrontation zwischen dem Westen und der Sowjetunion - sehr gut in die Weltwirtschaft integriert. Der wirtschaftliche Aufstieg Chinas, auf dem die Legitimation des Systems beruht, basiert auf eben dieser Integration in die globalen Wertschöpfungsketten.

Das chinesische Modell ist jedoch kein Erfolgsmodell für die Bewältigung der aktuellen Krisen, wie die Reaktionen auf die Coronavirus-Pandemie und den Klimawandel zeigen. Der Staatskapitalismus wandelt sich mehr und mehr zum Parteikapitalismus, der das Leben aller Chinesen zunehmend kontrolliert und unterdrückt. Dass die Volksrepublik China kein Rechtsstaat, geschweige denn eine Demokratie ist, zeigt sich u.a. in der Zerstörung der Institutionen und Freiheiten Hongkongs sowie in der imperialistischen Haltung gegenüber den Nachbarländern. Geopolitische Ambitionen bestimmen zunehmend das Handeln der chinesischen Führung und werden mit immer größerem Ressourceneinsatz und zunehmender Aggressivität verfolgt. Die universellen Menschenrechte werden systematisch die von staatlichen Institutionen verletzt werden. Die Unterdrückung und "Umerziehung" des Uigurischen Volkes durch Zwang und Gewalt ist ein erschreckendes Beispiel.

Spätestens seit dem Einmarsch in Georgien im Jahr 2008 hat Russland unter Wladimir Putin das Modell der friedlichen Koexistenz innerhalb einer regelbasierten Weltordnung aufgegeben. Die Unterdrückung der Opposition und der unabhängigen Medien geht Hand in Hand mit massiven Propagandaanstrengungen, um das westliche Modell zu diskreditieren und die russische Politik zu rechtfertigen. Die Missachtung des Völkerrechts ist eine der wichtigsten Konstanten in Putins Politik. Offene und verdeckte Einflussnahme auf die EU-Politik und bestimmte Politiker, wie z. B. Marine Le Pen und Viktor Orbán, gehören zum Repertoire des russischen Präsidenten und seines Gefolges.

Das liberale Modell ist in Gefahr

Menschenrechtsverletzungen, wie die brutale Unterdrückung von Angehörigen von Minderheiten, sind in vielen Ländern an der Tagesordnung. Kritik daran wird regelmäßig als Einmischung in die inneren Angelegenheiten abgetan. Gleichzeitig haben demokratische Staaten oft unterschiedliche Positionen, wie sie auf schwere Menschenrechtsverletzungen reagieren sollen. Der Ruf nach Sanktionen steht in vielen Fällen im Widerspruch zu ihren eigenen wirtschaftlichen und politischen Interessen.

Darüber hinaus sind auch rechtsstaatliche Demokratien Entwicklungen ausgesetzt, die die Attraktivität des liberalen Modells schmälern. Die polarisierte politische Landschaft schränkt die Fähigkeit vieler Gesellschaften ein, gemeinsame Lösungen für wichtige Probleme zu finden. Kurzsichtige Debatten, die meist in den sozialen Medien geführt werden, werden der Komplexität vieler politischer Entwicklungen nicht gerecht. Schwindendes Vertrauen in politische und zivilgesellschaftliche Institutionen ist eine weitere Folge.

Es wäre jedoch falsch, die vielen unterschiedlichen Positionen und Interessen, die auf den verschiedenen Ebenen des politischen und gesellschaftlichen Diskurses zum Ausdruck kommen, per se als negativ und gefährlich zu betrachten. Vielfalt und Pluralität sind wichtige Grundlagen der Demokratie. Die Stärke des demokratischen Systems hängt von ihnen ab. Nur durch einen offenen Wettbewerb der Ideen und einen fairen Ausgleich unterschiedlicher Interessen können sich Gesellschaften stabil und innovativ entwickeln und dem Einzelnen den Raum bieten, sein Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Eine starke Zivilgesellschaft als Katalysator und Motor dieser gesellschaftspolitischen Aushandlungsprozesse ist die Grundlage für den Erfolg des liberalen Modells.

Gleichzeitig ist in den letzten zehn Jahren zu beobachten, dass Bündnisse immer weniger geschätzt werden - sowohl in den Politikfeldern Handel als auch Sicherheit. Gerade in Deutschland ist letzteres, zumindest in seiner militärischen Dimension, kaum noch vorhanden.