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Pressefreiheit
Kein Grund zum Feiern

Die Pressefreiheit ist weltweit unter Druck – auch Europa ist kein Vorbild mehr
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

© Tobias Koch

Am 3. Mai ist Internationaler Tag der Pressefreiheit. Ein Grund zum Feiern? Leider nicht. Denn die Pressefreiheit hat weltweit keine gute Konjunktur. Das betrifft nicht nur die ewigen Diktaturen in China, Eritrea oder Nordkorea. Auch in Europa und den USA verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen für Journalisten zunehmend. Der in der westlichen Welt lange vorherrschende Konsens, dass eine freie, pluralistische Medienlandschaft die Demokratie und Gesellschaft stärke, zeigt Zerfallserscheinungen. Dass die Pressefreiheit eine tragende Säule unserer freiheitlichen Grundsätze ist, gerät allzu oft in Vergessenheit – oder wird sogar von der Politik bewusst missachtet.

Die Entwicklung ist beunruhigend: Österreich ist in der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit 2019 von Reporter ohne Grenzen um fünf Plätze abgerutscht. Symptomatisch für diesen Absturz ist die Debatte um ORF-Moderator Armin Wolf, der von der rechtspopulistischen Regierungspartei FPÖ diffamiert und angegriffen wird – und das aufgrund seiner kritischen Berichterstattung. Ungarn ist unter der Regierung Viktor Orbáns gar um 14 Plätze auf Rang 87 abgerutscht. Dass auch Ungarn Teil einer Staatengemeinschaft ist, die sich in ihrem Gründungsvertrag zu den Grundsätzen der Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bekennt, muss man sich angesichts solcher Entwicklungen erstmal wieder in Erinnerung rufen.

Keine andere Region hat einen derartigen Verfall der Pressefreiheit erlebt wie Europa. Aber auch unser großer transatlantischer Verbündeter, die Vereinigten Staaten, sind um vier Plätze auf Rang 45 abgerutscht – hinter Länder wie Tonga, Papua-Neuguinea und Burkina Faso. 

Konsequenzen bleiben aus

Die Rangliste der Pressefreiheit bestätigt, was sich schon seit einigen Jahren abzeichnet: Populistische Regierungen in Europa und weltweit greifen die Medien zunehmend an und schränken Journalisten bei ihrer Arbeit ein. Die Diffamierung von Nachrichten als vermeintliche „Fake News“ ist dabei nur der erste Schritt. Es folgen Übergriffe, Folter und sogar staatlich angeordnete Morde. 

Im Kampf für die Freiheit bleibt bloßes Monieren jedoch wirkungslos – oder hatte der Mord am Journalisten Jamal Khashoggi merkliche Konsequenzen für das saudi-arabische Königshaus? Den aktuellen Entwicklungen müssen konkrete Handlungen folgen. Dabei ist insbesondere Europa in der Pflicht zu handeln. Private und staatliche Initiativen setzen sich seit Langem weltweit für den Schutz von Journalisten und Aktivisten ein. Das ist notwendig und ehrenwert, reicht aber leider nicht aus. Die europäische Politik muss endlich (wieder) eine Vorbildfunktion im Kampf für die Pressefreiheit einnehmen. Zu oft wird digitale Überwachung – vom Lauschangriff bis zum Staatstrojaner – als Vorwand für die Bekämpfung von Terrorristen missbraucht, während damit Journalisten, Blogger und Aktivisten ausgespäht werden. Zu oft bleibt die letzte Konsequenz bei der Sanktionierung von Freiheitseinschränkungen hinter wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen zurück.

Handlungen mit Signalwirkung

In einem ersten Schritt könnte die Europäische Union eine Initiative zur Stärkung der Pressefreiheit starten. Wünschenswert sind die Definition klarer Richtlinien zum Schutz von Whistleblowern, die Schaffung digitaler Schutzräume, in denen fern von digitalem staatlichem Zugriff kommuniziert werden kann – beispielsweise durch End-to-End-Verschlüsselungen bei Messenger-Diensten – sowie die Einsetzung eines europäischen Sonderbeauftragten für Presse- und Meinungsfreiheit. Auch ein europäischer Fonds zur Förderung weltweiter gesicherter Vernetzung von Medienschaffenden ist denkbar. 

Wichtig ist: Die Europäische Union kann nicht den weltweit zunehmenden Verfall der Pressefreiheit bemängeln, während in einigen ihrer Mitgliedstaaten Journalisten verfolgt werden. Die EU muss konkrete Handlungen mit Signalwirkung vollziehen, sonst wird die Entwicklung weg von der pluralistischen Presselandschaft hin zu autokratisch dominierten Medienmonopolen irreversibel. In Zeiten, in denen die Grundfreiheiten infrage gestellt werden, muss die EU an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte erinnern und die Präambel ihres eigenen Gründungsvertrages mit aller Kraft verteidigen: „in Bestätigung ihres Bekenntnisses zu den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie und der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Rechtsstaatlichkeit.“