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Militärische Provokation vor den EU-Grenzen

13.000 russische Soldaten für Manöver in Weißrussland
Militärmanöver

Militärmanöver vor den EU-Grenzen - die baltischen Staaten und Polen sind alarmiert

© iStock/ tzahiV

An der Ostgrenze der Europäischen Union, in Belarus, führt Russland in den kommenden Tagen eine große Militärübung durch. An dem Manöver sollen bis zu 13.000 Soldaten teilnehmen. Die baltischen Staaten und Polen sind alarmiert. Was will der Kreml mit der Übung erreichen? Freiheit.org hat mit dem ehemaligen Verteidigungsminister der Ukraine und Vorsitzenden der Bürgerposition, Anatolij Grytsenko, über Russlands Aspirationen und die ukrainische Perspektive gesprochen.

Die letzten großen russischen Militärübungen haben 2008 in Georgien den 5-Tage-Krieg ausgelöst und 2014 zur Annexion der Krim geführt. Sind die jetzt geplanten Kriegsspiele in Weißrussland wieder ein Zeichen der politischen Bestrebungen Russlands in der Region oder lediglich Teil der Propaganda und Machtdemonstration?

Ich würde eher Letzterem zustimmen. Es bestehen keine Zweifel, dass Russland seine aggressive Haltung und Politik in Europa fortführen wird, aber ich glaube nicht, dass diese Militärübung eine ernsthafte militärische Bedrohung nach sich ziehen wird. Erstens: Russland hält solche Militärübungen regelmäßig ab. Zweitens: Es werden militärische Beobachter, auch aus den NATO-Mitgliedsstaaten, anwesend sein. Und drittens: Putin muss aktuell keine größeren Militäraktionen ins Leben rufen. Er hat seine Ziele in der Ukraine bereits erreicht: die Annexion der Krim und die Kontrolle von Teilen der Donbass-Region. Er hat die Ukraine geteilt und geschwächt. Es ist anzunehmen, dass er eher die Ukraine und ihre westlichen Partner weiter diplomatisch bedrängen will, um seine Kontrolle über das Land, basierend auf den Minsk II-Bestimmungen, zu verfestigen.     

Anatolij Grytsenko

Anatolij Grytsenko

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Aus russischer Perspektive haben die NATO und westliche Regierungen die antirussischen Aufstände zu ihrem Vorteil genutzt. Glauben Sie, dass der Kreml diese Übungen nutzt, um Druck auf Lukaschenko auszuüben, um dessen Loyalität zu sichern, aber auch Oppositionelle zu entmutigen?

In gewissem Maße ja, obwohl Lukaschenko, der während des russischen Kriegs gegen die Ukraine sein Ansehen in Europa teilweise verbessern konnte, dennoch versuchen wird, sich und sein Land von Putins aggressiven Intentionen gegenüber der Ukraine zu distanzieren.

Was erwarten Sie persönlich von den Militärübungen? Glauben Sie, dass Russland eine erneuerte und gut aufgestellte Armee präsentieren wird?

Um ehrlich zu sein, interessiert es mich nicht, was Russland zu zeigen plant. Wir Ukrainer müssen unsere Anstrengungen und Ressourcen darauf konzentrieren, die Kampfbereitschaft unserer eigenen Armee zu verbessern - trotz der Übungen des aggressiven Nachbars.

Wie blickt die Ukraine - als Nicht-Mitglied der NATO - auf die bevorstehende große Militärübung?

Unsere Verteidigungs- und Nachrichtendienstgemeinschaften müssen und werden ein Auge auf jegliche militärische Aktivität werfen, die in der Nähe unserer Grenzen stattfinden. 

Dr. Anatolij Grytsenko ist Vorsitzender der Partei Bürgerposition und war von 2005 bis 2007 Verteidigungsminister der Ukraine.

Die Fragen stellten Stefka Miteva, Maksym Koliesnykov und Volodymyr Oliinyk, Programmmitarbeiter in den Stiftungsbüros in Sofia und Kiew.

Für Medienanfragen kontaktieren Sie unseren Südost- und Osteuropa-Experten der Stiftung für die Freiheit:

Rainer Adam
Dr.
Rainer Adam
Interims Projektleiter Philippinen