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#MachÖkowiederlogisch
Warum ein Verbot von Einwegplastik nicht ausreicht

Angespülter Plastikmüll, Holz und Fässer liegen am Strand der Nordsee im Gebiet des Nationalparks Thy
Dänemark, Agger: Angespülter Plastikmüll, Holz und Fässer liegen am Strand der Nordsee im Gebiet des Nationalparks Thy. Mehr als 100 Millionen Tonnen Kunststoff haben sich in den Weltmeeren angesammelt, schätzen Forscher. Sie zerfallen langsam in immer kleinere Fragmente, die von Meeresorganismen mit der Nahrung aufgenommen werden. © picture alliance / Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB | Patrick Pleul

In dieser Woche hat das Bundeskabinett eine Verordnung zum Verbot von Einwegprodukten aus Plastik auf den Weg gebracht. Die EU hatte bereits im vergangene Jahr die entsprechende Verordnung verabschiedet. Zukünftig sollen Produkte wie Einmalbesteck- und Teller, Trinkhalme oder Wattestäbchen aus Plastik nicht mehr verkauft werden. Auf den ersten Blick wirkt dieses Verbot wie ein großer umweltpolitischer Wurf. Schließlich sind Berichte über Mikroplastikeinträge in der Umwelt und Bilder von Plastiktüten an Stränden mittlerweile zum Alltagswissen geworden. Auf den zweiten Blick zeigt sich, dass dieses Verbot lediglich, die Illusion erweckt, die Umwelt und die Weltmeere sauberer zu machen. Viele sogenannte „umweltfreundlichere Alternativen“ haben oft eine schlechtere Ökobilanz und enthalten gesundheitlich fragwürdige Zusatzstoffe. Die Debatte um Plastikvermüllung wird oft zu einseitig geführt. Denn Plastik ist nicht gleich Plastik und nicht jeder Kunststoff ist grundsätzlich umweltschädlich.

Plastik ist eine chemische Innovation der fünfziger Jahre. Damals erreichte die Forschung auf dem Gebiet der Polymerchemie einen Durchbruch, sodass eine günstige Massenfertigung von Kunststoffen möglich wurde. Ungefähr 8,3 Milliarden Tonnen Plastik sind seither in aller Welt hergestellt worden. Die Vorzüge sind offensichtlich: Kunststoffe sind günstig in der Herstellung, haben im Vergleich zu Metall und Glas ein geringes Gewicht, sind zumeist langlebig und vielfältig einsetzbar. Nur wenige Werkstoffe eignen sich besser für die Wiederverwertung. Allerdings werden nur 16 Prozent des globalen Plastiks recycelt. Der Löwenanteil an den Kunststoffen bleibt als Müll in der Umwelt hängen, bestenfalls auf Deponien. Plastik ist überall, und immer öfter landet es am Ende dort, wo es überhaupt nicht hingehört, beispielsweise als Mikroplastik im Schnee oder in den Mägen von Fischen. Die Hauptverursacher der Verschmutzung der Ozeane mit Plastik sind dabei die Schwellenländer: Rund 90 Prozent des Plastiks werden von nur zehn asiatischen und afrikanischen Flüssen ins Meer gespült. Weil in Zeiten der Globalisierung alles mit allem zusammenhängt, muss man aber trotzdem auch in Europa gegensteuern, sowohl mit geeigneten politischen Maßnahmen als auch durch freie unternehmerische Initiative und persönliches Handeln. Wer wirklich etwas für die Umwelt tun will, der muss selbstverständlich darauf achten, dass er nicht auf wenig nachhaltige Angebote hereinfällt, die bei Lichte betrachtet bloß zum vordergründigen „Greenwashing“ des eigenen Gewissens geeignet sind. 

Die Richtschnur muss sein, Plastik nicht wie in der Vergangenheit als Wegwerfprodukt zu betrachten, sondern als wertvollen, erschöpfbaren Rohstoff. Es gilt Plastik im Alltag so oft und lange wie möglich zu nutzen und es als Rohstoff immer wieder ordnungsgemäß dem Kreislauf hinzuzufügen. Das beginnt mit dem ordentlichen Mülltrennen, denn nur gut sortierter Müll kann wiederaufbereitet werden. Jede und jeder einzelne Verbraucher kann außerdem versuchen, soweit wie möglich auf Plastik zu verzichten. Ganz ohne wird kaum jemand leben wollen, denn dann gäbe es auch keine praktischen Alltagshelfer mehr wie Smartphones oder leichte, wasserabweisende Outdoorjacken. Aber von den lang weit verbreiteten Einwegartikeln aus Kunstoffenlassen die Verbraucher ohnehin schon jetzt immer öfter die Finger. Eher wandern eigene Thermobecher der Kunden über die Theken im Café, Glasflaschen werden bevorzugt, ebenso wie die Papiertüte. 

Es geht also auch ohne Plastik. Natürlich ist noch lange nicht alles gut, was nicht Plastik ist, und es ist nicht alles schon ökologisch, wo „öko“ draufsteht. Gerade Papier zum Beispiel hat keine sonderlich gute Umweltbilanz. Die Herstellung erfordert sehr viel Wasser und Energie. Zudem ist die Funktionalität von Papier stark eingeschränkt; es reißt schnell und ist nicht wasserfest. Papierstrohhalme bekommen eine Beschichtung, damit sie im Getränk nicht sofort aufweichen; recyceln lassen sie sich danach aber nicht mehr. Auch der Hype um Bambusprodukte ist manchmal verfehlt. Die Stiftung Warentest hat kürzlich vor Bambusbechern gewarnt, weil diese Schadstoffe enthalten und im Endeffekt nichts anderes sind als Kunststoffbecher mit Bambusfasern als Füllmaterial. Auch die Glasflasche ist nicht immer die beste Lösung, denn auch für ihre Herstellung ist viel Energie notwendig. Außerdem ist sie schwer, was beim Transport den CO2-Ausstoß erhöht. Glasflaschen sind nur nachhaltig, wenn man sie wirklich mehrfach benutzt und wenn sie aus der Region stammen. Der beste Ersatz für Plastik ist oft Plastik – und zwar Mehrwegplastik, beispielsweise aus Polypropylen, das sich häufig verwenden und verwerten lässt. 

Ein solches Umdenken hin zur Kreislaufwirtschaft ist äußerst wichtig. Kunststoffe gehört nicht in die Umwelt. Der Vorteil der langen Haltbarkeit wendet sich zum Nachteil, wenn die Kunststoffe nicht fachgerecht entsorgt werden. Plastik zerfällt sehr langsam und der kleine Abrieb landet dann als Mikroplastik in der Natur. Zudem enthält Plastik oft ungesunde Zusätze wie Weichmacher oder Flammschutzmittel. Nicht weniger als 35 Prozent des Mikroplastiks entstehen durch den Abrieb beim Waschen synthetischer Textilien. In China beispielsweise werden so 72.000 Tonnen Mikrofasern an die Umwelt abgegeben. Deutschland hingegen gehört, was den Umgang mit Kunstoffen betrifft, international zu den „Guten“. Fast 100 Prozent unserer Plastikabfälle werden entweder verbrannt oder recycelt. Zudem arbeiten europäische Chemiekonzerne und Kunststoffhersteller, in Pilotprojekten am chemischen Recycling – also daran, Kunststoffabfälle im sogenannten Pyrolyse-Verfahren unter Einwirkung von Wärme aufzuspalten und wieder zu Rohstoffen zurück zu verwandeln, um diese dann in die Großanlagen für die Basischemikalien einzuspeisen. Ein Problemfeld bleibt allerdings weiterhin die Nutzung von biologisch abbaubaren Kunststoffen für Verpackungen. Abbaubare Kunststoffe eignen sich kaum, Lebensmittel vor Umwelteinflüssen zu schützen. Zudem bedürfte es einer kleinteiligeren Mülltrennung, denn man kann für Lebensmittelverpackungen kein recyceltes Plastikmaterial verwenden, das zuvor beispielsweise eine Verpackung für ein Reinigungsmittel war. Hier sind noch weitere Innovationen der Basischemie- und Kunststoff-Industrie gefragt. Weil ihre Reputation und ihre Wachstumsaussichten davon abhängen, hat die Industrie einen wirksamen Anreiz, sich hier weiter zu engagieren. Mit der im Januar gegründeten „Alliance to end plastic waste” (AEPW) von rund dreißig internationalen Großkonzernen –– ist immerhin schon ein guter Anfang gemacht.

Was darüber hinaus wichtig bei der Bekämpfung von Plastikmüll in Meeren wäre, ist beispielsweise ein EU-weites Deponieverbot für Siedlungsabfälle. Insbesondere in Südeuropa fehlt der flächendeckende Anschluss der Haushalte an Kläranlagen. So werden Plastikartikel mit ungeklärtem Wasser ins Meer gespült. International fehlt eine nachhaltige Strategie zur Unterstützung von Schwellen- und Entwicklungsländern bei der Einführung geschlossener Abfallverwertungssysteme.