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Wahlen in Georgien
Georgien vor den Wahlen: Zwischen russischem Druck und europäischem Einfluss

Teilnehmer schwenken eine riesige EU-Flagge, die die europäischen Bestrebungen der gesamten georgischen Gesellschaft symbolisiert, während eines Marsches, der vom Platz der Ersten Republik zum Europaplatz führt, um Georgiens Bewerbung um die EU-Mitgliedschaft am 9. Dezember 2023 in Tiflis, Georgien, zu unterstützen.

Teilnehmer schwenken eine riesige EU-Flagge, die die europäischen Bestrebungen der gesamten georgischen Gesellschaft symbolisiert.

© picture alliance / Anadolu | Mirian Meladze

In Georgien wird am 26. Oktober gewählt. Seit der Unabhängigkeit des Kaukasuslandes ging es selten um so viel bei Wahlen. Die Georgier werden darüber entscheiden, ob sie den zunehmend autoritären und europafeindlichen Kurs der Regierung mit einem weiteren Mandat unterstützen, oder ob sie mit der in Teilen zerstrittenen Opposition eine Chance auf einen Neuanfang wagen. Die aktuelle Legislaturperiode war von Parlamentsboykotten, Protesten und Parteispaltungen gekennzeichnet.  Sie fand dennoch ihren bisherigen politischen Höhepunkt in der Vergabe des EU-Kandidatenstatus an das Land, der für die große Mehrheit seiner Einwohner sehr bedeutend ist. Wie sieht die politische Lage acht Monate vor den Wahlen aus und wer könnte danach die Geschicke des Landes lenken?

Das Regierungslager

Seit 2012 regiert der Georgische Traum (Georgian Dream, GD), ursprünglich in einer Allianz mit Parteien verschiedener politischer Couleur: Konservative, Liberale, Sozialdemokraten, Grüne und ehemalige Führungspersonen aus der Schewardnadse-Ära einte lediglich das Ziel, die Vereinte Nationale Bewegung (United National Movement, UNM) des damaligen Präsidenten Micheil Saakaschwili abzulösen. Geführt wurde das Bündnis vom Oligarchen Bidsina Iwanischwili, der sich in den 90er Jahren ein Milliardenvermögen durch Geschäfte in Russland aufbauen konnte. Der GD profitierte von einer allgemeinen Wechselstimmung, zum Teil bedingt durch zunehmend autoritäre Tendenzen des ursprünglich für seinen Reformeifer bekannten Saakaschwili. Iwanischwili wurde kurzzeitig Premierminister und trat nach dem Ende von Saakaschwilis Amtszeit als Präsident Ende 2013 erstmals von der politischen Bühne ab.

Ein Bild von Bidsina Iwanischwili

Der Oligarch und ehemalige Premierminister Bidsina Iwanischwili.

© picture alliance / AP Images | Shakh Aivazov

Es folgte Irakli Gharibaschwili, unter dessen Führung der GD in Umfragen von über 60 auf 30 Prozent abstürzte, sodass er nach nur zwei Jahren seinen Rücktritt verkündete. Auch die gemeinsame Allianz zerfiel zusehends: Infolge verschiedener Unstimmigkeiten verließen die Freien Demokraten im November 2014 die Koalition, und kurz vor der Parlamentswahl 2016 zerbrach auch das Bündnis mit der liberalen Republikanischen Partei. Am Wahltag verlor der GD leicht an Stimmen. Da der GD fast alle Direktmandate gewann und die Opposition stark zersplittert war (fast 20 Prozent der Stimmen gingen an Parteien unter der Sperrklausel), erreichte der GD eine Dreiviertel- und damit eine verfassungsändernde Mehrheit im Parlament. Gegenüber Russland schlug die Regierung sanftere Töne an, obgleich der nördliche Nachbar weiter 20 Prozent des georgischen Staatsgebiets okkupiert und eine schleichende Grenzverschiebung („borderization“) betreibt.

Zwischenzeitlich wurde der vormalige Innenminister Giorgi Gacharia neuer Premierminister und schaffte 2020 die Wiederwahl. Die Opposition erkannte den Wahlsieg des GD nicht an, da es im Vorfeld der Wahl zu Verstößen gekommen sei. So soll insbesondere der öffentliche Sektor zu einer Stimmabgabe für den GD gebracht worden sein. Es folgte eine monatelange politische Blockade, die erst im Frühjahr 2021 durch Vermittlung von Seiten der EU aufgelöst werden konnte. Gacharia war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr Regierungschef; sein Vor-Vorgänger Irakli Gharibaschwili wurde erneut Premierminister. Irakli Kobachidse folgte dem zwischenzeitig in die Politik zurückgekehrten Iwanischwili im Amt des GD-Vorsitzenden. Kobachidse war zuvor Parlamentspräsident und 2019 nach einer innenpolitischen Krise zurückgetreten, die er durch sein nachgiebiges Verhalten gegenüber einem russischen Abgeordneten ausgelöst hatte.

In ihren neuen Ämtern polarisierten beide gerne und attackierten die Opposition heftig. Der GD schwang von nun an im Schulterschuss mit der einflussreichen Orthodoxen Kirche in eine konservativ-populistische Richtung.

Nach außen hin gab sich der GD pro-europäisch und pro-westlich. Alles andere wäre in einem Land, in dem die Zustimmung für einen NATO- und EU-Beitritt seit über 10 Jahren bei mehr als 70 respektive 80 Prozent liegt, politischer Suizid. Nach anfänglichem Zögern, woraufhin große Menschenmengen auf die Straße gingen, stellte die GD-Regierung im März 2022 den Antrag auf EU-Mitgliedschaft.

Teilnehmer schwenken eine riesige EU-Flagge, die die europäischen Bestrebungen der gesamten georgischen Gesellschaft symbolisiert, während eines Marsches, der vom Platz der Ersten Republik zum Europaplatz führt, um Georgiens Bewerbung um die EU-Mitgliedschaft am 9. Dezember 2023 in Tiflis, Georgien, zu unterstützen.

Teilnehmer schwenken eine riesige EU-Flagge, die die europäischen Bestrebungen der gesamten georgischen Gesellschaft symbolisiert.

© picture alliance / Anadolu | Mirian Meladze

Georgiens politische Balance: Zwischen russischem Einfluss und europäischen Ambitionen

Nach Russlands Überfall auf die Ukraine endete auch im Westen zunehmend die Illusion des pro-europäischen GD. Die georgische Regierung stimmt in ihrem außenpolitischen Kurs immer weniger mit der Linie der Europäischen Union überein. Regelmäßig warfen GD-Spitzenvertreter der Opposition und der Ukraine vor, Georgien zur Eröffnung einer „zweiten Front“ gegen Russland zu drängen. Im November 2022 verabschiedete das Europaparlament eine Resolution für Sanktionen gegen Bidsina Iwanischwili – nur kurz darauf sprach Kobachidse davon, die EU „könne ihren unnützen Kandidatenstatus für sich selbst behalten“.

Um bei der pro-europäisch eingestellten georgischen Bevölkerung nicht zu sehr anzuecken, gründeten GD-Abgeordnete im Sommer 2022 eine eigene Satellitenpartei, die „Volksmacht“ (People’s Power, PP), die es sich auf die Fahne schreibt, die „Wahrheit über den Westen“ auszusprechen. Die PP-Fraktion stimmt im Parlament weiter mit dem GD, bringt aber die besonders kontroversen Anträge ein. Diese Strategie ging im März 2023 gewaltig schief, als PP und GD ein Gesetzesvorhaben mit dem Ziel verabschiedeten, NGOs und Medien bei Auslandsfinanzierung zu ausländischen Agenten zu erklären (im Georgischen hat das Wort „Agent“ dieselbe Konnotation wie „Spion“) . Angesichts eines ähnlichen seit 2012 in Russland bestehenden Gesetzes, erhielt das Vorhaben schnell den Spitznamen „Russisches Gesetz“. Nach massiven Demonstrationen und deutlichen Worten von westlichen Diplomaten ruderte die Regierung zurück und stoppte die Gesetzesvorlage.

Dennoch war der GD weiter auf Konfrontationskurs mit Europa. Gharibaschwili nahm unter anderem an einer Konferenz rechter und nationalkonservativer Politiker unter der Schirmherrschaft von Viktor Orbán in Ungarn teil, woraufhin der Dachverband der europäischen Sozialdemokraten, dem der GD seit 2014 angehörte, der Partei signalisierte, sie aus seinen Reihen auszuschließen. Der GD kam dem zuvor und trat selbst aus. Die Rückkehr von Direktflugverbindungen nach Russland wurde von Gharibaschwili begrüßt. Als die einst vom GD unterstützte Präsidentin Salome Surabischwili ohne Erlaubnis der Regierung in die EU reiste, um für den Kandidatenstatus zu werben, wurde ein Amtsenthebungsverfahren gegen sie eingeleitet, was bei vielen Europaparlamentariern für Kopfschütteln sorgte.

Der georgische Premierminister Irakli Garibaschwili (R) und der ungarische Premierminister Victor Orban (L) sprechen während einer gemeinsamen Pressekonferenz in Telawi, Georgien, am 12. Oktober 2023.

Der georgische Premierminister Irakli Garibaschwili (R) und der ungarische Premierminister Victor Orban (L) sprechen während einer gemeinsamen Pressekonferenz in Telawi, Georgien, am 12. Oktober 2023.

© picture alliance / AA | Davit Kachkachishvili

Georgiens EU-Annäherung: Zwischen halbherzigen Reformen und politischem Wandel

Die von der EU geforderten Reformen wurden nicht oder nur halbherzig umgesetzt. Von den zwölf Bedingungen, die für den Beitrittskandidatenstatus zu erfüllen waren, setzte die Regierung nur drei vollständig um. Als die EU Georgien im Dezember 2023 gleichwohl den Kandidatenstatus verlieh, feierten sich Kobachidse und Gharibaschwili trotzdem für diese Errungenschaft.

Iwanischwili, der vor drei Jahren zum zweiten Mal endgültig mit der Politik abschließen wollte, kehrte erneut in die erste Reihe zurück. Beim Parteitag am 30. Dezember 2023 ließ er sich zum Ehrenvorsitzenden wählen und mit üppigen innerparteilichen Vollmachten ausstatten. Nur einen Monat später trat Gharibaschwili als Regierungschef zurück und wurde stattdessen Parteivorsitzender, während Kobachidse von nun an als Premierminister das Land regiert – zumindest auf dem Papier, denn kaum jemand bezweifelt, dass Iwanischwili weiter die Fäden in der Hand hält. Die Rochade kann vor allem als Vorzeichen eines sehr polarisierenden, anstehenden Wahlkampfs gewertet werden: Kobachidse ist in seiner Rhetorik noch schärfer als Gharibaschwili.

Die Opposition

Die UNM steckt seit ihrem Machtverlust 2012 in einer Identitätskrise, die vor allem die Rolle ihres Gründers Micheil Saakaschwili betrifft. Nach seinem Rückzug aus der georgischen Politik 2013 blieb er zunächst Parteivorsitzender, obwohl er zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr in Georgien lebte. In Abwesenheit wurde er wegen angeblichen Machtmissbrauchs zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.

Micheil Saakaschwili

Micheil Saakaschwili.

© picture alliance / NurPhoto | Sergii Kharchenko

Seine politische Strategie, dem GD mit Boykotten und Konfrontation zu begegnen, kam nicht bei allen Parteifreunden gut an. So rief er seine Anhänger bei den Wahlen 2016 dazu auf, die Stichwahlen zu den Direktmandaten zu boykottieren, entgegen den Empfehlungen des Parteivorstands. Die UNM gewann daraufhin keinen einzigen Wahlkreis, der GD hingegen eine verfassungsändernde Mehrheit. Nur ein Jahr später verließ ein Teil der UNM-Abgeordneten die Partei und gründete die Partei „Europäisches Georgien“ (EG). Diese konnte bei den Kommunalwahlen 2017 einen Achtungserfolg erringen und erreichte mehr als 10 Prozent der Stimmen, holte aber bei der Parlamentswahl 2020 nur noch 3 Prozent, während die von der UNM geführte Liste mit 27 Prozent auf dem zweiten Platz landete.

Inzwischen ist EG in der politischen Versenkung verschwunden. Hier zeigt sich ein grundlegendes Problem der georgischen Opposition: Saakaschwili hat zwar einerseits eine konstante Anhängerbasis von 20 bis 30 Prozent, andererseits gilt die UNM für viele als nicht wählbar und der GD im Zweifel als das kleinere Übel. Saakaschwili kehrte im Oktober 2021 nach Georgien zurück und wurde umgehend inhaftiert. Der Umgang mit Saakaschwili im Gefängnis bleibt ein polarisierendes und kontroverses Thema in der georgischen Politik. Auch im Zentrum der innerparteilichen Auseinandersetzungen in der UNM stand der Umgang mit und die Nähe zu ihm.

Seit der Parlamentswahl 2020 hat die UNM inzwischen ihren dritten Parteivorsitzenden. Der seit 2021 amtierende Parteichef Nika Melia wurde Anfang 2023 abgewählt, da Teile der Parteibasis ihm vorwarfen, sich nicht energisch genug für eine Freilassung von „Misha“, wie Saakaschwili von seinen Anhängern genannt wird, einzusetzen. Sein Nachfolger gilt hingegen als enger Vertrauter der einstigen Führungsriege der UNM. Der Machtkampf in der UNM spitzte sich im Laufe des Jahres 2023 weiter zu. Prominente UNM-Politiker verließen die Partei, unter ihnen die Fraktionsvorsitzende im Parlament. Nach einigen Monaten der öffentlichen Auseinandersetzungen gab auch Melia entnervt auf und kündigte die Gründung einer eigenen Oppositionspartei an. Diese könnte sich zu einer ernstzunehmenden Alternative zur UNM entwickeln.

Aktuell laufen Verhandlungen zwischen Melia und Nika Gwaramia, dem Gründer des oppositionellen Fernsehkanals Mtavari Arkhi. Gwaramia war im Sommer 2021 zu einer dreieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt worden, die als politisch motiviert bezeichnet werden kann, da er als einer der schärfsten Kritiker Iwanischwilis gilt. Im Sommer letzten Jahres begnadigte ihn die Präsidentin. Melia und Gwaramia vereint, dass Saakaschwili sie einst als junge Talente in die Politik brachte. Sie haben sich allerdings von ihrem politischen Ziehvater emanzipiert, und ihnen können die Affären der UNM der letzten Jahre kaum angelastet werden.

Chancen und Herausforderungen für die Oppositionsparteien

Neben GD und UNM zogen bei der letzten Wahl sieben weitere Listen ins Parlament ein, von denen allerdings keine mehr als 5 Prozent der Stimmen erreichte. Da die Sperrklausel wieder auf dieses Maß gehoben wird – auch wenn der GD ursprünglich ein Absenken dieser versprach – muss die Opposition sich zumindest in Teilen vereinigen, will sie Chancen auf einen Regierungswechsel haben. Die liberale Partei „Strategie Aghmashenebeli“ hat sich bereits mit der UNM gemeinsam zur Allianz „Siegesplattform“ zusammengeschlossen. Die  Partei „Droa“ und die libertäre Partei „Girchi - mehr Freiheit“ ziehen ebenfalls gemeinsam in den Wahlkampf. Beide Parteien sprechen insbesondere die jüngere Generation an. Diese denkt zwar pro-europäisch und geht dafür, wie beim Agentengesetz, auch auf die Straße, sonst kann sie den politischen Parteien aber wenig abgewinnen. Die zentristische „Lelo“, eine der finanzstärksten Oppositionsparteien, will aus eigener Kraft ohne Bündnispartner den Sprung über die 5-Prozent-Hürde schaffen.

Zum Zünglein an der Waage im neuen Parlament könnte Ex-Premier Giorgi Gacharia werden. Nach seinem Rücktritt gründete er die Partei „Für Georgien“ (FG), die sich als pro-europäische Kraft der Mitte zu etablieren versucht. FG konnte bei den Kommunalwahlen 2021 mit einem Ergebnis von acht Prozent über 100 Mandate im ganzen Land gewinnen. Dank lokaler Koalitionen von FG und der UNM kippte sogar die Kontrolle einiger Gemeinderäte zugunsten der Opposition. Allerdings hat FG damals bereits erste Risse erlebt: Einige FG-Mandatsträger weigerten sich, mit der UNM gemeinsame Sache zu machen und verließen die Partei, um dem GD zu einer Mehrheit zu verhelfen. Es ist durchaus denkbar, dass einzelne Abweichler nach der nächsten Wahl den GD unterstützen.

Außenseiterchancen auf einen Parlamentseinzug haben darüber hinaus die neugegründete sozialdemokratische Bewegung „Für die Menschen“ (FdM) und die linkspopulistische Arbeiterpartei (Georgian Labour Party, GLP). FdM ist als neue politische Kraft für eine Mehrheitsfindung bislang noch unberechenbar, die GLP – die vom Satiriker Martin Sonneborn einst zu einem Kooperationsabkommen mit seiner „Die PARTEI“ überredet wurde – gilt als unzuverlässiger Partner. Sämtliche anderen Parteien liegen weit unter der Fünf-Prozent-Hürde.

Noch unklar ist die Rolle der amtierenden Präsidentin Salome Surabischwili. Ihr Verhältnis zum GD ist zerrüttet; durch eine zunehmend unabhängige Amtsführung erfreut sie sich inzwischen allerdings einer wachsenden Beliebtheit. Eine eigene Kandidatur zur Parlamentswahl hat sie nicht ausgeschlossen, sofern die „europäische Zukunft Georgiens“ auf dem Spiel stünde. In ihrer letzten Ansprache ans Parlament am 5. Februar 2024 kündigte sie die Gründung einer gemeinsamen „Plattform für Europa“ an, zu der sie Vertreter der Zivilgesellschaft und der politischen Parteien einlud. Der GD lehnte eine Teilnahme ab, andere Oppositionsvertreter hingegen nahmen ihre Einladung an. Es bleibt abzuwarten, ob sich daraus womöglich ein politisches Bündnis oder lediglich ein strategischer Dialog entwickelt.

Die Aussichten

Glaubt man den letzten Umfragen – die wegen einer hohen Zahl an Unentschlossenen und Nichtwählern mit einer gewissen Vorsicht zu genießen sind – so dürfte der GD erneut stärkste Kraft werden. Die UNM läge mit deutlichen Verlusten auf dem zweiten Platz. Ausschlaggebend wird sein, welche Parteien die 5-Prozent-Hürde überspringen: Momentan scheinen mit FG, Lelo, Girchi-Droa, FdM und GLP fünf weitere Parteien eine Chance zu haben, Sitze im Parlament zu ergattern –  Melias neue Initiative nicht mitgezählt. Sollte der GD seine absolute Mehrheit verlieren, würde er Koalitionspartner suchen. Die starken finanziellen Ressourcen seines Gründers würden es ihm einfach machen, attraktive Angebote zu machen. Die Erfahrungen der ersten, gescheiterten GD-geführten Koalitionsregierung zeigen, dass der GD seinen Partnern keinen Platz lässt. Für einen Politikwechsel ist deshalb die Ablösung des GD essentiell. Hierfür muss sich die zersplitterte und von gegenseitigem Misstrauen gekennzeichnete Oppositionslandschaft zumindest in einem einig sein: dass es Zeit für den Wandel ist. Die nächsten Monate werden entscheidend dafür sein, diese Einigkeit zu erzielen.  

Sollte es der Opposition nicht gelingen, den GD abzulösen, so droht ein weiteres Abrutschen des einstigen demokratischen Musterlandes im Kaukasus in eine zunehmend autokratische Richtung. Dieser Trend ist bereits seit der zweiten Amtszeit des GD zu beobachten: So ist Georgien im Economist Democracy Index seit 2016 um mehrere Zähler abgerutscht. Ob bei einer solchen Ausgangslage der langersehnte Traum der Georgier, ein Teil der Europäischen Union zu werden, mittelfristig greifbar bleibt, darf zu bezweifeln sein.

Jan Jakob Langer ist Stipendiat der Friedrich-Naumann-Stiftung und Korrespondent für Georgien beim europäischen Politik- und Umfrageportal „Europe Elects“.