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Krieg in Europa
Kleine Staaten in Südasien bieten Russland die Stirn

Poster - Ukraine Crisis

Poster - Ukraine Crisis Assessing South Asia's Response

© FNF South Asia

Nepal, Bhutan und die Malediven verurteilen den russischen Angriffskrieg – im Gegensatz zu ihren großen Nachbarn. Eine FNF-Veranstaltung zeigte, warum den Ländern die klare Haltung so wichtig ist.

Der Krieg in der Ukraine offenbart einen Spalt in Südasiens Außenpolitik. Während es die bevölkerungsreichsten Staaten in der Region – Indien, Pakistan und Bangladesch – ablehnten, die russische Invasion zu verurteilen, haben die kleineren Länder klar Position gegen den Angriff bezogen. Nepal, die Malediven und Bhutan unterstützten in der Vollversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution, die den sofortigen Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine forderte – und gingen damit auf Distanz zu der neutralen Position ihrer großen Nachbarn.

Über die Hintergründe der geopolitischen Meinungsverschiedenheiten diskutierten Ende Mai politische Beobachter aus Nepal, Bhutan und den Malediven bei der Online-Diskussion "Ukraine Crisis: Assessing South Asia’s Responses", die das Südasien-Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung veranstaltete. Im Zentrum stand dabei die Sorge vor einer Abkehr von der regelbasierten internationalen Ordnung, unter der militärisch schwache Staaten besonders zu leiden hätten.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Marcus Faber, der Mitglied im Verteidigungsausschuss ist, betonte zu Beginn der Veranstaltung, dass die Folgen des russischen Angriffskriegs weit über Europa hinaus reichten. "Wenn eine Diktatur im Kampf gegen eine Demokratie Erfolg hat, dann könnten sich auch Diktaturen in anderen Teilen der Welt bestärkt fühlen – auch in Asien", sagte er. Er hoffe, dass asiatische Staaten bereit seien, das internationale Recht zu stützen, damit nicht Russland, sondern die Rechtsstaatlichkeit in dem Konflikt gewinne.

Der bhutanische Journalist Gopilal Acharya teilte die Auffassung, dass Russlands Aggression eindeutig zurückgewiesen werden müsse. "Dass ein Staat in ein souveränes Nachbarland einmarschiert, ist für die internationale Gemeinschaft inakzeptabel", sagte er. "In Bhutan war man sich einig darüber, dass die russische Invasion absolut unrechtmäßig und unverantwortlich ist."

Bhutan, ein Königreich am Rand des Himalajas mit weniger als einer Million Einwohner, hat wie die Ukraine militärisch mächtige Nachbarn: Im Norden grenzt das Land an China, im Süden an Indien. "Als ein Land, das zwischen diesen beiden Giganten liegt und selbst über so gut wie keine militärischen Fähigkeiten verfügt, sind die Geschehnisse in der Ukraine eine Lektion für uns, wie verwundbar kleinere Staaten sind." Man habe realisiert, dass man die eigene Souveränität nicht als selbstverständlich ansehen könne. Auf internationale Zusagen sei nur bedingt Verlass. "Nichts ist sicher. Die Versprechen von heute können schön morgen wieder aus dem Fenster geworfen werden."

Ähnliche Befürchtungen mit Blick auf die eigene Sicherheitslage kochten angesichts des russischen Angriffskriegs auch in Nepal hoch. Binoj Basnyat, ein früherer Generalmajor der nepalesischen Armee, sagte, die Situation erinnere seine Landsleute an die Annexion Tibets durch China und die Mitte der 1970er Jahre erfolgte Eingliederung des früher unabhängigen Königreichs Sikkim in Indien. Die Rechte und die Unabhängigkeit kleinerer Staaten aufrechtzuerhalten, sei ein zentrales Anliegen seines Landes.

Abdul Hannan Waheed, Redakteur der Zeitung "Business Standard" auf den Malediven, hob hervor, dass seine Heimat wirtschaftlich bedeutsame Beziehungen zu Russland unterhalte – russische Touristen seien Anfang des Jahres noch die größte Besuchergruppe in dem tropischen Urlaubsland gewesen. Dennoch hätten auch die Malediven die russische Aggression in der UN-Vollversammlung verurteilt. Sich wie Indien oder Pakistan in dem Konflikt als neutral zu positionieren, sei für das Land keine Option gewesen: "Unsere Regierung hat verstanden, dass Neutralität in diesem Fall als Unterstützung Russlands wahrgenommen werden würde."

Die Unterschiede in Südasiens Reaktion auf den Konflikt erklärte Waheed mit auseinanderklaffenden Interessen. Während für die kleinen Staaten die Prinzipien des Völkerrechts im Vordergrund stünden, ginge es Indien primär darum, Rüstungsgeschäfte mit Russland nicht zu gefährden. "Die beiden Länder haben eine sehr starke militärische Zusammenarbeit und es ist für Indien nicht leicht, sich davon zu lösen." Im Fall Pakistans sei die Enthaltung bei russlandkritischen UN-Resolutionen ebenfalls nicht überraschend. Waheed verwies dabei auf Pakistans enge Kontakte zu China, das eine "grenzenlose Partnerschaft" mit Russland pflegt.

Auch in der maledivischen Bevölkerung gebe es durchaus Unterstützung für das Vorgehen Russlands, sagte Waheed. Er wertete dies als Erfolg der russischen Propaganda, die vom Kreml kontrollierte TV-Sender auch in seinem Land ausstrahle. "Wer diese Programme täglich ansieht, wird davon beeinflusst und glaubt am Ende die Verschwörungstheorien", sagte er. Die Botschaften würden vielfach auf fruchtbaren Boden stoßen: "Viele Menschen hier sehen den Westen kritisch und nehmen Russlands Präsidenten Wladimir Putin als jemanden wahr, der sich gegen den Westen auflehnt." Diese Vorstellung basiere auf Lügen, die sich leider teilweise durchsetzten.

Binoj Basnyat verwies darauf, dass in der öffentlichen Wahrnehmung des Konflikts zunehmend auch die wirtschaftlichen Folgen in den Fokus gerieten. Steigende Lebensmittel- und Energiepreise, die auf den Krieg zurückzuführen sind, treiben derzeit in der gesamten Region die Inflationsraten nach oben. "Wir müssen eine Lösung für die aktuelle Unterversorgung finden, die sich mit einem Andauern des Krieges wohl noch weiter verschärfen wird." Dies müsse dringend geschehen, bevor die wachsenden wirtschaftlichen Probleme in der Region in politisches Chaos umschlagen würden.