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Internationaler Frauentag
Frauen und Kinder vor Gewalt und Verstümmelung schützen

Michaela Lissowsky FemaleForwardBlog

Häusliche Gewalt gegen Frauen ist weltweit eine der gravierendsten Menschenrechtsverstöße. Frauen erleiden massive physische und psychische Schäden. Nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Gesellschaft und die Wirtschaft zahlen einen hohen Preis, je länger Frauen Opfer häuslicher Gewalt sind.

Nach neun Tagen verstarb eine 44-jährige Frau an ihren schweren Hirnverletzungen im Krankenhaus. Ihr 51-jähriger Lebensgefährte hatte sie am 22. Juni 2020 heftig von hinten im Badezimmer gewürgt als sie gerade dabei war, ihre Haare zu föhnen. Durch das minutenlange Würgen waren die Venen abgedrückt, es floss kein Blut ins Gehirn und ein irreparabler Hirnschaden führte schließlich zum Tod der Frau. Es war zum Streit gekommen, weil sie einen gemeinsamen Ausflug am Nachmittag ablehnte und offensichtlich beabsichtigt hatte, sich von ihrem Mann zu trennen. Das Landgericht Oldenburg verurteilte den 51-jährigen schließlich zu acht Jahren Haft wegen Totschlag. Totschlag nicht Mord, weil die Frau noch gefragt hatte, ob er sie wohl schlagen wolle. Aufgrund dieser Erkenntnis einer aktuellen Bedrohung, lag keine Arglist des Mannes vor, so im Urteil des Landgerichts.

Besonders hellhörig werden Medien, wenn sich Taten im öffentlichen Raum ereignen und für jeden sichtbar sind, wie in einem Fall, der sich am 28. Oktober 2020 ereignete. Eine 37-jährige Frau wartete mit ihren drei Kindern auf ihren getrennt lebenden Ehemann. Als der Ehemann eintraf, kam es zum Streit. Er griff zu einer Flasche mit säurehaltigem Inhalt, den er der Frau ins Gesicht spritzte. Die Frau konnte sich in eine nahegelegene Apotheke retten, wo sie eine Erstversorgung erhielt. Der tatverdächtige Ehemann wurde wegen gefährlicher Körperverletzung in Haft genommen.[1]

Hohe Dunkelziffern verdecken das ganze Ausmaß

Häusliche Gewalt gegen Frauen findet meistens im nicht-sichtbaren Raum statt. Diese Form von Gewalt bleibt nicht selten unerkannt und unentdeckt. Dies belegen auch die erschreckend hohen Zahlen, welche die jährliche kriminalstatistische Auswertung der Partnerschaftsgewalt des Bundeskriminalamts (BKA) dokumentiert. Für das Jahr 2019 wurden 141.792 Opfer erfasst, davon waren 114.903, oder anders ausgedrückt 81%, Frauen. Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Zahlen erneut an. Dahinter verbergen sich solche Fälle, wie die exemplarisch oben dargestellten. Besonders hoch ist der Anteil von weiblichen Opfern von Partnerschaftsgewalt bei Vergewaltigung, sexueller Nötigung, Freiheitsberaubung oder bei Bedrohung und Stalking. Auch Zuhälterei und Zwangsprostitution werden in der Statistik berücksichtigt, wo der weibliche Opferanteil bei 100% liegt. Die Hälfte aller weiblichen Opfer von Partnerschaftsgewalt lebt in Deutschland im gemeinsamen Haushalt mit der tatverdächtigen Person.[2]

Bei den von der BKA Statistik erfassten Taten, handelt es sich aber nur um die Spitze des Eisbergs. Denn sie bilden nur das polizeiliche Hellfeld der eingegangenen Anzeigen ab. Die nicht angezeigten Taten, die im sogenannten Dunkelfeld liegen, sind nur schwer zu ermitteln. Anhaltspunkte liefert eine Dunkelfeldstudie der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern aus dem Jahr 2015. Danach wurden rund 98,4% der Taten von häuslicher Gewalt und 98,9% von Sexualstraftaten erst gar nicht angezeigt.[3] Dies macht deutlich, dass auch in Deutschland häusliche Gewalt gegen Frauen ein Massenphänomen darstellt.

Leid für Betroffene, Schäden für Alle

An den traumatischen Folgen von Schlägen, sexuellen Übergriffen oder gar Vergewaltigungen leiden nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch ihre Familienangehörigen sowie die gesamte Gesellschaft. Selten werden jedoch die gesamtgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen von häuslicher Gewalt bedacht. Sie belasten das Gesundheitssystem und führen zu Fehlzeiten in Unternehmen, geringerer Produktivität und entgangenen Löhnen. Die Betrachtung der wirtschaftlichen Schäden ist keine empathielose Verharmlosung des Phänomens, sondern trägt dazu bei, die unterschätzte Dimension von häuslicher Gewalt gegen Frauen zu verstehen. So ergaben die Forschungsergebnisse von UN Women für 2016, dass der Weltwirtschaft durch häusliche Gewalt gegen Frauen etwa 2% des globalen BIPs oder 1,5 Billionen US-Dollar an Schaden entstanden sind.[4]

Leid und Schäden können behoben werden, sobald alle Beteiligten anerkennen, dass die körperliche Unversehrtheit auch ein Menschenrecht von Frauen ist. Erst die körperliche Unversehrtheit garantiert eine volle Teilhabe von Frauen am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben.

Michaela Lissowsky ist Themenmanagerin für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit im Fachbereich für Globale Themen bei der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

[1] https://www.br.de/nachrichten/bayern/saeureangriff-in-muenchen-mann-attackiert-getrennt-lebende-ehefrau,SEzH3i3, 31.10.2020.

[2] Bundeskriminalamt, Partnerschaftsgewalt, Kriminalstatistische Auswertung – Berichtsjahr 2019, Wiesbaden 2020.

[3] Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern, Erste Untersuchung zum Dunkelfeld der Kriminalität in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2015, Abschlussbericht 2017.

[4] UN Women, The economic costs of violence against women, 2016; CARE, Counting the Cost: The Price Society Pays for Violence Against Women.