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Griechenland
Annalena Baerbock - Die neue "Eiserne Lady" des Mittelmeers?

Annalena Baerbock steht beim Pressestatement neben ihrem griechischen Amtskollegen Nikos Dendias

Annalena Baerbock steht beim Pressestatement neben ihrem griechischen Amtskollegen Nikos Dendias

© picture alliance/dpa | Annette Riedl

Wenige Augenblicke bevor die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock in Athen eintraf, hatte Ankara gerade angekündigt, die umstrittenen Bohrungen im Mittelmeer wieder aufzunehmen. Für viele hätte dies als Affront empfunden werden können und jede Vermittlerrolle erschwert. Doch Annalena Baerbock setzte sich im Mittelmeerraum durch und sprengte zugegebenermaßen den Rahmen der griechischen Sichtweise auf die deutsche Außenpolitik.

Auf Baerbocks Agenda für ihre Reise nach Griechenland standen sowohl langjährige Verbindungen als auch neuere Entwicklungen von internationaler Bedeutung. Die Ausrichtung der deutschen Außenpolitik auf die griechisch-türkische Krise war jedoch das zentrale Thema, das die griechischen Medien überflutete.

Die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Griechenland sind das Ziel eines langen historischen Krieges der Worte. Angesichts der kurzen, aber intensiven Geschichte des 21. Jahrhunderts mangelte es Deutschland und Griechenland nicht an diplomatischen Konfliktlinien. Doch seit Baerbock Außenministerin ist, hat sie klargestellt, dass die Verkörperung einer neuen Generation in der Politik bedeutet, sich von alten Mustern zu lösen. Seit ihrem Amtsantritt stieg ihre Popularität in den Umfragen sprunghaft an und machte sie zu einer der beliebtesten Politikerinnen Deutschlands.

Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei nehmen zu

Die Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei in der Ägäis nehmen seit Monaten bedrohlich zu. Türkische Kampfjets überfliegen immer wieder bewohnte und unbewohnte griechische Inseln in dieser umstrittenen Region zwischen der Türkei und Griechenland. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bekräftigt, dass er in absehbarer Zeit nicht mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis kommunizieren möchte. Seit dem Besuch von Mitsotakis im Weißen Haus hat Erdogan alle Kommunikationskanäle geschlossen, nachdem ihm der Kauf von F-16-Modernisierungspaketen aus den USA verweigert wurde, und erklärt, dass der griechische Premierminister "für ihn nicht mehr existiert". Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu droht damit, Athen die Souveränität über mehrere griechischen Inseln in der Ostägäis streitig zu machen. Und der nationalistische Politiker Devlet Bahceli, dessen Partei MHP mit Erdogans AKP koaliert, posiert mit Karten, auf denen große griechische Inseln wie Lesbos, Samos und Kreta als türkisch gekennzeichnet sind.

Der Zeitpunkt der deutschen Außenministerin hätte nicht besser gewählt sein können: Angesichts der aggressiven Erklärungen aus Athen und Ankara sollte Annalena Baerbock als gezielte Vermittlerin auftreten. In jedem Fall markierte ihr Besuch den inoffiziellen Beginn der Wahlkampfzeit im Mittelmeerraum, was Mitsotakis zugutekam, da die Außenpolitik mit dem Schwerpunkt Türkei erneut zum meistdiskutierten Thema der Vorwahlen wurde.

Nichtsdestotrotz war Baerbocks Reise ein Meilenstein für die deutsch-griechischen Beziehungen und die Entwicklungen im östlichen Mittelmeerraum. Die griechische Seite erwartete wie üblich Berlins Hilfe gegen die türkische Hetze. Bis zu diesem Zeitpunkt war Merkels konservative Regierung darauf bedacht, das Gleichgewicht, oder wie man es nennt, die Technik der gleichwertigen Abstände zu wahren, um sich nicht ohne Weiteres einzumischen und zusätzliche Spannungen zu verursachen. Die neue Regierung, insbesondere der Außenminister, scheint jedoch eine andere Sprache zu sprechen und wirbt für einen alternativen Weg in der deutschen Außenpolitik.

Scharfe Kritik an der griechischen Asyl- und Flüchtlingspolitik

Annalena Baerbocks direkte Sprache und Kritik während ihres öffentlichen Treffens mit dem griechischen Außenminister Nikos Dendias beeindruckte die griechischen Medien und verschaffte ihr mehr Berichterstattung als ihrem Vorgänger und anderen hochrangigen Politikern. Im Vergleich zum Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner erhielt Annalena Baerbock mehr Medienpräsenz als ihre Koalitionskollegen. Das Medienecho in Griechenland auf Baerbock war weitaus unterschiedlicher als das ihrer deutschen Amtskollegen. Offensichtlich war die Bedeutung ihres Besuchs ein Zeichen der Zeit. Nichtsdestotrotz scheuten die griechischen Medien nicht davor zurück, Bilder von ihrem Besuch zu verbreiten, von den Nachrichten bis zu den Talkshows. Generell war Baerbocks Besuch ein erster guter Schritt für die Ampel-Koalition, die deutsch-griechischen Beziehungen positiv zu beeinflussen.

Die sonst für ihre bildhafte Sprache bekannte deutsche Außenministerin wählte in Griechenland und der Türkei klare und strenge Worte, betonte bestimmte Themen und strich andere von ihrer Agenda. Scharfe Kritik an der griechischen Asyl- und Flüchtlingspolitik fand Baerbock in der Medienlandschaft der Stadt. Die Ministerin wies auch die Forderung Athens nach Entschädigung für die Nazi-Gräueltaten während des Zweiten Weltkriegs zurück, die in dem angespannten Meinungsaustausch zwischen Berlin und Athen immer wieder auftaucht. Schließlich sagte sie: "Da sind wir sicherlich unterschiedlicher Meinung." Die Griechen sorgen sich um das militärische Gleichgewicht mit ihrem großen östlichen Nachbarn, weshalb der Verkauf von hochmodernen deutschen U-Booten an die Türkei ein wunder Punkt war. Viele kritisierten ihren Ansatz, während andere von ihrem klaren Ton überrascht waren. Offensichtlich war Baerbocks Besuch im Mittelmeer ein Wendepunkt in ihrer üblichen Strategie: Ein neues Verständnis dafür, wie Worte in verschiedenen Teilen der Welt wirken.

Ihre Äußerungen haben die bilateralen Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei aufgewühlt, und die Reaktion der türkischen Seite war bei Baerbocks Besuch offensichtlich. Es ist daher unklar, ob dies den bilateralen Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei zugutekommt oder ob es bald zu weiteren Spannungen kommen wird. Deutschland, das von der russischen Invasion in der Ukraine tief betroffen ist, scheint seine Außenpolitik und die unverrückbare Taktik der früheren Regierung zu ändern. Im Gegensatz zur bisherigen deutschen Strategie lässt es die Politik der "gleichen Distanz" hinter sich und entscheidet sich nun dafür, keinen Raum für revisionistische und provokative Rhetorik zu lassen und seine Position und Absichten zu verdeutlichen. Die Äußerungen von Baerbock über die territoriale Integrität Griechenlands und die Unversehrtheit der europäischen Grenzen sind ein praktischer Beweis für diese Änderung der Rhetorik.

Zeiten der Provokation verlangen nach Deeskalation

Der Faktor der Energiekrise spielt ebenfalls eine wichtige Rolle und ist entscheidend für die innen- und außenpolitische Landschaft Deutschlands. Griechenland hat in den letzten zwei Jahren den Energiesektor durch die Einrichtung von Umschlagstationen für Flüssigerdgas und den Bau neuer Pipelines, die Alexandroupoli mit Bulgarien verbinden, aufgerüstet. Zugleich scheint Berlin nach Allianzen im europäischen Süden zu suchen.

Generell gilt in der außenpolitischen Strategie, dass Zeiten der Provokation nach Deeskalation verlangen. Von Annalena Baerbock wurde in der griechischen Öffentlichkeit erwartet, dass sie als selbstbewusste Vermittlerin zwischen der Türkei und Griechenland auftritt. Angesichts der täglichen Aggressionen Erdogans aus dem Osten erwartete Griechenland in dieser Krise reichlich Unterstützung aus Deutschland. Dennoch bezweifelten viele, dass Baerbock eine harte Haltung gegenüber der Türkei einnehmen würde.

Baerbock blieb in Athen freundlich, aber bestimmt und stellte sich im türkisch-griechischen Konflikt klar auf die Seite Griechenlands: "Griechische Inseln sind griechisches Territorium, und niemand hat das Recht, das infrage zu stellen." Diese Haltung nährt zwar das griechische Ego, lässt aber auch Raum für Fragen. Wenn sowohl Griechenland als auch die Türkei auf der östlichen Seite "ein unverzichtbarer Partner" und auf der westlichen Seite "einer der wichtigsten Partner in Europa" sind, wo zieht Baerbock dann die Grenze, da sowohl Griechenland als auch die Türkei die Agenda der Probleme der Europäischen Union ständig erweitert haben?

In der Tat hat Baerbock einen anderen Ton für Verhandlungen in der Außenpolitik gefunden; ihre Erwartungen an den Umgang mit den Angelegenheiten im Mittelmeerraum sind jedoch weit von dem entfernt, was Experten und ihre engsten Berater empfehlen.

Mit ihrer "wertebasierten Außenpolitik" will Baerbock Dialog und Härte ausbalancieren, ein Tanz aus Feuer und Eis. Wieder einmal hat die Grünen-Politikerin beschlossen, ihre eigenen Akzente zu setzen, indem sie sich für die Härte statt für den Dialog in ihrer öffentlichen Agenda entschied und damit zur "Eisernen Lady" des Mittelmeerraums wurde. Könnte dieser gefährliche Tanz zu mehr Spannungen im Mittelmeerraum führen, anstatt zu einer Versöhnung zwischen Griechenland und der Türkei? 

Dimitra Papadopoulou ist Praktikantin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Griechenland und Zypern.