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Außenpolitik
Trotz Kriegen und Krisen: Vier Gründe für verhaltenen Optimismus 2024

Michael Link analysiert die sich bietenden Chancen zur Lösung europäischer und globaler Herausforderungen
Auswärtiges Amt

Auswärtiges Amt: Außenpolitische Agenda für 2024 zu 

© picture alliance / Winfried Rothermel | Winfried Rothermel

Angesichts besonders brenzliger globaler Konflikte scheint es zu Beginn des neuen Jahres schwer, eine positive außenpolitische Agenda für 2024 zu formulieren. Doch so schwerwiegend viele Konflikte derzeit sind, dürfen wir vor lauter schrillender Alarmglocken nicht die sich bietenden Chancen zur Lösung europäischer und globaler Herausforderungen verpassen. Wenn wir an den richtigen Stellen energisch vorangehen, können wir im neuen Jahr vieles bewegen, um unsere Interessen und Werte zu schützen.

Polen

Dies betrifft zuallererst unsere Zusammenarbeit mit Polen. Nach dem Regierungswechsel in Warschau müssen wir den proeuropäischen Kurs der Regierung Tusk nutzen. So könnten wir unsere nachbarschaftlichen Beziehungen wieder vertiefen, durch die PiS-Regierung angestachelte Ressentiments abbauen und gemeinsam an der institutionellen Reform und Integration Europas arbeiten. Beim Schutz der Rechtsstaatlichkeit, insbesondere im geeint-europäischen Vorgehen gegen den autoritären Umbau des ungarischen Staates durch Viktor Orbán haben wir mit Polen einen – wenn nicht DEN – wichtigsten Verbündeten zurückgewonnen.

Donald Tusk

Donald Tusk: Am 13. Dezember 2023 übernahm Tusk erneut das Amt des polnischen Ministerpräsidenten

© picture alliance / EPA | PAWEL SUPERNAK

Frankreich

Ein wichtiges Signal sendet die Bundesregierung derweil auch an unseren engsten Partner Frankreich, indem sie sich offen zeigt für britische Eurofighter-Exporte an Saudi-Arabien und somit neue Ansätze in der Rüstungsexportpolitik manifestiert, die sich den veränderten, realen Gegebenheiten anpassen. Die wichtigen deutsch-französischen Rüstungsprojekte stehen seit jeher unter dem Damokles-Schwert der deutschen Rüstungsexportkontrolle, die die gemeinsamen Vorhaben massiv ausbremst. Zöge 2024 mehr Realpolitik in unsere Rüstungsexportpolitik ein, würde dies auch dem deutsch-französischen Tandem dringend benötigten Aufwind geben und wichtige Weichen für militärische Zusammenarbeit im Rahmen der EU und NATO stellen.

Emmanuel Macron

 Emmanuel Macron: Seit Mai 2017 Staatspräsident der Französischen Republik

© picture alliance / Anadolu | Dursun Aydemir

Argentinien

Mit Argentinien, das nach der Wahl von Präsident Milei dem Beitritt zum BRICS-Bündnis eine Absage erteilt hat, und das - anders als Brasilien - dem dramatisch wachsenden Einfluß Chinas in Lateinamerika kritisch gegenübersteht, sollten wir enger zusammenarbeiten. Freilich bleibt genau zu beobachten, ob und wie sich die explosive Stimmung im Land entladen wird und ob extrem schmerzhafte aber notwendige Wirtschaftsreformen letztendlich so umgesetzt werden, dass die freiheitlich-demokratische Ordnung gewahrt und gesellschaftlicher Frieden hergestellt wird. Ein Argentinien, das gestärkt aus einem innenpolitisch äußerst herausfordernden Prozess hervorginge, wäre für Deutschland und Europa ein gewichtiger Partner – insbesondere vor dem Hintergrund der festgefahrenen Verhandlungen um das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Ländern.

Javier Milei

Javier Milei: Seit 10. Dezember 2023 Präsident Argentiniens

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber

BRICS-Staaten

Auf globaler Ebene sollten wir unseren Fokus u.a. auf die erweiterte Runde der BRICS-Staaten lenken. Dieser Zusammenschluss der größten Schwellenländer hat mit Beginn des Jahres fünf neue Mitglieder aufgenommen. Wenngleich dazu auch der Iran zählt, kommen mit Äthiopien, Ägypten, Saudi-Arabien und den VAE auch Mitgliedsländer hinzu, zu denen Deutschland durchaus pragmatische und belastbare Arbeitsbeziehungen pflegt. Das erweiterte BRICS-Bündnis wird trotz aller internen Rivalitäten unter dem Einfluß Chinas versuchen, sich als starker Pol und Alternative zu den G7-Staaten zu positionieren. Deutschland und Europa sollten dieses Streben ernst nehmen und deutlich proaktiver mit passgenauen Angeboten an Länder herantreten, die keine pauschale anti-westliche Ideologie antreibt. So bleiben wir ein Gegengewicht zu China und seinem Projekt der „Neuen Seidenstraße“, treiben Entwicklung voran und schützen auch unsere Interessen, Wohlstand und Werte.

Michael Georg Link MdB ist europapolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag und  stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP-Fraktion