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Frankreich
Am 30. Mai wählen Auslandsfranzosen ihre Vertreter und Vertreterinnen in Deutschland

Ein wenig bekanntes System der lokalen Demokratie und der europäischen Integration
Gemany France Flags
© Kaarsten via Canva.com 

Cedric Viero ist Lokalkoordinator des En Marche-Komitees in Saarbrücken.

Jean-Pierre Renollaud ist Regionalkoordinator für Deutschland von En Marche und Kandidat für den 2. Wahlkreis (Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland).

Aus den Augen, aus dem Sinn? Nicht für eine Republik, die sich dem Schutze ihrer Bürger sowie einem demokratischen Transformationsprozess verschrieben hat, bei dem die lokale Demokratie im Zentrum steht.

Frankreich ist in der Tat eines der wenigen Länder der Welt (gemeinsam mit Italien und Portugal), das gewählte Vertreter und Vertreterinnen für seine Staatsangehörigen im Ausland hat. Dies ist sicherlich der Grund, warum dieses System in Deutschland wenig bis gar nicht bekannt ist. So haben mehr als 3 Millionen Franzosen weltweit am 30. Mai die Möglichkeit, vor Ort an der Wahlurne oder per Internet zwischen dem 21. und 26. Mai ihre Repräsentanten zu wählen. 

Für eine Politik der Nähe - was macht ein Ratsmitglied der Auslandsfranzosen?

Die Vertreter der im Ausland lebenden Franzosen sind das Bindeglied zwischen den Auslandsfranzosen und dem französischen Staat.

Als Vertreter in ihren Konsularbezirken stehen sie in direktem Kontakt mit den jeweils für die Auslandsfranzosen zuständigen Abgeordneten der französischen Nationalversammlung und des Senats (insgesamt 11 Abgeordnete und 12 Senatoren). Dabei nehmen die Vertreter und Vertreterinnen für einen Zeitraum von sechs Jahren verschiedene Aufgaben wahr:

  • sie verteidigen die Interessen der Auslandsfranzosen, z.B. beim Umgang mit den französischen Behörden
  • sie nehmen an den Konsularräten teil, die für Schulbeihilfen, Sozialhilfe, soziale Sicherung, Beschäftigung, Berufsausbildung und Sicherheit zuständig sind
  • sie unterbreiten Empfehlungen an die französischen Auslandsbehörden zu allgemeinen Fragen

So bringen sich die Vertreter und Vertreterinnen in den Bereichen Bildung (Erlernen der französischen Sprache, Zweisprachigkeit und Austausch zwischen französischen und deutschen Einrichtungen), Sicherheit und grenzüberschreitenden Aspekten ein (z.B. Kultur, Bildung, Steuern). Besonders unterstützt werden grenzüberschreitende Maßnahmen wie der deutsch-französische Ausschuss für grenzüberschreitende Zusammenarbeit (AGZ), dessen Rolle für die Verwaltung der transnationalen Mobilität während der Pandemie entscheidend war. Diese Schlüsselinstitution, die noch immer zu wenig genutzt wird, stellt die Vertreter der Auslandsfranzosen in den Mittelpunkt der europäischen Integration vor Ort.

Der Rat der Auslandsfranzosen spielt auch eine Rolle für die nationale Politik in Frankreich: Aus ihm gehen die Wahlmänner (grands électeurs) hervor, die die 90 Ratsmitglieder wählen, die in der Versammlung der Franzosen im Ausland (AFE) sitzen, sowie die für die Auslandsfranzosen zuständigen Senatoren.

Konsularwahlen: ein Schlüsselmoment der territorialen Verankerung für La République En Marche

Unter den 447 Ratsmitgliedern weltweit sind die französischen Ratsmitglieder aus Deutschland in drei Wahlkreisen um Berlin, Frankfurt und München auf das Gebiet Deutschlands verteilt. Alle in Deutschland ansässigen Franzosen und Französinnen sind wahlberechtigt. Für den zweiten Wahlkreis in Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland werden beispielsweise 6 Vertreter für eine 5-jährige Amtszeit gewählt (1 Jahr weniger Amtszeit als sonst aufgrund der Coronapandemie).

Bei den letzten Wahlen im Jahr 2014 war der Mobilisierungsgrad gering (14 %). Allerdings sind die Wahlen für die konsularischen Vertreter und Vertreterinnen auch noch nicht sehr bekannt, da sie erst zum zweiten Mal abgehalten werden. Online-Abstimmungen könnten besonders im aktuellen Gesundheitskontext eine Abhilfe für mehr Beteiligung schaffen. Ein Teil der Wähler wird nur eingeschränkt mobil sein und daher ist es umso wichtiger, dass die Wahlurne auf digitalem Wege zu ihnen kommt. Wünschenswert wäre eine Steigerung der Wahlbeteiligung um mindestens 3 Prozentpunkte. Die Option der Online-Wahl ist daher sehr wichtig und stellt eine neue Form der Demokratie dar, die den Wähler näher an die Wahl, aber auch an seine Vertreter bringt.

Für eine bürger- und handlungsorientierte Politik - En Marche! für die Franzosen in Deutschland

Die offizielle Liste von La République En Marche (Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland) erhielt die Unterstützung anderer politischer Formationen der Mehrheit des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. So wird sie etwa von der im Januar 2020 gegründeten und auf soziale Reformen fokussierenden Mitte-Links-Bewegung Territoires de Progrès sowie von der Mitte-Rechts-Bewegung Agir unterstützt.

Für En Marche ist die Links-Rechts-Spaltung jedoch eine überholte Vorstellung, die charakteristisch für einstige Parteien und Extremisten ist. So sagte En Marche-Gründer Emmanuel Macron in einem Interview im Sommer 2020: "Ich habe den Anspruch, über die Politik hinauszugehen. Mich mit Frauen und Männern zu umgeben, die von links, rechts und aus der Zivilgesellschaft kommen, das ist die Stärke unseres Landes."

Die Wahlliste von En Marche entzieht sich daher jeglicher Etikettierungen und politischer Zuschaustellung. Vielmehr setzt sie sich aus Männern und Frauen aus der Zivilgesellschaft zusammen, die sich für öffentliche Belange engagieren. Ihre ausgeglichene geografische Verteilung garantiert eine lokale und homogene Vertretung in allen Wahlkreisen.

Perspektiven für eine offenere, gerechtere und verantwortungsvollere Gesellschaft

Angesichts der Herausforderung von En Marche, sich lokalpolitisch zu verankern, geht es zukünftig darum, den Bürger wieder in den Mittelpunkt des politischen Lebens zu stellen. Dafür muss das Mandat der Vertreter und Vertreterinnen für die Auslandsfranzosen zu beitragen, indem ihnen mehr Verantwortung im öffentlichen Dienst übertragen wird, damit  sich dieser an den Bedürfnissen der Menschen vor Ort orientiert und effizient gestaltet wird. Angesichts von Populismus und nationalistischer Abschottung fördert die Wahlliste En Marche eine inklusive Politik, damit jeder gehört werden kann, auch französischsprachige Deutsche, die sich der Bewegung anschließen wollen.

Viele Herausforderungen auf europäischer und globaler Ebene sind auch auf lokaler Ebene zu spüren und erfordern progressive politische Lösungsansätze:

  • Um die innere Sicherheit vor Ort zu verbessern soll der Informationsaustausch zwischen französischen und deutschen Behörden weiter gefördert werden.
  • Fern von jeder Ideologie plädiert die Wahlliste En Marche in der Energiewende für einen pragmatischen und nicht nur verbots-orientierten Ansatz.
  • Die Unterstützung der Vereins-Projekte von Franzosen in Deutschland zu den Themen Ökologie, Kohlenstoffneutralität und dem Ziel des Null-Deponie-Abfalls sind Pfeiler dieses Engagements.

Angesichts der teils prekären beruflichen Situation von jungen Menschen müssen wir die Zweisprachigkeit, den Austausch zwischen französischen und deutschen Einrichtungen und ihre Mobilität unterstützen und weiterentwickeln. Ein weiterer zentraler Pfeiler ist das Erlernen und die Herstellung des Zugangs zu digitalen Tools, damit Innovation generiert werden kann. So ist etwa die Entwicklung einer Plattform für Projekte, die von Personen unter 25 Jahren lanciert werden, für die Gründung neuer französischer Unternehmen in Deutschland eine der Hauptforderungen der Liste.

Europa muss vor der eigenen Haustür, vor Ort und durch den deutsch-französischen Motor weiter getragen und erlebbar gemacht werden. In diesem Sinne verstehen sich die künftigen konsularischen Vertreter und Vertreterinnen auch als Botschafter einer europäischen Vision.