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Biden und Scholz
Vertrauen gestärkt, doch Herausforderungen bleiben

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz zu Besuch bei dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden in Washington
© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alex Brandon

Das wichtigste Anliegen von Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem ersten Besuch in Washington im neuen Amt war es, die internationale Bühne des Weißen Hauses zu nutzen, um die deutsche Position in der Ukraine-Krise zu klären und Deutschlands Glaubwürdigkeit gegenüber dem Partner USA zu stärken.

Während Russland seine Truppen an der ukrainischen Grenze immer weiter aufstockte, geriet der Bundeskanzler in den USA in der Kritik. Nach Ansicht vieler Kommentatoren reagiert Deutschland zu zögerlich auf eine der schwersten Sicherheitskrisen in Europa seit dem Ende des Kalten Krieges. Insbesondere stand der Bundeskanzler vor seinem Besuch unter Beschuss, weil er keine harte Haltung zu den Sanktionen gegen Russland einnimmt und sich weigert, Waffen oder Munition an die Ukraine zu liefern. Hier beruft er sich auf die langjährige Politik Berlins, keine Waffen in Konfliktregionen zu liefern.

In den USA wird kritisiert, Deutschland habe versucht, in dem potenziellen Konflikt eine zu abwartende und konziliante Haltung gegenüber Russland einzunehmen, da Deutschland bei der Versorgung mit Erdgas in hohem Maße von Russland abhängig sei. Im Kern geht es um Nord Stream 2, die seit langem für Spannungen zwischen den USA und Deutschland sorgt. Das Weiße Haus hat davor gewarnt, dass die Pipeline Deutschland bei der Energieversorgung zu sehr von Russland abhängig machen könnte, und hat Nord Stream 2 als wichtiges Druckmittel bezeichnet, um eine erneute russische Invasion in der Ukraine zu verhindern.

Vor diesem Hintergrund waren am Montag alle Augen auf Scholz in Washington gerichtet, um zu sehen, ob er seinen engsten Verbündeten davon überzeugen kann, dass Europas größte Wirtschaftsmacht dem transatlantischen Bündnis und der führenden Rolle in internationalen Angelegenheiten, die es unter der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel innehatte, weiterhin verpflichtet ist. Er musste demonstrieren, dass er versteht, was für die Ukraine und das transatlantische Bündnis auf dem Spiel steht.

Auf ihrer gemeinsamen Pressekonferenz waren sich Biden und Scholz dann jedoch weitgehend einig über das weitere Vorgehen gegenüber Russland. Beide betonten wiederholt, dass Deutschland Moskau im Falle eines Einmarsches in die Ukraine harte Konsequenzen auferlegen werde. "Es wird einen hohen Preis für Russland geben", sagte Scholz. Seine klare Botschaft korrigiert zumindest im Moment den Eindruck in den USA, dass Deutschland nicht bereit ist, Sanktionen zu unterstützen, die für Deutschland erhebliche wirtschaftliche Kosten bedeuten. Biden und Scholz machten jedoch keine genauen Angaben dazu, wie das vereinbarte Sanktionspaket aussehen wird.

Schon vor der Ukraine-Krise war das Nord Stream-2-Pipelineprojekt Thema intensiver Kritik an Deutschkand aus beiden politischen Lagern in den USA. In der Frage des Schicksals der Pipeline schienen sich Biden und Scholz jedoch angenähert zu haben. Biden betonte, dass Deutschland im Fall einer weiteren Eskalation das Pipeline-Projekt stoppen würde: "Wenn Russland einmarschiert, d.h. wenn Panzer und Truppen die Grenze zur Ukraine überqueren, dann wird es Nord Stream 2 nicht mehr geben", sagte Biden. "Wir werden dem ein Ende setzen." Er erklärte jedoch nicht, wie die USA sicherstellen würden, dass die Pipeline gestoppt wird, da sie unter deutscher Kontrolle steht. "Ich verspreche Ihnen, dass wir in der Lage sein werden, dies zu tun", sagte er vor Reportern. Obwohl Scholz etwas vage blieb, ob er einen Abbruch des Pipeline-Projekts zustimmen würde, wiederholte er gegenüber Reportern, dass "wir diese Maßnahmen mit unseren Verbündeten, mit unseren Partnern, mit den USA ergreifen werden, und wir werden alle notwendigen Schritte unternehmen".

Die Stabilität des transatlantischen Bündnisses und insbesondere die Verlässlichkeit Deutschlands in Fragen der internationalen Sicherheit sind in den letzten Wochen in den USA in Frage gestellt worden. Berlins Zögern, Konsequenzen für Russland im Falle einer Invasion in der Ukraine zu formulieren, hatte die Beziehungen im vergangenen Monat aus Sicht Washingtons so stark belastet, dass in den USA Stimmen lauter wurden, die Deutschland als "unzuverlässigen Partner" bezeichneten. Bei dem Treffen am Montag wies Biden diesen Gedanken jedoch zurück und betonte, dass Deutschland ein verlässlicher Verbündeter sei und dass man "kein Vertrauen zurückgewinnen" müsse.

Obwohl die USA mit der als unentschieden und wackelig wahrgenommenen Haltung von Scholz gegenüber Putin unzufrieden sind, erkennen die amerikanischen Medien allgemein an, dass Scholz' Fähigkeit, eine klare Haltung zur Ukraine einzunehmen, auch durch die deutsche Innenpolitik behindert wurde. Die Krise wird als eine große Herausforderung für die relativ neue und noch nie zuvor dagewesene Drei-Parteien-Koalitionsregierung von Scholz wahrgenommen.

Die Kontroverse, mit der sich Scholz im Zusammenhang mit der Pipeline konfrontiert sieht, wurde in seinem Exklusivinterview mit CNN deutlich, in dem er es ablehnte, auf die Pipeline einzugehen, aber betonte, dass die NATO im Falle eines russischen Einmarsches in die Ukraine geschlossen reagieren würde. So wurden in der amerikanischen Presse die Zweifel, ob für Scholz tatsächlich "alles auf dem Tisch liegt", wenn es um die Bestrafung Russlands geht, teilweise, nicht vollständig aus dem Weg geräumt.

Die Ukraine-Krise ist die erste große außenpolitische Bewährungsprobe für Deutschland nach der Kanzlerschaft von Angela Merkel. Das Vertrauen darin, dass Deutschland in der Auseinandersetzung mit Putins Russland den engen Schulterschluss mit den USA wahren wird, ist durch den Besuch gestärkt worden – doch die langjährige Partnerschaft wird in durch die aktuelle Krise weiter auf dem Prüfstand stehen.