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State of the Union
Joe Biden im offensiven Wahlkampfmodus

Joe Biden spricht frisch vor US Flagge und dem Text "In God we trust" seine State of the Union Rede

Präsident Joe Biden hält seine "State of the Union" Rede vor den Abgeordneten von Senat und Repräsentantenhaus am 7. März 2024

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Shawn Thew

Präsident Joe Biden zeigte sich bei der State of the Union frisch, schlagfertig und angriffslustig.

Die jährliche Rede zur Lage der Nation, zum “State oft he Union“ ist für den amtierenden Präsidenten eine der wichtigsten Gelegenheiten, seine Politik dem US-amerikanischen Volk zu erklären. Die Rede vor beiden Häusern des Kongresses wird zur Prime Time von vielen Wählerinnen und Wählern verfolgt. Sie hat zwar gewöhnlich keine großen unmittelbaren Auswirkungen auf die Umfragewerte – eine Veränderung von ein oder zwei Prozentpunkten gilt ist im historischen Vergleich schon als hoch – setzt aber den Ton für das begonnene Jahr, also jetzt für das Jahr der Präsidentschaftswahlen.

Mit ausgestreckten Armen jubeln die Demokraten nach der State of the Union von Joe Biden

Die demokratische Senatorin Elizabeth Warren, Massachusetts (links) und Senator Sheldon Whitehouse, Rhode Island (rechts) jubeln nach Präsident Joe Bidens State of the Union Rede - Demokraten jubeln im Stehen, Republikaner schweigen im Sitzen

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Shawn Thew

Biden positioniert sich als Verteidiger der amerikanischen Werte

Die diesjährige Rede vermittelte den klaren Eindruck, dass Joe Biden in den Wahlkampfmodus übergegangen ist. Er lieferte, was seine Partei und seine Unterstützer schon seit einiger Zeit von ihm erwarten und fordern: Er betonte offensiv die Erfolge der eigenen Politik der vergangenen drei Jahre. Zugleich setzte er einige Prioritäten für sein letztes Jahr in dieser Amtszeit und für die angestrebte zweite Amtszeit.

Mehrfach in seiner mit nur etwas über einer Stunde verhältnismäßig kurzen Rede attackierte er direkt seine Amtsvorgänger und Gegner Donald Trump. Auffällig war, dass er ihn bei den 13 Erwähnungen in der Rede nie beim Namen nannte, sondern ihn immer als „mein Vorgänger“ bezeichnete. Er charakterisierte dessen Rhetorik als gefährlich und nahm schon früh in der Rede kritisch Bezug auf dessen Ankündigung, den russischen Präsidenten NATO-Staaten angreifen zu lassen, wenn diese nicht genug für ihre Verteidigung ausgeben.

Biden erwähnte den 6. Januar 2021 und erklärte, dass sich die USA in einem wichtigen historischen Moment befänden. Freiheit und Demokratie seien heute in einem Maße bedroht, wie es das seit dem Bürgerkrieg nicht mehr gegeben hat. Er stellte heraus, das die Bedrohungen für die amerikanische Demokratie von außerhalb und innerhalb der USA kommen – und das historisch einmalig sei. An mehreren Stellen verwies der Präsident auf die Grundwerte der amerikanischen Demokratie. Anspielend auf sein eigenes Alter sagte er, dass er schon sehr lange für Freiheit und Demokratie steht, dass er für die Werte steht, die Amerika ausmachen: Ehrlichkeit, Anstand, Würde, Gleichheit. Das unterscheide ihn von einem anderen Politiker seines Alters, die für Ressentiment, Revanche und Vergeltung stehen.

Mit roter Jacke und Mütze schreit die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene gegen Joe Biden bei der State of the Unoin

Die republikanische Skandalabgeordnete Marjorie Taylor Greene versucht mit Zwischenrufen die State of the Union Rede von Präsident Joe Biden zu stören. 

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Shawn Thew

Die Grundbotschaft der State of the Union von Joe Biden ist optimistisch

Trotz aller Kritik an seinen politischen Gegnern und aller Verweise auf die Gefahren und Bedrohungen war die Grundbotschaft der Rede optimistisch. Damit setzte sich der Präsident klar von seinem Gegner ab, der in seiner aggressiven Rhetorik immer wieder das Bild eines im ökonomischen Abstieg befindlichen, zerfallenden Landes zeichnet und die Verantwortung dafür der aktuellen Regierung gibt.

Joe Biden verwies dagegen auf die Rekordzahl neu geschaffener Jobs, auf die Investitionen in die Chip-Industrie und die Infrastruktur sowie in weitere Bereiche. Er verteidigte den durch den Affordable Care Act (Obamacare) geschaffenen Zugang zur Krankenversicherung und warf den Republikanern vor, diesen abschaffen zu wollen – was bei diesen zu empörten Reaktionen führte. Vor allem stellte der Präsident die jetzt unter Kontrolle befindliche Inflation und die sehr gute Lage auf dem Arbeitsmarkt heraus.

Einige Schwerpunkte zukünftiger Politik waren genestand der Rede: Eine Mindeststeuer für Unternehmer, ein weiterer starker Fokus auf staatliche Investitionen. Der Erwerb von Wohnimmobilien soll zudem mit Steuererleichterungen unterstützt werden. In das Bildungssystem, dessen Bedeutung für die USA selbst, aber auch für die globale Konkurrenzfähigkeit Joe Biden hervorhob, sollen stärkere Investitionen fließen.       

Joe Biden hält seine State of the Union Rede umringt von Abgeordneten aus den beiden Kammern

Bei aller Ernsthaftigkeit ist die Grundbotschaft von Joe Biden bei der State of the Union optimistisch

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | J. Scott Applewhite

Kontroverse Themen – Illegale Migration und Kriminalität

Einwanderung ist eines der beherrschenden Themen in der politischen Auseinandersetzung der USA. Der Präsident unterstützte stark das von Vertretern beider Parteien ausgehandelte, aber dann im Kongress gescheiterte Reformpaket. Wie stark das Thema für die Republikaner im Mittelpunkt steht, zeigten ihre Reaktionen gerade bei diesem Thema.

Bezüglich der Kriminalität verwies Biden auf die sinkenden Verbrechenszahlen in den meisten Bereichen und griff gleichzeitig die Republikaner direkt wegen ihrer Positionen im Waffenrecht an. Diese Kontroverse wird ebenfalls eine wichtige Rolle im Wahlkampf spielen.

Ein Thema, von dem sich Biden und seine Partei einen starken Mobilisierungseffekt bei den Wahlen im November verspricht, ist der Zugang zur Abtreibung. Joe Biden betonte, dass Frauen eine starke politische Kraft seien und verwies auf die Volksabstimmungen des letzten Jahres, mit denen in mehreren Bundesstaaten das Recht auf Schwangerschaftsabbruch deutlich gestärkt wurde.

Außenpolitik – Bekräftigung der eigenen Stärke

Die Stärke der USA betonte der Präsident auch hinsichtlich eines Themas, das die USA-Außenpolitik beherrscht: die globale Auseinandersetzung mit China. Biden bezeichnete die USA – entgegen einem in diesem Kontext weit verbreiteten Narrativ – als aufstrebende Macht, die dem chinesischen System überlegen sei.

Relativ ausführlich nahm Joe Biden zu Israel und dem Konflikt mit der Hamas Stellung – dieses Thema ist Gegenstad heftiger innerparteilicher Kontroversen bei den Demokraten. Er erklärte seine starke und unbedingte Unterstützung für Israel. Diese bestehe über sein gesamtes politisches Leben. Gleichzeitig trat er für den Zugang von Hilfsorganisationen nach Gaza ein und erklärte, dass langfristig nur eine Zwei-Staaten-Lösung gute Perspektiven biete.

Insgesamt wurde im außenpolitischen Bereich ein Narrativ deutlich, das die gesamte bisherige Amtszeit beherrscht: Eine starkes Amerika beansprucht eine Führungsrolle, steht aber gleichzeitig zu den Verpflichtungen gegenüber seinen Partnern.

Joe Biden stellt sich auf der Frage nach seinem hohen Alter

Der 81-jährige Präsident stellte sich auch der Frage seines eigenen hohen Alters, das nach Umfragen von einer Mehrheit der potentiellen Wählerinnen und Wähler in den USA als Problem angesehen wird. So bemerkte er, das ihn Diskussionen um sein Alter schon seit langem begleiten, nämlich seit er mit 29 Jahren als Senator kandidierte und für zu jung gehalten wurde. Es käme auf die Einsichten und die konkrete Politik an, nicht auf das Alter. Er präsentierte sich als Politiker, der die Zukunft gestalten und nicht mit den Konzepten der Vergangenheit Politik machen will. Bei einigen Reaktionen jenseits der vorformulierten Rede zeigte er, dass er bereit ist zu kämpfen.     

Staatsmännische Stärke als Botschaft der State of the Union von Joe Biden

Präsident Biden hat mit der Rede zum Zustand der Nation das geliefert, was seine Anhänger und Unterstützer erwartet und erhofft haben. Er hat seine politischen Prioritäten klargemacht, seine bisherige Politik verteidigt und sich klar von seinem Konkurrenten abgegrenzt. Er hat sich als Bewahrer der amerikanischen Werte und Gestalter einer positiven Zukunft positioniert. Inwieweit das das seine Position im jetzt anlaufenden Wahlkampf stärkt, müssen die kommenden Monate zeigen.