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Baukosten
Stornierungswelle auf dem Bau

Warum steigen eigentlich die Baukosten so stark?
Fakten zur Krise

Stornierungswelle trifft den Wohnungsbau“. Diese Überschrift war in dieser oder leicht abgewandelter Form auf nahezu jedem Nachrichtenportal zu lesen. Laut einer Studie des ifo-Instituts waren im September 2022 mit 16,7 Prozent so viele Wohnungsunternehmen wie noch nie von Stornierungen betroffen. Die Daten für den Oktober sind mit einer Quote von 14,5 Prozent nicht viel besser. Der Grund: Neben steigenden Zinsen gehen auch die Baukosten immer weiter nach oben. Viele Bauherren können diese Kostensteigerungen einfach nicht mehr tragen, immer mehr von ihnen müssen die Reißleine ziehen. Dass die Preise steigen, müssen wir derzeit alle am eigenen Leib erfahren. Aber warum steigen eigentlich die Preise auf dem Bau gerade besonders stark?

Wie setzen sich die Baukosten zusammen?

Kompliziert ausgedrückt: Die Zusammensetzung der Baukosten ist nach der DIN-Norm DIN 276 definiert und umfasst acht Kostengruppen (siehe Abbildung unten). Diese DIN-Norm ist Grundlage der Honorarermittlung für Architekten und Ingenieure. Einfach gesprochen: Die Baukosten umfassen grundsätzlich alles, was nötig ist, um ein Bauprojekt abzuschließen und dabei Geld kostet: Zunächst muss ein Grundstück gekauft werden (Kostengruppe 100). Dieses Grundstück muss möglicherweise noch erschlossen werden, es braucht also vorbereitende Maßnahmen (Kostengruppe 200). Dann muss das Bauwerk errichtet werden (Kostengruppen 300 und 400) und vielleicht auch noch ein Garten angelegt werden (Kostengruppe 500). Ohne Einrichtung geht es natürlich auch nicht (Kostengruppe 600). Ganz nebenbei fallen auch noch Kosten für Energieausweis, Versicherungen, etc. an (Kostengruppe 700) und Kreditzinsen müssen in der Regel auch gezahlt werden (Kostengruppe 800).

Tabelle
© FNF

Aber Vorsicht: Die mediale Berichterstattung bezieht sich meist ausschließlich auf die reinen Bauwerkskosten (also die Kostengruppen 300 und 400). Auch das Statistische Bundesamt fokussiert sich in seinem oft zitierten Baukostenindex lediglich auf die Kosten, die bei Errichtung des Gebäudes anfallen. Wenn man in der Zeitung von steigenden Baukosten liest oder Statistiken zur Baukostenentwicklung sieht, dann geht es in der Regel nur um reinen Bauwerkskosten.

Fakt: Die Baukosten umfassen alle Kosten, die notwendig sind, um ein Gebäude zu errichten.

Wie hoch sind die Baukosten in Deutschland?

Zumindest für das Jahr 2021 lässt sich diese Frage präzise beantworten, nämlich im Schnitt genau 2.034 Euro pro Quadratmeter. So lauten die offiziellen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes. Wie oben beschrieben, handelt es sich hierbei ausschließlich um die Kosten, die bei der Errichtung des Gebäudes anfallen. Die Grundstückskosten, die Erschließungskosten und alles andere kommt also nochmal oben drauf.

Fakt: Im Jahr 2021 betrugen allein die Bauwerkskosten 2.034 Euro pro Quadratmeter.

Wie haben sich die Baukosten in den letzten Jahren entwickelt?

Bereits in den vergangenen Jahren war ein erheblicher Anstieg der Baukosten zu beobachten, der deutlich über dem Anstieg des sonstigen Preisniveaus lag. Dies geht aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervor. Während die Verbraucherpreise im Zeitraum zwischen 2000 und 2021 um 36,5 Prozent gestiegen sind, betrug der Anstieg bei den Baukosten im gleichen Zeitraum satte 57,3 Prozent. Aus der Grafik unten wird ersichtlich, dass bereits die Corona-Krise zu einem sprunghaften Anstieg der Baukosten geführt hat.

Grafik
© Statistisches Bundesamt (2022), eigene Berechnungen

Der wahre Anstieg der Baukosten könnte sogar deutlich höher liegen. Der Baukostenindex des Statistischen Bundesamtes ermittelt lediglich die Preisentwicklung für eine Auswahl festgelegter Bauleistungen. In den letzten Jahren kam jedoch eine Vielzahl neuer gesetzlicher Regelungen (z.B. im Bereich der Energieeffizienz) hinzu, die deutlich mehr Bauleistungen nötig machten. Die benötigten Bauleistungen werden also nicht nur teurer, sondern auch umfangreicher. Laut Berechnungen der ARGE liegt der wahre Anstieg der Baukosten seit dem Jahr 2000 sogar bei 77 Prozent.

Fakt: Die Baukosten sind seit dem Jahr 2000 deutlich stärker gestiegen als das sonstige Preisniveau (57,3% zu 36,5%).

Was weiß man über die aktuelle Entwicklung im Jahr 2022?

In den letzten Jahren sind die Baukosten konstant gestiegen, und das deutlich stärker als das Preisniveau in der gesamten Volkswirtschaft. Für das aktuelle Jahr kann nun wohl wirklich von einer Baukostenexplosion sprechen. Die Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen: Die Kosten für den Bau neuer Wohnhäuser waren im 3. Quartal 2022 16,5 Prozent höher als im Vorjahresquartal. Die Preise für Rohbauarbeiten an Wohngebäuden stiegen von August 2021 bis August 2022 um 15,5 %. Betonarbeiten sind gegenüber August 2021 um 18,2 % teurer geworden, Stahlbauarbeiten sogar um 20,4 Prozent. Mauerarbeiten wurden um 13,1 Prozent teurer. Für Dachdeckungs- und Dachabdichtungsarbeiten erhöhten sich die Preise um 19,6 %. Die Liste der Preissteigerungen ließe sich beliebig fortführen. Die Abbildung unten gibt einen kleinen Überblick über die Preissteigerungen in ausgewählten Bereichen.

Grafik 2
© Statistisches Bundesamt (2022)

Fakt: Im Jahr 2022 sind die Preise für verschiedene Bauarbeiten schier explodiert. Die Baukosten insgesamt werden gegenüber 2021 also nochmal deutlich ansteigen.

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Was sind die Gründe für diese Kostensteigerungen?

Für den Anstieg der Baukosten gibt es eine Reihe von Ursachen – genauer gesagt vier. (1) Bereits vor Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine kam es aufgrund der Corona-Pandemie zu einem sprunghaften Anstieg der Baukosten. Infolge des Nachfrageeinbruchs zu Beginn der Pandemie wurden weltweit Produktionskapazitäten heruntergefahren. Ende 2020 stieg die Nachfrage nach Baumaterialien dann unerwartet stark an, die Produktionskapazitäten konnten jedoch nicht im gleichen Maße hochgefahren werden. Die Folge: Unterbrochene Lieferketten, Materialengpässe und steigende Preise. (2) Durch den Krieg in der Ukraine hat sich die Situation nun nochmal dramatisch verschärft. Zum einen bezieht Deutschland einen erheblichen Anteil seiner Baumaterialien aus Russland und der Ukraine. Zum anderen treiben die steigenden Energiepreise die Herstellungskosten für viele Baumaterialen in die Höhe. (3) Ein weiterer Grund für die steigenden Baukosten ist der Fachkräftemangel in Deutschland. Wie in fast allen Branchen gibt es inzwischen auch auf den Baustellen nicht genügend Personal. Dieser Engpass führt nicht nur zu Verzögerungen, sondern eben auch zu höheren Arbeitskosten aufgrund des knappen Angebots. (4) Eine Vielzahl neuer gesetzlicher Regelungen und Standards hat in den letzten Jahren ebenfalls massiv zum Baukostenanstieg beigetragen. Studien zeigen, dass etwa ein Drittel des Baukostenanstiegs seit dem Jahr 2000 auf zusätzliche gesetzliche Regelungen und Normen zurückzuführen ist.

Fakt: Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Fachkräftemangel und eine Vielzahl neuer Bauvorschriften sind die Haupttreiber der Baukostenexplosion.

Was sind die Folgen des Baukostenanstiegs?

Wie zu Beginn beschrieben: Das Zusammenspiel von steigenden Zinsen und der Baukostenexplosion führt dazu, dass in jüngster Zeit so viele Bauprojekte storniert wurden wie noch nie. 14,5 Prozent aller Wohnungsunternehmen waren im Oktober 2022 von Stornierungen betroffen. In „normalen Zeiten“ liegt diese Quote bei lediglich ein bis zwei Prozent. Dabei muss man immer bedenken: Hinter diesen Zahlen verbergen sich etliche Einzelschicksale. Es handelt sich um Familien, deren Traum vom selbst gebauten Eigenheim geplatzt ist. Oder es handelt sich um nicht gebaute Mehrfamilienhäuser, was für viele Menschen die Suche nach einer bezahlbaren Wohnung noch schwieriger macht. Die aktuelle Entwicklung auf dem Bau macht das Neubauziel der Bundesregierung von 400.000 Wohnungen pro Jahr sicher nicht einfacher.

Fakt: Aufgrund der Baukostenexplosion gibt es so viele Stornierungen wie noch nie. 16,7% aller Wohnungsunternehmen waren im September 2022 von Stornierungen betroffen.

Wie könnte man Baukostensteigerungen entgegenwirken?

Klar ist: Wir befinden uns derzeit in einer absoluten Sondersituation. Niemand behauptet, dass der Anstieg der Baukosten in den letzten beiden Jahren einfach hätte verhindert werden können. Doch klar ist auch: Die Baukosten sind nicht erst seit dem Jahr 2020 gestiegen. Damit die Baukosten in Zukunft nicht noch weiter ansteigen, braucht es aus liberaler Sicht strukturelle Lösungen. Anders wird der Traum vom Eigenheim für viele Menschen ein Traum bleiben und auch bezahlbare Mietwohnungen können schlicht nicht gebaut werden.

1. Bauordnungen vereinfachen
Die 16 deutschen Bauordnungen setzt auf zu viele Normen und Vorgaben. Insgesamt sind rund 3.700 Normen für das Bauen in Deutschland relevant. Unsere Nachbarn in den Niederlanden zeigen, dass sich eine grundlegende Vereinfachung der Bauordnung auszahlen kann.

2. Serielles Bauen voranbringen
Insbesondere eine Angleichung der 16 Landesbauordnungen würde dafür sorgen, dass das serielle Bauen hierzulande endlich an Bedeutung gewinnt. Hierbei werden einzelne Gebäudeteile in Serie hergestellt und somit Kostenvorteile genutzt. Damit diese Kostenvorteile genutzt werden können, muss es jedoch möglich sein, dass dasselbe Haus in allen Bundesländern gebaut werden kann.

3. Fachkräftemangel bekämpfen
Der Fachkräftemangel ist nicht nur auf den Baustellen ein Problem. Aus diesem Grund braucht es dringend mehr Zuwanderung. Mit einem Einwanderungssystem nach kanadischem Vorbild könnte man dafür sorgen, dass geeignete Fachkräfte aus dem Ausland schnell auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß fassen können.

4. Anreize für innovative Baumaterialien setzen
Derzeit werden immer öfter alternative Baustoffe wie recyceltes Aluminium oder Holzbeton eingesetzt. Die aktuelle Baukostenexplosion geht zu einem großen Teil auf die steigenden Preise für Baumaterialien zurück. Dies könnte dazu führen, dass die Erforschung kostengünstiger Baustoffen weiter Fahrt aufnimmt. In der aktuellen Situation sollten neue Baumaterialien in einem beschleunigten Verfahren zugelassen werden. Dies würde einen weiteren Anreiz für Innovationen in der Baubranche setzen.

5. Grunderwerbsteuer senken
Damit der Traum vom Eigenheim Realität bleiben kann, sollten neben den Baukosten auch die Nebenkosten beim Kauf gesenkt werden. Hierbei könnte insbesondere ein Freibetrag für Selbstnutzer für viel Entlastung sorgen.