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Kritische Infrastruktur
Was ist eigentlich… kritische Infrastruktur?

Was versteht man unter kritischer Infrastruktur?

Spätestens nach den Gaslecks in den beiden Nordstream-Pipelines und dem Sabotageakt am Kabelnetzwerk der Deutschen Bahn stellt sich die Frage, wie es um die Sicherheit unserer kritischen Infrastruktur bestellt ist. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hält weitere Angriffe auf kritische Infrastrukturen in Deutschland für möglich, weshalb er eine Stabsstelle für Infrastruktur-Sicherheit eingerichtet hat.[1] Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) räumt dem Schutz kritischer Infrastrukturen „höchste Priorität“ ein.[2] Gleichzeitig will das Kanzleramt den Einstieg chinesischer Investoren beim Hamburger Hafen – einer kritischen Infrastruktur – ermöglichen.[3]

Kritische Infrastrukturen sind gerade in aller Munde, doch wann spricht man überhaupt von kritischer Infrastruktur? Laut Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik[4] sind kritische Infrastrukturen „Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden.“

Welche Infrastrukturen gelten als kritisch?

Derzeit fallen in Deutschland zehn Infrastrukturen unter diese Kategorie. Heißt also: Sollten gezielte Angriffe oder Naturkatastrophen diese Infrastrukturen beschädigen, hätte dies erhebliche Auswirkungen für unsere Gesellschaft. Die folgende Abbildung zeigt die zehn kritischen Infrastrukturen mit den zugehörigen Branchen.

Was passiert bei Beeinträchtigungen der kritischen Infrastruktur?

Beeinträchtigungen kritischer Infrastrukturen wären mit erheblichen Konsequenzen für die Gesellschaft verbunden – andernfalls wäre es ja auch keine kritische Infrastruktur. Die folgende Liste soll zeigen, welche Gefahren im Fall der Fälle drohen könnten.

1 - Energie

Ein langfristiger Stromausfall würde nahezu alle kritischen Infrastrukturen betreffen. Diverse Kommunikationsmöglichkeiten, die Versorgung mit Treibstoff, wichtige Teile des Gesundheitswesens sowie die Wasserversorgung könnten ohne erfolgreiche Gegenmaßnahmen innerhalb weniger Tage zusammenbrechen.

Fakt: Im Jahr 2021 wurden deutschlandweit insgesamt 166.615 Unterbrechungen der Stromversorgung gemeldet.[6]

2 - Ernährung

Eine Unterbrechung der Lebensmittelversorgung könnte durch langfristige Stromausfälle oder einen Zusammenbruch des Transportwesens hervorgerufen werden. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass selbst begrenzte Versorgungsausfälle Hortungs- bzw. „Panik“-Käufe hervorrufen können.

Fakt: 577.312 Menschen sind in Deutschland in der Lebensmittelindustrie beschäftigt.[7]

3 - Finanz- & Versicherungswesen

Für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unseres Landes ist ein stabiler Zahlungsverkehr essenziell. Ein großflächiger Zusammenbruch des Finanzwesens würde daher in kürzester Zeit erheblichen wirtschaftlichen Schaden verursachen. Länger anhaltende Unterbrechungen hätten das Potential die Stabilität von Gesellschaft und Staat zu gefährden.

Fakt: In Deutschland stehen insgesamt 55.136 Geldautomaten.[8]

4 - Gesundheit

Bei einem Zusammenbruch der medizinischen Notfallversorgung wäre mit umgehenden Konsequenzen zu rechnen. Aber auch Ausfälle in der alltäglichen medizinischen Versorgung würden nach relativ kurzer Zeit die Gesundheit der Bevölkerung erheblich beeinträchtigen und generell für Verunsicherung und Unmut sorgen.

Fakt: Aktuell gibt es 1903 Krankenhäuser mit 487.783 Krankenhausbetten in Deutschland.[9]

5 - Informationstechnik & Telekommunikation

Die Bedeutung von Informations- und Kommunikationstechnologien nimmt in unserer Gesellschaft immer weiter zu. Großflächige Stromausfälle würden den IKT-Sektor massiv beeinträchtigen und innerhalb kurzer Zeit zum Erliegen bringen. Dabei wären gerade im Krisenfall funktionierende Informationssysteme besonders wichtig.

Fakt: 75 Prozent der Menschen in Deutschland haben Angst vor einem Cyberkrieg.[10]

6 - Medien & Kultur

Medien informieren, dienen der Meinungsbildung und erfüllen eine wichtige Kontrollfunktion. Insbesondere die Sozialen Medien können jedoch auch zur Verbreitung von Fake-News und Desinformation genutzt werden. Beide Strategien können kurz-, mittel- und langfristig destabilisierende und manipulative Wirkungen entfalten. Zudem übernehmen die Medien im Krisenfall durch das Aussenden von Warnungen eine besonders wichtige Aufgabe des Bevölkerungsschutzes.

Fakt: 81 Prozent der Menschen in Deutschland sehen Fake-News als Gefahr für die Demokratie.[11]

7 - Siedlungsabfallentsorgung

Die Siedlungsabfallentsorgung gilt erst seit dem Jahr 2021 als kritische Infrastruktur. Ein längerfristiger Ausfall der Abfallentsorgung wäre nicht nur enorm unangenehm, sondern würde auch eine erhöhte Seuchen- und Umweltgefahr für die Bevölkerung darstellen.

Fakt: Das jährliche Pro-Kopf-Aufkommen an Haushaltsabfällen liegt in Deutschland bei 476 Kilogramm.[12]

8 - Staat & Verwaltung

Staat und Verwaltung sind ein Garant für die öffentliche Ordnung. Der Ausfall einzelner Einrichtungen könnte das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates massiv beeinträchtigen. Sollten Einrichtungen im Bereich der Gefahrenabwehr betroffen sein, kann die öffentliche Sicherheit bereits nach kurzer Zeit ins Wanken geraten.

Fakt: Fast 5,1 Millionen Menschen sind im öffentlichen Dienst beschäftigt.[13]

9 - Transport & Verkehr

Als führende Wirtschaftsnation ist Deutschland auf eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur angewiesen. Langfristige Beeinträchtigungen des Transportwesens würden nicht nur verheerende wirtschaftliche Schäden hervorrufen, sondern auch die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern gefährden.

Fakt: Die Gesamtlänge des deutschen Autobahnnetzes beträgt 13.192 Kilometer.[14]

10 - Wasser

Sauberes Wasser gehört zu den wichtigsten Lebensmitteln. Eine unzureichende Versorgung mit Trinkwasser könnte in kürzester Zeit Krankheiten hervorrufen, die Lebensversorgung gefährden, Produktionsprozesse lahmlegen und das Gesundheitswesen beeinträchtigen.

Fakt: Der durchschnittliche Trinkwasserverbrauch liegt in Deutschland bei 127 Litern pro Tag.[15]

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Wie steht es um den Schutz kritischer Infrastrukturen?

Mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gibt es zwei staatliche Behörden, die sich hierzulande um die Sicherheit kritischer Infrastruktur kümmern. Beide Institutionen sind dem Bundesinnenministerium untergeordnet. Bereits im Jahr 2009 wurde eine Nationale Strategie zum Schutz kritischer Infrastrukturen ins Leben gerufen. Im Fokus dieser Strategie steht die Prävention, sie umfasst jedoch auch zahlreiche Reaktionsmöglichkeiten für den Fall des Falles. Zusätzlich existiert seit dem Jahr 2021 ein neues IT-Sicherheitsgesetz.[16]

Im Zuge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine wird der Schutz kritischer Infrastrukturen aktuell weiter verstärkt. Es soll eine engere Verzahnung der verschiedenen Ministerien erfolgen. Zudem sollen noch in diesem Jahr Eckpunkte für ein neues Dachgesetz zum Schutz kritischer Infrastrukturen vorliegen, die festschreiben, wie sich Betreiber besser schützen und wann sie einen Vorfall melden müssen.

Neben Regierungen, Gesetzgebern und Verwaltungen in Bund, Ländern und Kommunen ist auch der private Sektor gefordert und bereits aktiv: Unternehmen überprüfen z.B. ihre IT-Sicherheit, die Stabilität ihrer Lieferketten und erstellen Notfallpläne und führen Übungen dazu durch.

Die gegenwärtige Multikrise – Angriff Russlands auf die Ukraine, COVID-Pandemie, Rezession, Klimawandel – fordert also die gesamte Gesellschaft in ihrem Zusammenwirken besonders heraus. Da sich die Krisenlage auf absehbare Zeit nicht einfach entspannen wird, werden tägliche Routinen aber auch die Zukunftspläne von Bürgerinnen und Bürgern ebenso wie der Wirtschaft künftig einen erheblichen Ressourceneinsatz zur Stabilisierung und Prüfung von Abläufen und für Notfallübungen erfordern. Das gilt auch mit Blick auf die erheblichen Investitionen in die Bundeswehr.

Was braucht es in der Zukunft? Resilienz.

Für die Zukunft lautet das Zauberwort Resilienz, denn nicht alles wird sich zu jeder Zeit und an jedem Ort schützen lassen. Resilienz bezeichnet dabei die Fähigkeit eines Systems, nach störenden Ereignissen seine Funktionsfähigkeit zu erhalten und in den Ausgangszustand zurückzukehren. Heißt: Auch wenn es zukünftig zu gezielten Angriffen oder zu Schäden durch unvorhergesehene Naturkatastrophen kommen sollte, muss unsere Infrastruktur und unsere Gesellschaft funktionsfähig bleiben.

Ein Beispiel: Microgrids können in Zukunft dabei helfen, die Resilienz der Energieversorgung zu erhöhen. Hierbei handelt es sich um kleine autarke Energienetze, die Strom dezentral herstellen können. Auf diese Weise können Microgrids autonom vom Stromnetz agieren und dadurch kritische Infrastrukturen wie beispielsweise Krankenhäuser am Laufen halten.

Deutschland und Europa werden erhebliche Mittel in den Aufbau und die Verbesserung ihrer Resilienz investieren müssen. Geld allein aber reicht nicht: Die Menschen insgesamt müssen diese Aufgabe ernst nehmen und sie annehmen. Dann funktionieren Gesellschaften auch bei Angriffen auf die kritischen Infrastrukturen und kommen schnell und gezielt wieder in stabile Gleichgewichte. Dass gerade liberale Gesellschaften, die ihre Freiheit bewahren oder wiedergewinnen wollen, hier sehr leistungsfähig, innovativ, diszipliniert und entschlossen sein können, hat die COVID-Pandemie gezeigt und beweisen derzeit die Menschen in der Ukraine sehr eindrucksvoll.

[1] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/kritische-infrastruktur-wissing-richtet-stabsstelle-fuer-infrastruktur-sicherheit-ein/28750794.html

[2] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/nancy-faeser-kuendigt-besseren-schutz-von-kritischer-infrastruktur-an-a-3e604de3-9bc5-452a-b008-0eb42563192f

[3] https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr/kanzleramt-china-hamburg-hafen-101.html

[4] https://www.bsi.bund.de/DE/Themen/KRITIS-und-regulierte-Unternehmen/Kritische-Infrastrukturen/Allgemeine-Infos-zu-KRITIS/allgemeine-infos-zu-kritis_node.html

[5] https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/KRITIS/kritis-sektoren-brancheneinteilung.pdf?__blob=publicationFile&v=3

[6] https://www.horizont.net/medien/nachrichten/Umfrage-der-B4P-Trends-Fake-News-gefaehrden-Demokratie-167271

[7] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/12/PD21_584_321.html

[8] https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Oeffentlicher-Dienst/Tabellen/beschaeftigungsbereiche.html;jsessionid=595F3BC2600059C74B922A6614ACD91C.live722

[9] https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/data;jsessionid=DD16A86237EDE447CF6DC780A6901104.tomcat_GO_1_2?operation=abruftabelleBearbeiten&levelindex=2&levelid=1344245310525&auswahloperation=abruftabelleAuspraegungAuswaehlen&auswahlverzeichnis=ordnungsstruktur&auswahlziel=werteabruf&selectionname=46271-0001&auswahltext=%23SVERSK2-STRKLASSE0&nummer=4&variable=1&name=VERSK2&werteabruf=Werteabruf

[10] https://www.bdew.de/service/daten-und-grafiken/entwicklung-des-personenbezogenen-wassergebrauches/

[11] https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/20220928_SAIDI.html

[12] https://www-genesis.destatis.de/genesis/online

[13] https://www.bundesbank.de/resource/blob/804046/31e3c1532e3c3acfdaa4da83700bb6cc/mL/0-zahlungsverkehrs-und-wertpapierabwicklungsstatistiken-data.pdf

[14] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Krankenhaeuser/Publikationen/Downloads-Krankenhaeuser/grunddaten-krankenhaeuser-2120611207004.pdf?__blob=publicationFile

[15] https://www.bitkom.org/sites/main/files/2022-03/Bitkom-Charts%20Verbraucherumfrage%20Ukraine%2022%2003%202022.pdf

[16] https://www.bmi.bund.de/DE/themen/bevoelkerungsschutz/schutz-kritischer-infrastrukturen/schutz-kritischer-infrastrukturen-node.htm