Anschlagsserie
Sri Lankas Apokalypse
Es ist eine Bilanz des Grauens: Nach jüngsten Informationen aus Colombo kamen bei der Anschlagserie vom Ostersonntag 290 Menschen ums Leben, 500 Menschen wurden verletzt. Die Attentäter wählten die Angriffsziele mit mörderischem Kalkül: eine möglichst hohe Zahl von Menschen sollte in den Tod gerissen werden. Die furchtbare Rechnung ging auf.
Im Fadenkreuz standen zunächst drei christliche Kirchen in Colombo, Negombo und Batticaloa an der Ostküste der Insel.
Ostern ist das höchste Fest der Christenheit. Auch an diesem Ostersonntag drängten die Gläubigen in großen Zahlen in die ungeschützten Gotteshäuser. Augenzeugen berichten von apokalyptischen Szenen mit Dutzenden Toten und Verletzten.
Detonationen erschütterten bald danach drei Luxushotels in der sri-lankischen Hauptstadt. In einem Fall, so berichten Medien, mischte sich der mutmaßliche Selbstmordattentäter in die Warteschlange am Frühstücksbuffet. Dann zündete er die Bombe, die er an seinem Körper trug. Von Bedeutung ist der Hinweis der Hotelverwaltung, der mutmaßliche Attentäter sei sri-lankischer Nationalität. Der Tatort, das Cinnamon Grand Hotel, liegt nur wenige Gehminuten vom Sitz des Ministerpräsidenten entfernt und gegenüber der US-amerikanischen Botschaft. Man könnte es eine Hochsicherheitszone nennen; davon war an diesem Sonntag wenig zu sehen.
Am Vormittag des Sonntages kam es in Vororten von Colombo zu zwei weiteren tödlichen Zwischenfällen, als Sicherheitskräfte gegen Verdächtige vorgingen. In einem Fall soll eine Person sich selber in die Luft gesprengt haben.
Bis zur Stunde bleiben die Hintergründe der Anschläge und die Identität der Täter und ihrer Hintermänner unklar. Wenige Stunden nach den Angriffen sprach der stellvertretende Verteidigungsminister Ruwan Wijewardene von einem „terroristischen Vorfall“ und von „extremistischen Gruppen“, ohne diese näher zu beschreiben. Gleichzeitig kündigte der Regierungsvertreter eine nächtliche Ausgangssperre an. Inzwischen wurde bekannt, dass es im Zusammenhang mit den Angriffen zu 24 Festnahmen gekommen ist.
Spekulationen über internationale Hintergründe
Aufsehen löste ein Bericht der Nachrichtenagentur AFP aus. Demnach soll Sri Lankas Polizeipräsident vor knapp zwei Wochen von einem ausländischen Nachrichtendienst Hinweise auf einen bevorstehenden islamistischen Angriff auf Kirchen und die Botschaft Indiens erhalten haben. In diesem Zusammenhang sei die Organisation NTJ (National Thowheeth Jamaath) genannt worden. Diese lokale Gruppierung war im vergangenen Jahr durch Angriffe auf buddhistische Heiligtümer aufgefallen. Die Gruppe gilt als islamistische Organisation, der Verbindungen zu Al-Qaida nachgesagt werden. Auch über Verbindungen zum „Islamischen Staat“ spekulieren Kommentatoren und Sicherheitsexperten öffentlich. Einigkeit besteht unter Fachleuten, dass die hohe Zahl der Anschlagsziele und die Koordination der Angriffe eine Professionalität erkennen lassen, die auf eine internationale – mithin: außer-sri-lankische – Täterschaft hinweisen.
Der Terror am Ostersonntag hat unversehens auch eine innenpolitische Dimension erhalten. Vor dem Hintergrund des Hinweises des Polizeipräsidenten, dass es Vorwarnungen gegeben hatte, forderte Ministerpräsident Ranil Wickremesinghe Aufklärung: „Wir müssen untersuchen, wieso nicht die nötigen Vorkehrungen getroffen wurden“, sagte der Regierungschef. „Weder ich noch meine Minister sind informiert worden.“ Diesen Satz werten Kommentatoren als politische Breitseite gegen Staatspräsident Maithripala Sirisena, der in Personalunion das Amt des Verteidigungsministers bekleidet. Die Beziehungen zwischen dem Staatspräsidenten und dem Ministerpräsidenten, die unterschiedlichen Parteien angehören, befinden sich auf dem Tiefpunkt, seitdem Sirisena Ende letzten Jahres vergeblich versucht hatte, den Regierungschef auf verfassungsrechtlich höchst fragwürdige Weise aus dem Amt zu treiben.
Für Ende des Jahres sind Präsidentschaftswahlen geplant. Es ist davon auszugehen, dass die Terroranschläge vom Ostersonntag die bestehenden innenpolitischen Fronten weiter verhärten werden. Sri Lanka stehen schwere Zeiten bevor.
Dr. Ronald Meinardus leitet das Regionalbüro Südasien der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Neu Delhi.