Wirtschaft
Großes Potential, große Aufgaben – Wie sehen Führungskräfte den Standort Deutschland

Führungskräfte, Kolleginnen und Kollegen im Gespräch
© picture alliance / imageBROKER | Unai HuiziDeutschland steht wirtschaftlich unter Druck. In den langen Jahren des Aufschwungs nach der Finanzkrise von 2008 haben sich strukturelle Probleme angesammelt, die sich bemerkbar machen. Ergänzend zu volkswirtschaftlichen Analysen haben der Deutsche Führungskräfteverband ULA, die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und der Bundesverband Deutscher Volks- und Betriebswirte eine Umfrage zur wirtschaftlichen Lage unter Führungskräften durchgeführt. Führungskräfte sind laut Arbeitsvertrag Angestellte, also Arbeitnehmer, und in ihrer Funktion häufig Vorgesetzte. Sie können in einer Person mehrere Perspektiven einnehmen, was sie zum idealen Brückenbauer und auch Antreiber im Unternehmen macht. Auf sie wird es entscheidend ankommen, wenn Deutschlands Wirtschaft wieder anspringen soll.
„Die Politik sollte sich weniger in unternehmerische Entscheidungen einmischen und stattdessen stabile Rahmenbedingungen schaffen, die unternehmerisches Handeln fördern. Weniger Detailsteuerung, mehr Vertrauen in Markt und Menschen – das ist der Schlüssel für neuen wirtschaftlichen Aufbruch.“
Das fast gegen Null tendierende Wachstum der deutschen Wirtschaft in den letzten drei Jahren, die gleichzeitig stärker werdende Konkurrenz in Asien und in weiteren Regionen der Welt sowie die zunehmende Unberechenbarkeit der Vereinigten Staaten von Amerika als ehemals engster Verbündeter hat auch bei dem Blick der Führungskräfte auf den heimischen Standort deutliche Spuren hinterlassen. Sie blicken skeptisch auf die Standortbedingungen und auf die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung:
- Nur 1,2 Prozent der befragten Führungskräfte halten einen kräftigen Aufschwung in den kommenden Jahren für sehr wahrscheinlich.
- Rund 77 Prozent glauben nicht daran, dass sich der Fachkräftemangel in den nächsten vier Jahren spürbar entschärfen lässt.
- Ebenso skeptisch zeigt sich die Mehrheit bei möglichen Reformen des Sozialstaats – über 70 Prozent halten grundlegende Veränderungen für unwahrscheinlich.
- Ebenfalls rund 70 Prozent der Befragten empfinden die Wirtschaft in Deutschland derzeit als zu stark durch politische Vorgaben reguliert.
- 75 Prozent sprechen sich für eine Reform ineffizienter Sozialleistungen aus, mit dem Ziel, die Lohnnebenkosten zu senken und Unternehmen damit zu entlasten.
ULA-Präsident Roland Angst betont daher die Dringlichkeit klarer Rahmenbedingungen:
„Wenn drei Viertel der Führungskräfte Reformen bei ineffizienten Sozialleistungen fordern, ist das ein klarer Handlungsauftrag für diese Legislaturperiode – kein Fall für die nächste Arbeitsgruppe. Hohe Lohnnebenkosten bremsen Beschäftigung und Wachstum.“
Der Vorstandsvorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Prof. Karl-Heinz Paqué, ergänzt:
„Die Politik sollte sich weniger in unternehmerische Entscheidungen einmischen und stattdessen stabile Rahmenbedingungen schaffen, die unternehmerisches Handeln fördern. Weniger Detailsteuerung, mehr Vertrauen in Markt und Menschen – das ist der Schlüssel für neuen wirtschaftlichen Aufbruch.“
Auch wenn die Führungskräfte mit großer Sorge auf den Standort blicken, bewerten sie die Lage in ihren Unternehmen positiver:
- 35 Prozent bewerten ihr Unternehmen mit der Note „gut“, weitere 24 Prozent mit „befriedigend“.
- Rund 58 Prozent sehen ihr Unternehmen gut oder eher gut auf kommende Herausforderungen vorbereitet.
- Ebenso viele geben an, dass der Digitalisierungsgrad in ihrem Unternehmen gut oder eher gut sei.
- Künstliche Intelligenz ist bereits in knapp 54 Prozent der Unternehmen im Einsatz – vorwiegend zur Automatisierung kognitiver Routinearbeiten und zur Strukturierung von Arbeitsprozessen.
Die Umfrage zeigt deutlich: Führungskräfte sehen erhebliche Schwächen am Standort. Gleichzeitig nehmen Führungskräfte die Lage in ihren Unternehmen deutlich positiver wahr – sowohl im Hinblick auf den Status quo, als auch mit Blick auf die Zukunft. Diese Diskrepanz offenbart ein zentrales Dilemma: Die deutsche Wirtschaft lebt von leistungsfähigen Unternehmen – und einem Staat, der von vielen Führungskräften allerdings zunehmend als Bremsklotz wahrgenommen wird. Der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands braucht beides: unternehmerische Stärke und politische Entschlossenheit zur Erneuerung.
An der im Zeitraum vom 6. März bis 10. April 2025 durchgeführten Online-Umfrage beteiligten sich insgesamt 1.420 Führungskräfte.
Die Ergebnisse wurden zuerst am 05.06.2025 von Pioneer Media veröffentlicht.
Die vollständige Studie ist in Kürze online abrufbar.