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Eine Kolumne von Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué

Jahresgutachten 2025/26
Der Verschiebebahnhof

Mit dem Sondervermögen von 500 Mrd. Euro wollte die Regierung Merz ausschließlich zusätzliche Investitionen finanzieren. Das klappt überhaupt nicht.
Das Jahresgutachten 2025/2026 des Sachverständigenrates.

Das Jahresgutachten 2025/2026 des Sachverständigenrates.

© picture alliance / Flashpic | Jens Krick

Es hat fast schon den Charakter einer Satire. Als Bundeskanzler Friedrich Merz ein riesiges schuldenfinanziertes Sondervermögen für zehn Jahre zur Finanzierung von Investitionen auflegte, gab es viele Volkswirte – der Verfasser dieser Zeilen eingeschlossen – , die einen „Verschiebebahnhof“ prognostizierten. Regierungen in Bund, Ländern und Gemeinden, denen der Fonds offenstand, würden damit eigentlich längst geplante teure Maßnahmen aus dem Kernhaushalt auslagern und über den Fonds finanzieren. Damit würden massiv Mittel frei, um den Staatskonsum zumindest auf unverändert hohem Niveau zu belassen und dessen politisch mühsame und schmerzhafte Senkung zu vermeiden.

Genau dies kennt jeder, der – wie der Verfasser dieser Zeilen – einmal Finanzminister oder Stadtkämmerer war. Es entspricht der haushaltspolitischen Erfahrung und dem gesunden Menschenverstand. Nun hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) in seinem aktuellen Gutachten genau diese Frage empirisch untersucht. Seine Methodik war dabei denkbar einfach. Er prüfte, was in der Haushaltsplanung der Ampelregierung im Kernhaushalt an Investitionen schon geplant war und was davon jetzt bei der Merz-Regierung im schuldenfinanzierten Fonds auftaucht – und nicht mehr im Kernhaushalt. Ergebnis: etwa die Hälfte. Also tatsächlich ein gigantischer Verschiebebahnhof. Dabei ist die clevere SVR-Schätzung schon ihrer Methodik nach eher konservativ. Denn man kann sich leicht vorstellen, dass bei dem hohen Bedarf an Investitionen in die marode Infrastruktur in den künftigen Kernhaushalten ohne Fonds noch zusätzliche Ausgaben aufgetaucht wären, die schon jetzt vorausschauend als „zusätzlich“ in den Fonds hineingeschoben wurden.

Tatsächlich wird beim Staatskonsum im Kernhaushalt überhaupt nicht gespart: Für 2026 stehen dafür zusätzliche 4,9 Mrd. Euro zur Verfügung. Darüber hinaus kritisiert der Sachverständigenrat zu Recht, dass große Teile der investitiven Mittel – nach ihren Zwecken zu urteilen – nur wenig oder keine Wachstumswirkung erzielen werden.

Kurzum: Der Sonderfonds ist nicht viel mehr als ein Bluff. Der SVR empfiehlt deshalb, klare Regeln und ein strenges Monitoring der Mittelverwendung einzuführen. Aber wird das wirklich helfen bei der blühenden Fantasie der Praktiker in Buchung und Bilanzierung? Wohl kaum.