Bildungspolitik
Liberale Bildungspolitik – Eltern an die Macht oder ureigene Aufgabe des Staates?
Bildung gewinnt an Stärke, wenn Freiheit und Verantwortung wachsen. Die Ergebnisse der aktuellen Befragung zeigen klare Unterstützung für verlässliche Schulen, individuelle Förderung und einen klugen, befähigenden Staat.
Bildung braucht Vertrauen – und den Mut zur Eigenverantwortung
In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit wurde im September 2025 gefragt, wie die Menschen in Deutschland über zentrale Fragen der Bildungspolitik denken. Das Ergebnis zeigt deutlich: Die Befragten wünschen sich mehr Freiheit und Eigenverantwortung für die Schulen sowie gezielte Investitionen in Qualität statt in immer mehr Bürokratie. Die Befragten zeigen dabei ein inhaltlich konsistentes Bild: Sie wünschen sich ein Bildungssystem, das stärker auf individuelle Chancen und gesellschaftliche Verantwortung setzt – und weniger auf Regulierung und Symbolpolitik. Gut funktionierende und gut ausgestattete staatliche Institutionen, wie die Schule, bleiben die unverzichtbare Basis, um Freiheit überhaupt erst wirksam werden zu lassen. Ein liberales Staatsverständnis begreift staatliches Handeln nicht als Ersatz für individuelle Verantwortung, sondern als Ermöglicher individueller Chancen. Dies gilt gerade in der Bildung, die eine Kernaufgabe einer offenen Gesellschaft ist.
Verlässliche Bildung: Unterstützung für den Ganztag
Eine deutliche Mehrheit (57 %) spricht sich für verpflichtenden Ganztagsunterricht an mehreren Tagen pro Woche in der Grundschule aus. Dieses Votum spiegelt das Bedürfnis nach verlässlicher Betreuung und besserer Förderung wider. Insgesamt darf dies als Ausdruck eines breiten Vertrauens in die Leistungs- und Entwicklungsfähigkeit unseres Bildungssystems verstanden werden.
Der gebundene Ganztag wird gesamtgesellschaftlich mehrheitlich nicht als Zwang, sondern als Chance gesehen: für individuelle Förderung, für Integration, für bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Eltern wollen sicher sein, dass ihre Kinder pädagogisch und organisatorisch gut aufgehoben sind. Deshalb darf die etwas geringere Zustimmung zum sogenannten gebundenen Ganztag (nur 43 %) als Hinweis verstanden werden, dass die grundsätzliche Idee unterstützt wird, in der konkreten Ausgestaltung aber noch Herausforderungen bestehen.
Damit richtet sich der Blick aber auf die Qualität und konkrete Ausgestaltung des Angebots. Ganztag darf nicht nur Betreuung im Sinne einer einfachen Beaufsichtigung sein. Vielmehr muss sie Bildungsanreize setzen. Diese Bildungsanreize können und sollten bestenfalls vielfältig sein - Ob im musischen, sportlichen, handwerklichen oder sozialen Bereich. Überall gilt es, unterschiedliche Talente der Schülerinnen und Schüler zu fördern. Wichtig ist, dass es ein möglichst breites und verlässliches Kooperationsnetzwerk für die Schulen gibt. Das ist ein klarer Auftrag an die Bildungspolitiker in den Ländern und Kommunen, pädagogische Ganztagskonzepte zu stärken und Schulen die Freiheit in ihrer Umsetzung zu geben. Für die Politik insgesamt besteht die Aufgabe darin, den gesetzlichen Ganztagsanspruch im Jahre 2026/27 auch tatsächlich zu realisieren. Denn ein Rechtsanspruch, der letztlich doch nicht eingelöst werden kann, schafft Misstrauen in die staatliche Handlungsfähigkeit. Das zeigte sich bereits in den letzten Jahren beim Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem ersten Geburtstag, der allzu oft nicht erfüllt werden konnte.
Ganztagsmodelle sollten sich an den jeweiligen Bedürfnissen der Kinder zu gestalten. Die Schulen vor Ort können am besten entscheiden, welche Angebote im Ganztag gebraucht werden und sehen, welche gut angenommen werden. Sie wissen dadurch am besten, welches Profil sie entwickeln wollen. Dies kann die wichtigen Themen Gewaltprävention, Sprachkompetenzen, aber auch motorische und emotionale Fähigkeiten umfassen – je nach Bedarf an der jeweiligen Schule. Durch Angebotsvielfalt und positiv-inspirierenden Wettbewerb der Schulen untereinander, um das am besten passende Modell kann der gebundene Ganztag zu einem Erfolg werden.
Schule als Gemeinschaft verstehen - klare Ablehnung des Heimunterrichts
Noch deutlicher im Ergebnis als bei der vorherigen Frage fällt die Ablehnung des häuslichen Unterrichts durch Eltern („Homeschooling“) aus. Knapp drei Viertel (74%) der Befragten wollen keine privaten Bildungsinseln im heimischen Wohnzimmer, auch wenn die verpflichtenden Lerninhalte und Abschlussprüfungen formal gleichblieben. Diese Haltung zeigt, wie stark das Vertrauen in Schule auch als Ort der sozialen Bildung ist. Womöglich spielen auch die (Überforderungs-)Erfahrungen der Corona-Zeit eine Rolle, als klar wurde, dass der Heim-Unterricht leichter gesagt als getan ist und es für gute Bildung auch ausgebildete Pädagogen braucht. Unter (Schul-) Bildung wird mehr als nur reine Wissensvermittlung verstanden – sie ist ein Raum für Demokratieerfahrung, soziale Interaktion, für Pluralität und für Gemeinschaft.
Ein Rückzug aus Gesellschaft kann heute sehr schnell in Radikalität umschlagen. Dieses Ergebnis erinnert deshalb daran, dass Schule und gemeinsame Sozialisation eine wichtige Keimzelle der Freiheit, Bildung und gesellschaftlicher Verantwortung ist.
Mehr Eigenverantwortung für Schulen
Die vorherigen Ergebnisse haben gezeigt, dass Schulen ein hohes Vertrauen entgegengebracht wird und sie als zentrale Institutionen für die Jüngsten in unserer Gesellschaft gesehen werden. Umso wichtiger ist es, dass Schulen die am besten ausgestatteten Institutionen unseres Landes sind. Frei nach dem Motto: Schulranzen verändern die Welt - nicht Aktenkoffer. Zwei Drittel der Befragten (65%) wünschen sich dafür, dass Schulen eigenständig entscheiden können, wie sie ihre finanziellen Mittel einsetzen – sei es für Personal, Ausstattung oder zusätzliche Angebote.
Menschen vor Ort wissen meist besser, was funktioniert, als zentral-organisierte Behörden. Bildungspolitik sollte den Lehrkräften, Schulleitungen und Sozialarbeitenden das Vertrauen schenken, Verantwortung zu übernehmen – flankiert durch klare Qualitätsstandards.
Die Debatte um eine stärkere Schulautonomie sollte unbedingt geführt werden. Gerade vor dem Hintergrund des Startchancen-Programms wird es interessant zu sehen sein, wie die Schulen mit ihren Budgets Verbesserungen vor Ort herbeiführen können. Im Sinne einer liberalen Bildungspolitik wäre eine größere Schulautonomie jedenfalls sehr zu begrüßen.
Investitionen in Chancen statt in Zahlungen
Schließlich zeigt sich ein deutliches Prioritätenverständnis: Wenn es um Chancengerechtigkeit geht, wollen die meisten Bürgerinnen und Bürger lieber Investitionen in Bildungsangebote – etwa in Kitas, Nachhilfe oder Ganztagsförderung – als höhere Geldleistungen an Familien. Das ist eine klare Absage an bloße Umverteilung und ein Bekenntnis zu einer Politik, die unsere Jüngsten befähigt. Bildung soll in erster Linie nicht kompensieren, sondern ermöglichen. Und auch aus liberaler Sicht darf der Bildungserfolg der Kinder nicht vom Elternhaus abhängen. Liberale Bildungspolitik unterstützt daher den Ansatz, durch Investitionen in allgemein zugängliche Bildungsangebote. So wird jedem Kind ermöglicht, gefördert und gefordert zu werden. Als internationales Leuchtturmprojekt kann dafür die Bibliothek Oodi in Helsinki dienen.
Ein liberales Mandat der Vernunft
Die Ergebnisse der Civey-Befragung zeichnen ein konsistentes Bild. Der Mehrheit der Menschen in Deutschland sind Freiheit, Eigenverantwortung, Chancengerechtigkeit und Verlässlichkeit in der Bildungspolitik wichtig.
Wer gute Bildungspolitik gestalten will, sollte diese Haltung berücksichtigen. Es geht nicht um mehr oder weniger Staat, sondern um klügeren Staat: einen, der befähigt statt bevormundet, der Vertrauen schenkt statt immer mehr Kontrolle und unrealistische Standards zu setzen. Denn die staatliche Einrichtung Schule wird der gänzlichen Individualisierung des Lernens und damit dem weiter voranschreitenden Rückzug in die eigenen Resonanzräume vorgezogen. Gleichwohl braucht es neue Justierungen in der Bildungspolitik und vor allem mehr Vertrauen in und Verantwortung für die Praktiker in den Bildungseinrichtungen.
Die Schule bleibt der zentrale Bildungsort Nummer eins. Die Menschen sprechen sich klar dagegen aus, Lernen vollständig ins Private zu verlagern – gewünscht ist vielmehr ein starkes, gemeinschaftliches Bildungserlebnis, in dem individuelle Förderung nach Fähigkeiten und Neigungen im Vordergrund steht.