Selbstständigkeit
Warum Diaspora-Bonds ein Hebel für die eigenständige Entwicklung in Afrika sein können
Westafrikanische CFA-Franc-Scheine.
© ShutterstockLänder wie die Elfenbeinküste oder der Senegal setzen auf Diaspora Bonds, um die heimische Wirtschaft auszubauen. Das Vertrauen der eigenen Landsleute spielt eine wichtige Rolle. Doch damit diese Instrumente wirklich funktionieren, braucht es mehr.
Angesichts der anhaltenden Herausforderungen im Zugang zu klassischen Finanzierungsmitteln und dem Druck auf öffentliche Haushalte setzen afrikanische Staaten zunehmend auf innovative Finanzierungsinstrumente. Ein vielversprechender Ansatz sind sogenannte Diaspora Bonds – Anleihen, die sich an im Ausland lebende Staatsangehörige richten. Sie können mit der richtigen politischen und technischen Begleitung die Entwicklung afrikanischer Wirtschaften in Eigenregie fördern.
Die Geldtransfers der afrikanischen Diaspora beliefen sich im Jahr 2024 auf über 100 Milliarden US-Dollar – ein Betrag, der die internationale Entwicklungshilfe deutlich übersteigt. Der Großteil dieser Mittel fließt jedoch in kurzfristigen Konsum, wodurch das langfristige Entwicklungspotenzial ungenutzt bleibt. Diaspora Bonds bieten die Möglichkeit, diese Gelder in strukturwirksame Investitionen umzulenken, zum Beispiel in Infrastruktur, Bildung oder unternehmerische Aktivitäten.
Internationale Erfolgsbeispiele aus Israel, Indien, Nigeria oder Äthiopien zeigen, dass Diaspora Bonds ein effektives Mittel zur Mobilisierung von Kapital sein können – vorausgesetzt, sie werden transparent, effizient und unter vertrauenswürdigen Rahmenbedingungen gestaltet.
Diaspora Bonds gehören zu den Instrumentarien, die man durchaus als Hilfe zur Selbsthilfe bezeichnen kann. Ein in Afrika zunehmend gefragtes Modell, um die Wettbewerbsfähigkeit der wirtschaftlichen Standorte zu stärken und sich aus den Fängen des internationalen Entwicklungshilfe-Korsetts zu befreien. Sie appellieren an die enge emotionale Bindung der Diaspora-Afrikaner und zeigen in Ländern wie Nigeria bereits beachtliche Erfolge. Die vor allem in den USA und in Großbritannien unternehmerisch erfolgreichen nigerianischen Unternehmer überweisen im Schnitt 10.000 US-Dollar pro Jahr in ihr Ursprungsland.
In anderen Ländern wie Senegal liegen die Werte (noch) drunter, im Schnitt bei 1.300 US-Dollar, stellen aber jetzt schon zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts da. Die vor zwei Jahren ins Amt gewählte senegalesische Regierung, die einen klar panafrikanischen Kurs fährt, appellierte zuletzt verstärkt an ihre Diaspora, sich solidarisch zu zeigen, und dem Land wirtschaftlich unter die Arme zu greifen. In der Elfenbeinküste wirbt der Staat über eine eigene Plattform für die Attraktivität der Diaspora Bonds und bietet dabei eine breite Palette an Investitionsmöglichkeiten, die von Tourismus über Agroindustrie bis Sport und Bildung geht.
Ein wichtiger Faktor spielt dabei auch das Entschuldungsthema: Diaspora Bonds bieten für hochverschuldete Länder mit eingeschränkter internationaler Kreditwürdigkeit eine interessante Möglichkeit, Devisen zu mobilisieren. Da diese Anleihen in der Regel in Fremdwährung gezeichnet werden, stellen sie eine vergleichsweise kostengünstige Quelle von Devisen dar. Gleichzeitig erfolgt die Rückzahlung häufig in lokaler Währung, was die Währungsreserven schont und die Kapitalbindung im Inland fördert – denn ein großer Teil der Rückflüsse wird vor Ort reinvestiert. Auf diese Weise profitieren die Länder doppelt: Sie sichern sich finanzielle Mittel zur Entwicklung und verhindern zugleich, dass renditestarke Anleihen in die Hände externer Akteure gelangen, die primär an finanziellen Gewinnen und nicht an nachhaltiger Entwicklung interessiert sind.
Alexandra von Schumann-Heldt ist seit 2023 Regionalleiterin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Westafrika. Zuvor leitete sie viele Jahre den Tönissteiner Kreis e. V., ein internationales Netzwerk für Entscheidungsträger.
© Friedrich Naumann StiftungBei einem Forum der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit im September in Abidjan haben sich zusammen mit Experten sechs Empfehlungen herauskristallisiert:
1. Diaspora kartieren: Staaten sollten systematisch Informationen über ihre Diaspora erfassen, u. a. nach geografischer Lage, Berufsfeldern, Investitionsinteressen und verfügbaren Mitteln.
2. Rahmenbedingungen schaffen: Die Einführung von Diaspora Bonds erfordert angepasste Gesetzgebungen, die sowohl Emittenten als auch Investoren schützen.
3. Vertrauen aufbauen: Der Start mit kleinen, symbolträchtigen Projekten (z. B. im Bildungs- oder Gesundheitsbereich) kann helfen, Vertrauen zu schaffen.
4. Digitale Plattformen einbinden: Die Nutzung moderner Fintech-Lösungen kann die Verwaltung und Zeichnung von Diaspora Bonds vereinfachen und beschleunigen.
5. An Vereine andocken: Diaspora-Vereinigungen können als Vermittler und Multiplikatoren wirken.
6. Politische Kommunikation stärken: Regierungen sollten gezielt das Gespräch mit ihrer Diaspora suchen und deren Beitrag öffentlich wertschätzen.
Diaspora Bonds stellen kein Allheilmittel dar, aber sie können mit ihrem Ansatz des eigenverantwortlichen und liberalen Investmentvorgehens inkl. Gewinnausschüttung eine zunehmend attraktive Finanzierungsquelle sein und, neben Entwicklungshilfe und Auslandsinvestitionen einen wichtigen Beitrag zur autonomen Entwicklung Afrikas leisten. Die Idee ist nicht neu, sie bekommt im heutigen Kontext allerdings eine neue Attraktivität.
Entscheidend ist, dass die Rahmenbedingungen stimmen: Vertrauen, Transparenz, politische Stabilität und innovative Finanzprodukte sind die Eckpfeiler dieses Instruments. Die Diaspora ist bereit, sich zu engagieren – nun sind Politik, Finanzakteure und Zivilgesellschaft gefragt, diesen Impuls wirksam umzusetzen.
Dieser Artikel wurde ursprünglich am 7. November 2025 auf Table.Media veröffentlicht.