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Freiheit in Mitgliedsstaaten
Europa muss seine Werte verteidigen

Die Europäische Union erlebt einen neuen Riss zwischen West und Ost: In Ungarn und Polen wird die Unabhängigkeit von Presse und Justiz immer weiter ausgehöhlt. Lesben, Schwule und Transgender sowie ethnische Minderheiten sind zum Teil Repressalien ausgesetzt, während Frauen in Polen derzeit erneut für ihr Recht auf Selbstbestimmung auf die Straße gehen. Für zahlreiche Europäer ist es allerhöchste Zeit, mit effektiven Mitteln auf die Bedrohung der Demokratie in den beiden Mitgliedstaaten zu reagieren: Europa müsse endlich seine Werte verteidigen. 

EU-Grundwerte wirksam verteidigen

Seit Jahren laufen mittlerweile Verfahren gegen Polen und Ungarn wegen Verstößen gegen die Grundwerte der EU. Die eingeleiteten Rechtsstaatsverfahren haben jedoch weder die ungarische noch die polnische Regierung zum Einlenken bewegt. Die Bürgerinnen und Bürger eines virtuellen Bürgerforums der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit diskutierten daher, welche Maßnahmen größere Wirksamkeit entfalten könnten, um gegenüber einzelnen Mitgliedsstaaten für die Werte der liberalen Demokratie einzutreten. 

Die EU dürfe nicht länger tolerieren, dass die Bürgerrechte in der EU unterschiedlich behandelt werden: "Die Rechte von Minderheiten sind in allen Mitgliedsstaaten zu schützen", so der Tenor der Diskussion. Insbesondere kritisierten die Bürger, dass Regierungen, die im Konflikt mit der EU stehen, sich gegenseitig schützen könnten. Sie forderten das Ende der Einstimmungerfordernis unter der Staats-und Regieurngschef, um eine Verletzung der EU-Werte festzustellen.

Rechtsstaatlichkeit stärker an EU-Strukturhilfen knüpfen

Eine weitere Idee der Diskussionsteilnehmer, die der EU endlich zu mehr Durchsetzungskraft verhelfen soll, ist die Rechtsstaatlichkeit stärker an die europäischen Strukturhilfen und andere Zahlungen aus der EU zu knüpfen. Die Teilnehmer begrüßten daher die Einbehaltung der Corona-Wiederaufbauhilfe an Polen, bis die polnische Regierung die Unabhägngigkeit seiner Justiz wiederhergestellt habe. Auch die Ende Oktober wegen der umstrittenen Justizreform gegen Polen durch den Europäischen Gerichtshof verhängten Bußgelder werteten die Teilnehmer als positives Zeichen. Allerdings wurde kritisiert, dass derartige Sanktionen auch für populistische Zwecke missbraucht werden können, um die dortige Bevölkerung gegen die EU aufzubringen. Diese Gefahr bestehe umso mehr in Mitgliedstaaten, in denen die Pressefreiheit nicht (mehr) garantiert sei.

Stärkung von europäischem Parlament und Kommission

Ein weiteres wichtiges Anliegen war den Bürgerdialog-Teilnehmern die Stärkung von Parlament und Kommission im Vergleich zum Europäischen Rat. Diskutiert wurden insbsondere das Initiativrechts des Parlaments und eine verkleinerte Kommission. Beides könnten wirksame Hebel sein, um die Handlungsfähigkeit der EU nach innen und nach außen zu verbessern und die Transparenz der europäischen Verantwortlichkeit zu erhöhen. Ebenso relevant erschien den Publikumsteilnehmern die Einstimmigkeitserfordernisse im EU-Ministerrat: Eine qualifizierte Mehrheit könnte indes schnellere Entscheidungen herbeiführen.

Die Bürgerdialoge werden auf EU-Ebene als Meilenstein gesehen, um dem europäischen Reformprozess neuen Schwung zu verleihen. Der Abschluss der mehrmonatigen Konferenz ist für das Frühjahr 2022 unter französischer EU-Ratspräsidentschaft geplant. Ihre Ergebnisse sollen in die Plenarversammlungen der Konferenz einfließen und Orientierung für die Zukunft Europas geben.