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50 Jahre BF
Ein Interview mit Christoph Heuermann, einem Globetrotter, der die Welt bereiste und ein erfolgreiches Business aufbaute

Christoph Heuermann

Christoph Heuermann

© Christoph Heuermann

In einer Welt, die von nationalen Grenzen geprägt ist, lebt Christoph Heuermann, 32, grenzenlos. Als Begründer von Staatenlos.ch, einem digitalen Millionenunternehmen, hat Heuermann nach seinem Studium den konventionellen Lebensweg verlassen, um jeden einzelnen Staat der Welt zu bereisen. Aus diesem avancierten Lebensstil hat er nicht nur ein Business aufgebaut, sondern auch eine Community mit mehr als 30.000 Anhängern. Jenny Joy Schumann, Journalistin und aktive Stipendiatin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF), traf sich am 19.04.2023 mit ihm, kurz nachdem er sein eindrucksvolles Reiseziel erreicht hatte.

S: Guten Tag, Herr Heuermann. Es ist mir eine Freude, Sie heute hier zu haben. Als der Kopf hinter Staatenlos.ch haben Sie vielen Menschen geholfen, sich von nationalen Bindungen zu lösen. Könnten Sie uns einen Einblick geben, was genau es bedeutet, staatenlos zu sein und wie sich das auf das tägliche Leben auswirkt?

H: Ich habe Staatenlos.ch 2015 gegründet - direkt nach dem Ende meines Studiums. Staatenlos.ch ist eine Plattform, die Leuten hilft, freier und wohlhabender zu werden. Das heißt, wir sind so etwas wie ein Family Office für Leute, die sich kein Family Office leisten können. Wir bieten genau diese Themen an: Auswandern, Steuern optimieren, aber auch andere Sachen wie Investments, Staatsbürgerschaften und Versicherungen für Selbstständige und Unternehmer aus Deutschland und der Welt.

S: Sie haben die Idee zu Staatenlos während oder kurz nach Ihrem Studium entwickelt. Was hat Sie dazu bewogen, diesen einzigartigen Weg zu beschreiten?

H: Ja, das Studium hat das Ganze schon beeinflusst, war aber nicht ausschlaggebend. Es waren eher die Erfahrungen, die ich während des Studiums gesammelt habe. Einerseits außeruniversitär, in verschiedenen Hochschulgruppen. Ich war damals als Stipendiat der Friedrich-Naumann-Stiftung aktiv und habe mich auch im liberalen und libertären Bereich in Deutschland stark engagiert, in verschiedenen Hochschulgruppen und Initiativen. Ich habe Staats- und Verwaltungswissenschaften studiert, wollte aber kein Beamter werden, sondern eher aus dem klassisch liberalen Bereich heraus selbständig tätig sein. Ich habe dann natürlich etwas gesucht, was mich einerseits von den Themen her gereizt hat und andererseits ein eigenes Business begründen könnte. Und so ist das quasi entstanden. Ich hatte schon das Ziel, das Ganze zu machen, als ich noch studiert habe. Ich habe dann auch in den letzten beiden Semestern stark darauf hingearbeitet, mich intensiv mit den Themen auseinanderzusetzen, die man im Studium normalerweise nicht lernt.

S: Was waren je ihre eindrücklichsten guten bzw. schlechten Erfahrungen?

H: Ich habe noch nie wirklich ganz schlechte Erfahrungen gemacht, wie Gewalt oder Raubüberfälle. Aber ich hatte schon einige spannende Erfahrungen in bestimmten Ländern. Ich wurde mal mehrere Tage im Sudan als Geisel gehalten, mitten in der Wüste. Das war letzten Endes weniger dramatisch, als es aussah. Solche Erfahrungen stärken natürlich. Ich war auch zwei Monate vor dem Einmarsch der Taliban in Afghanistan dort. Mir persönlich macht es Spaß, in diese Länder zu reisen. Mittlerweile habe ich auch alle Länder der Welt besucht, erst letzte Woche habe ich das abgeschlossen.

S: Manche Kritiker argumentieren, dass ein nomadisches Leben wie Ihres die Menschen aus ihren kulturellen und sozialen Netzwerken reißt, sie atomisiert und letztendlich wertmäßig aushöhlt. Was halten Sie von dieser Sichtweise?

H: Meine sozialen Kontakte haben sich tatsächlich nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ verbessert, verglichen mit meiner Studienzeit. Aufgrund der vielen Reisen trifft man viele interessante Menschen, die einen ähnlichen Lebensstil leben, mit denen man dann auch relativ viel Zeit verbringen kann - nur eben an wechselnden Orten. Mit einigen engeren Freunden war ich schon in 25 Ländern.

S: Es rekonstituiert sich also ein soziales Gefüge der Staatenlosen, analog zu einer staatlich gebundenen lokalen Gesellschaft?

H: Definitiv. Es gibt entsprechende Communities und wir sind stark gewachsen. Einige kulturelle Aspekte funktionieren vielleicht nicht mit Leuten, die dauerhaft unterwegs sind, aber ich glaube, es wird letztlich nicht dazu kommen, weil 90-95% der Menschen einen festen Wohnsitz haben wollen.

S: Wie Sie wissen, wird die Begabtenförderung der FNF dieses Jahr 50 Jahre alt. Welchen Einfluss hatte die Stiftung auf Ihre berufliche Laufbahn und auf Ihr Privatleben?

H: Die Stiftung hat mir stark geholfen, mich in der liberalen Welt zurechtzufinden und viele Themen noch mal auszudiskutieren und auf den Prüfstand zu stellen. Mir haben vor allem die Seminare an der Theodor-Heuss Akademie in Gummersbach geholfen. Sicherlich auch das Stipendium. Ich habe damals das Büchergeld in Höhe von 300 Euro erhalten. Das hat mir damals schon geholfen, ein bisschen zu reisen und mich an dem zu orientieren, was ich später beruflich vorhatte.

S: Würden Sie das Stipendium auch anderen Menschen empfehlen und wenn ja, wem?

H: Ja, definitiv. Ich habe mich damals beworben und war nicht sicher, ob ich genommen werde. Glücklicherweise hat es geklappt und ich habe sehr viele Menschen kennengelernt. Mit einigen Stipendiaten stehe ich auch immer noch im Kontakt, teilweise bin ich sogar mit ihnen gereist. Ich kann es auf jeden Fall empfehlen.

S: Würden Sie sagen, dass Sie als Liberaler zur Friedrich-Naumann-Stiftung gekommen sind oder sind Sie durch die Stiftung liberaler geworden?

H: Ich war schon sozial-liberal eingestellt, als ich mit dem Studium angefangen habe. Wurde dann durch die “falschen” Bücher im ersten Uni-Semester in die Klassiker der politischen Theorie herangeführt. Ich habe ein bisschen was von Hayek gelesen, an der Uni präsentiert und bin so auf den klassischen Liberalismus gekommen. Danach bin ich auch auf die radikaleren Spielarten wie Anarchismus aufmerksam geworden. Das hat sich dann während der Studienzeit so ein bisschen gehalten. Ich fand es auch immer sehr interessant, dass sehr viele Leute mit sehr unterschiedlichen Ansichten in der Stiftung vertreten sind. Durchaus auch andere Leute, die ähnlich radikal sind wie ich, aber eben auch Leute, die einen sehr sozial-liberalen Ansatz verfolgen. Dadurch haben sich dann immer sehr spannende Diskussionen ergeben.

S: In der japanischen Philosophie gibt es das Konzept des Ikigai, des Lebens, das es wert ist, gelebt zu werden. Ein Ikigai wird begründet durch das, was man persönlich liebt, was man täglich gekonnt machen kann, was öffentlich gebraucht und gut bezahlt wird. Haben Sie Ihr Ikigai in Staatenlos gefunden oder sind Sie noch auf der Suche?

H: Das habe ich vor 8-10 Jahren gefunden, als das Ganze angefangen hat, da ich auch die starke Notwendigkeit für diese Arbeit sehe, die ich tue und da auch relativ wenig andere Leute da sind, die das in der Form ,wie ich es mache, anbieten können. Das würde ich schon als relativ einzigartig bezeichnen. Es ist auch meine Pflicht, das weiterzuführen und mich jetzt noch nicht auszuruhen, auch wenn ich jetzt vermögenstechnisch schon in den Ruhestand gehen könnte. Ich habe durchaus Lust, täglich Leute zu beraten und freier zu werden, Auch habe ich Lust auf viele weitere Projekte und mir dabei auch schon diverse Herzensträume erfüllt. So habe ich mir ein eigenes Boot gekauft, um um die Welt zu segeln, und ein Weingut in Argentinien, wo ich eigenen Wein produziere. Und es gibt noch viele weitere Projekte. Die meisten Leute verkürzen mich auf die "Staatenlos"-Geschichte, aber als Seriengründer habe ja diverse weitere Unternehmen in verschiedensten Bereichen, in denen ich investiert und involviert bin.

S: Vielen Dank für Ihre Zeit.

H: Sehr gerne.

 

Jenny Joy Schumann studiert Rechtswissenschaften (Staatsexamen) an der Universität Leipzig und ist seit Oktober 2020 FNF-Stipendiatin. Sie ist Teilnehmerin der Profi Class der Liberale Medienakademie (LMA).