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Wahlen in Spanien
Verzockt: Regierungsbildung in Spanien komplizierter als zuvor

Starke Rechtpopulisten werden dritte Kraft - liberale Partei Ciudadanos stürzt ab
Pedro Sanchez, Ministerpräsident von Spanien, hat sich verzockt.
Pedro Sanchez, Ministerpräsident von Spanien, hat sich verzockt. © picture alliance/Clara Margais/dpa

Premierminister Pedro Sánchez und seine sozialdemokratische PSOE (“Partido Socialista Obrero Español” - “Sozialistische spanische Arbeiterpartei"), sind bei den Parlamentswahlen am Sonntag erneut stärkste Kraft geworden, haben aber ihr eigentliches Wahlziel klar verfehlt: Stimmen hinzuzugewinnen, um eine stabile Regierung bilden zu können. Vielmehr verliert die PSOE drei Mandate und kommt nun auf 120 Sitze im Kongress. Für die absolute Mehrheit sind 176 Sitze erforderlich, aber auch mit Unterstützung der linkspopulistischen Partei Unidos Podemos (“Gemeinsam schaffen wir’s”) und der neuen Formation Más País (“Mehr Land”) kommt der linke Block nur auf 158 Sitze. Für eine progressive Regierungsmehrheit wäre Sánchez auf die Stimmen verschiedener katalanischer Parteien angewiesen, welche die Unabhängigkeit der autonomen Region anstreben und gestärkt aus dem 10N hervorgehen - es wäre politisches Harakiri.

Große Koalition als beste Option

Die beste Option für das Land wäre, eine große Koalition zwischen PSOE und der konservativen PP (“Partido Popular"- “Volkspartei”), die deutlich hinzugewinnen konnte und nun auf 88 Sitze (vormals 66) Mandate kommt. Doch der Anreiz für PP-Parteiführer Pablo Casado für eine solche Koalition ist gering, denn von rechts zieht seit geraumer Zeit ein Sturmtief auf, das durch eine GroKo weiter an Kraft gewinnen könnte. Innerhalb von nur 11 Monaten hat es die rechtspopulistische Partei VOX (Latein für “Stimme”) geschafft, von wenigen Sitzen in kleineren Stadträten zur drittstärksten Kraft im spanischen Kongress zu werden - sie profitiert insbesondere von dem Unmut über die katalanischen Separatisten in der spanischen Mehrheitsbevölkerung und die Unfähigkeit der politischen Klasse, ihre ideologischen Gräben zu überwinden, um Mehrheiten zu bilden. VOX kann seine Sitze im Kongress mehr als verdoppeln und kommt nun auf 52 Mandate (vormals 24).

Das Wahlergebnis in Spanien
Das Wahlergebnis in Spanien © Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Die großen Wahlverlierer sind die liberalen Ciudadanos (“Bürger”), die von 57 auf nur 10 Sitze abstürzen. Besonders bitter: Sie sind nur noch sechste Kraft im Parlament und werden dort sogar von der Unabhängigkeitspartei Esquerra Republicana de Catalunya (“Republikanische Linke Kataloniens”) überholt, die anders als Ciudadanos nur in Katalonien antritt. In ihrer katalanischen Heimat belegten die Liberalen nur noch den achten Platz hinter der Partido Popular und VOX – ein Schlag ins Gesicht für die junge Partei, die einst als Hoffnung auf eine neue, bis dato fehlende Kraft der Mitte beim Wähler reüssieren konnte. Die Spanier machen Parteiführer Albert Rivera mitverantwortlich für den Neuwahlreigen, weil dieser sich einer Koalition mit der PSOE verweigert hatte. Auch dürfte die Haltung im Katalonienkonflikt Stimmen gekostet haben. Hieran  zeigt sich wieder einmal: Wer radikale Parteien wie VOX durch einen vergleichbaren Diskurs abzuwehren versucht, stärkt im Zweifel das Original. Am Montag hat Albert Rivera nun seinen Rücktritt vom Parteivorsitz nach 13 Jahren an der Spitze von Ciudadanos bekanntgegeben. Er zieht damit die Konsequenzen aus dem Wahldebakel. Ein Sonderparteitag wird zügig über die neue Führungsmannschaft der liberalen Partei entscheiden - Favoritin ist Inés Arrimadas, Sprecherin des Fraktion im Kongress."

Belastungsprobe für die Demokratie

Der Druck auf die Politik ist nun enorm, zügig eine Regierung zu bilden - aber die Situation ist derart verfahren, dass Prognosen kaum möglich sind. Klar scheint nur: wer auf weitere Neuwahlen setzt, könnte VOX mittelfristig den Weg an die Macht ebnen. Es ist die vielleicht größte Belastungsprobe für die spanische Demokratie seit dem Ende der Franco-Diktatur, denn es stellt sich die Frage, ob die staatstragenden Parteien überhaupt noch in der Lage sind, den Wählerauftrag umzusetzen. Die kommenden Wochen werden es zeigen.