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Durch Innovation wird die Stadt zur Smart City: Erfolgsfaktor Beteiligung

Labore zum Wandel koreanischer Städte

Die Urbanisierung der Welt schreitet rasend voran: Man rechnet damit, dass bis 2030 weltweit mehr als 5 Milliarden Menschen in Städten leben werden. In dieser globalen Entwicklung legen Asien und Afrika das größte Tempo vor. Die gesellschaftlichen Folgen sind kaum absehbar und die völlig veränderten funktionalen Anforderungen an eine Stadt müssen so organisiert werden, dass die Bedürfnisse der Menschen möglichst weitgehend berücksichtigt werden: Luft, Wasser, Mobilität, Ausbildung, Freizeitwert, ein Altern in Würde u.v.m.: Es geht hier um grundsätzliche Lebens- und Überlebensfragen, und es geht auch darum, dass sich gleichzeitig Wirtschaft entwickeln können muss, damit diese zunächst unüberschaubare Menge an Menschen für sich und ihre Angehörigen sorgen kann. 

In Südkorea liegt der Urbanisierungsgrad bereits heute bei 82%, die Hauptstadt Seoul hat ca. 10 Millionen Einwohner, die Metropolenregion Seoul ca. 25 Millionen. Zweitgrößte Stadt ist Busan mit mehr als 3,5 Millionen Einwohnern. Die Gesamtbevölkerung des Landes von über 51 Millionen Menschen setzt sich aus ebenso vielen Individuen zusammen, die teilweise sehr unterschiedliche Bedürfnisse haben. 

Die funktionierende Smart City als einzige Option

Ohne eine umfassende Innovationsbereitschaft und eine kontinuierliche Anpassung an die wachsenden und sich ständig verändernden Anforderungen der Städte ist deren Funktionieren nicht aufrecht zu erhalten und die daraus erwachsenden Konsequenzen sind fatal. Digitalisierung und eine konsequente Vernetzung öffentlicher Dienstleistungen, Infrastruktur und Daseinsvorsorge sind durch die Entwicklungen der Informationstechnologie (IT) immer besser möglich. Auch komplexe Vorgänge, die das Funktionieren der Stadt gewährleisten, können nun miteinander in Beziehung gesetzt und vernetzt werden: Dabei ist die Schaffung eines produktiven konkreten Dialogs zwischen Bürgern, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik von entscheidender Bedeutung – und es ist eine ausgesprochen anspruchsvolle Herausforderung, alle Beteiligten mit ihren jeweiligen Bedürfnissen angemessen zu berücksichtigen.

Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit arbeitet in Südkorea intensiv zum Thema „Smart City“ und organisiert Wissens- und Erfahrungsaustausch. Es zeigt sich dabei, dass Deutschland und Korea viel voneinander lernen können. Der Fokus ist in beiden Ländern teilweise unterschiedlich: Während Korea technologisch auf vielen Gebieten die Nase vorne hat und die Entwicklungen mit größerer Entschlossenheit vorantreibt, ist in Deutschland die Erfahrung mit Beteiligungsprozessen größer und auch die Diskussion um Privatsphäre, Datenschutz und die Grenzen des Datensammelns wird in vielen EU-Ländern sehr viel intensiver geführt. 

ÖVPN in Seoul
Verspätungen oder gar Zugausfälle gibt es im Öffentlichen Personennahverkehr ins Koreas Hauptstadt Seoul praktisch nie. Intelligente Apps gehören zur Grundausstattung.

Innovation gemeinsam gestalten: „Living Labs“ als Beteiligungsinstrumente

Die Herausforderung, die Stadt gleichermaßen funktional wie lebenswert zu gestalten, ist enorm. Die Schaffung einer Smart City kann nur gelingen, wenn sie von einer smarten Verwaltung, einer smarten Infrastruktur, einer smarten Wirtschaft etc. getragen wird – und im Zentrum muss der smarte Bürger stehen, um den es in der Hauptsache geht und dessen Einbindung in die Veränderungsprozesse von entscheidender Wichtigkeit ist. Seine Lebensqualität soll sich verbessern. Idealerweise sollten die Bürger einer Stadt ihre Bedürfnisse selbst erkennen, hörbar artikulieren und in einem dauerhaften Austausch mit Politik und Verwaltung im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung umsetzen können. Bürger werden ermutigt und dazu eingeladen, die gleichermaßen notwendige wie erwünschte Innovation mit zu erschaffen.

In Europa gibt es recht vielfältige Erfahrungen mit Beteiligungsmodellen, die als „Living Labs“ bezeichnet werden und auch in Korea begeben sich immer mehr Gemeinden auf diesen Weg – eine Konstellation, die zu Informations- und Erfahrungsaustausch einlädt. Diese Art des Austauschs organisiert die Stiftung seit 2018 sehr aktiv. Zum Austausch eingeladen wurde nicht nur der in Brüssel und Barcelona tätige Präsident des European Network of Living Labs (ENoLL), Fernando Villarino, sondern auch noch einige weitere Wissenschaftler, kommunale Praktiker sowie NGO-Repräsentanten, die sämtlich der festen Überzeugung sind, dass die erfolgreiche Transformation der Stadt zur Smart City nur mit einer aktiven Einbindung der Stadtbevölkerung gelingen kann. Konzentrierte man sich zunächst auf die Stadt und Metropolenregion Seoul, entfaltet die Stiftung zusammen mit ihren koreanischen Partnerinstitutionen nunmehr auch außerhalb der Hauptstadt entsprechende Aktivitäten: Im Herbst 2019 wurden in Busan zwei Workshops dieser Art durchgeführt, bei denen der Anteil an Teilnehmern aus anderen Städten hoch war. Ein willkommener Nebeneffekt ist dabei, dass zahlreiche Möglichkeiten zur Vernetzung zwischen den Repräsentanten aus verschiedenen Kommunen der Republik Korea geschaffen werden.

 

Autor: Dr. Christian Taaks, Projektleiter Korea der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit