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Rentendebatte
Rechnen mit der Rente?

Wer 55 ist, wird sein Konsumniveau im Alter wahrscheinlich nicht halten können. Dagegen gibt es nur ein Mittel: länger arbeiten.

Die Bundesregierung hat gerade ein Rentenpaket verabschiedet, das Jüngere zu Gunsten von Älteren massiv belasten wird. Wenige Tage später legt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) eine Studie vor, die zeigt, dass mehr als 50 Prozent der heute schon älteren Arbeitnehmer im Ruhestand an Lebensstandard einbüßen werden. Unser stellv. Vorstandsvorsitzender Professor Paqué zieht daraus politische Schlüsse.

Und wieder eine empirische Studie zur Problematik der Altersbezüge! Ihr Ergebnis überrascht überhaupt nicht: Wer heute schon 55 Jahre oder älter ist, wird bei unveränderter Rechtslage im Ruhestand Einschränkungen seines Lebensstandards hinnehmen müssen. Das DIW hat das berechnet - und damit nur den gesunden Menschenverstand bestätigt. Denn wer 55 und älter ist, aber noch arbeitet, der gehört zur riesigen Babyboomer-Generation, der größten der deutschen Geschichte. Und die nähert sich mit riesigen Schritten dem Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt. Will man die viel kleineren Generationen der Jüngeren nicht noch viel stärker belasten, als sie ohnehin schon sind, wird es für die Älteren Einschränkungen geben müssen.

Nicht alle trifft dies in gleichem Maße: Wer höheres Einkommen und Vermögenerträge hat und/oder verbeamtet ist, kommt relativ glimpflich davon. Wer alleinstehend, weiblich, minderqualifiziert oder selbständig tätig ist, den trifft es härter. Betriebsrenten helfen da wenig, weil der Anteil derer, die sie beziehen, zu gering ist; Riester- und Rürup-Renten helfen auch nicht viel, weil die Zinsen so niedrig sind. Insgesamt also ein ernüchterndes Bild.

Was tun? Es wird höchste Zeit, dass sich die Politik ehrlich eingesteht, dass die Demographie nur drei Auswege zulässt, will man den Lebensstandard der Rentner verbessern: höhere Rentenbeiträge, also Belastung der jüngeren Beschäftigten; höhere Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt, also Belastung der - im Durchschnitt jüngeren - Steuerzahler; oder eine längere Lebensarbeitszeit der Älteren, die sich dann beim späteren Renteneintritt als Generation gewissermaßen selbst finanzieren, ohne Belastung der Jungen. Nur der letzte der drei Wege verspricht die nötige Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Denn was können die Jungen dafür, dass sie als Generation so klein geraten sind?

Dank der günstigen Arbeitsmarktlage sind ältere Arbeitskräfte auch gefragt: Die Erwerbslosenquote ist sehr niedrig, überall werden Fachkräfte gesucht, auch erfahrene ältere, von denen viele noch physisch gesund und kognitiv alert sind. Wann endlich sagt die Politik: weg mit der starren Altersgrenze und hin zu einer flexiblen Gestaltung des Renteneintritts, damit jeder einzelne entscheiden kann, mit welchem Lebensstand er die letzten Lebensjahrzehnte oder -jahre verbringen will? Soziale Sonderregelungen für bestimmte Berufsgruppen mit harter physischer Arbeit wären denkbar und nicht allzu teuer für Beitrags- und Steuerzahler, wenn nur die große Mehrzahl der Arbeitskräfte frei wählen kann, aber auch selbst entscheiden muss.

Merkwürdig nur, dass auch die DIW-Studie diese Alternative nicht erwähnt, geschweige denn empfiehlt. So bleibt die Große Koalition ohne rentenpolitische Phantasie, jedenfalls bis zur nächsten Studie. Auf die werden wir bestimmt nicht lange warten müssen.