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Landtagswahlen
„Die Tschechen sehen den Aufstieg der AfD mit Sorge“

Was Tschechien über die Landtagswahlen denkt

Große Wellen haben die Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg im Nachbarland Tschechien nicht geschlagen. Aber natürlich ist das starke Ergebnis für die AfD bei den Kommentatoren nicht unbemerkt geblieben und ist das eigentliche Hauptthema der Berichterstattung. Dabei wird meist angeführt, dass auch in Tschechien ähnliche Grundstimmungen auftauchen wie in den neuen Bundesländern Deutschlands.

Im Gegensatz zu Bundestagswahlen, die sehr genau beobachtet werden, sind deutsche Landtagswahlen in Tschechien kein großes Medienereignis. Das Abschneiden der AfD war dort, wo kommentiert wurde, eindeutig das Hauptthema. Unter den mitteleuropäischen Ländern gilt Tschechien als das Land, das traditionell eine gefestigte demokratische Kultur hat. Gefährdungen des Rechtsstaats, wie sie heute in Polen oder Ungarn zu beobachten sind, existieren nicht - sieht man von den Subventionsbetrugsverfahren gegen Ministerpräsident Andrej Babiš ab, die zuletzt einen Schatten auf die politische Kultur des Landes warfen.

Aber auch in Tschechien gibt es Rechtspopulisten. Die Partei „Freiheit – direkte Demokratie“ („Svoboda a přímá demokracie“, auf Tschechisch kurz, aber für Deutsche irreführend abgekürzt: SPD) mit dem Vorsitzenden Tomio Okamura hatte bei den letzten Wahlen 10,7% eingefahren und rangiert in Umfragen regelmäßig auf Platz 4. Die Partei sitzt im Europaparlament in derselben Fraktion wie die AfD, der nationalistischen Gruppe „Identität und Demokratie“.

Die Presse weist oft darauf hin, das die Wählermotivation bei beiden Parteien „grenzübergreifend“ ähnlich ist. Die Wähler fühlen sich als Transformationsverlierer und empfinden das westlich-liberale Narrativ der Politik als ihnen fremd.

Sympathisant Zeman

Die anderen Parteien des Landes halten sich naturgemäß von der AfD fern, wie überhaupt die bilateralen Beziehungen der tschechischen Parteien zu ihren Gegenstücken in Deutschland eher schwach entwickelt sind. Es sind daher zumeist zwei „überparteiliche“ Akteure, die die AfD als deutsches „Sprachrohr der Entrechteten“ in der tschechischen Öffentlichkeit lancieren wollen. Da ist im Wesentlichen der erratisch agierende Präsident Miloš Zeman, der im September letzten Jahres den rechten Netzwerker und ehemaligen Trump-Berater Steve Bannon in seinem Amtsstitz empfing und dazu gleich auch den AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron einlud, der tschechischen Ursprungs ist. Bystron arbeitet daran, dass die tschechische Rechte mit der AfD verbunden bleibt, obwohl diese im Verdacht steht, mit dem radikalen Flügel der Sudeten zu sympathisieren, was für jeden tschechischen Rechten wiederum ein rotes Tuch ist. Neben Zeman engagiert sich auch sein Amtsvorgänger Václav Klaus für die AfD, bei deren Konferenzen er gerne als Gastredner auftritt.

Deutsche Außenpolitik gefragt

Aber letztlich sind dies alles Minderheitsphänomene. Insgesamt sehen die Tschechen den Aufstieg der AfD eher mit Sorge. Das wird noch dadurch verstärkt, dass man die politische Führung der Bundesregierung als eher schwach ansieht. Es scheint ihr nicht zu gelingen, enttäuschte Wähler wieder von der Richtigkeit ihrer Politik zu überzeugen. Auch fühlt man sich politisch von Deutschland nicht so gewürdigt, wie man es erwartet. Wie alle Mitteleuropäer sehen auch die Tschechen das Wiedererstarken der deutsch-französischen Achse als Signal, dass ihr Einfluss in Europa abnehmen könnte.

Trotzdem überwiegt die Sorge über die wachsende parteipolitische Volatilität in Deutschland und das Wachsen der AfD. Als extrem unschön empfindet man, das die AfD vor allem auch in den Grenzregionen Sachsens zu Tschechiens besonders stark ist. Die rechten Gruppen beider Länder könnten hier, obwohl von ähnlichen Motivationen getrieben, künftig ihre antagonistischen Interessen und Ressentiments ausleben. Das könnte böses Blut in die ansonsten guten Beziehungen beider Länder bringen. Somit braucht auch die deutsche Außenpolitik gegenüber Tschechien nach diesem Wahlergebnis neue Impulse.  

 

Dr. Detmar Doering leitet das Projektbüro für Mitteleuropa und die baltischen Staaten der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit Sitz in Prag