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Libyenkonferenz
Die Stunde der Diplomatie

Die Zukunft Libyens entscheidet sich in den kommenden Monaten. Die Weltgemeinschaft trifft sich am 23. Juni in Berlin
Libyenkonferenz
Wachposten der Bundeswehr stehen vor den Flaggen der Teilnehmerstaaten der Libyenkonferenz vor dem Bundeskanzleramt © picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Der Arabische Frühling von 2011 führte zum Sturz zahlreicher Diktatoren in der arabischen Welt. Auch in Libyen wurde mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft der jahrzehntelang herrschende Diktator Muammar al Ghaddafi gestürzt. Die Hoffnungen vieler Libyer, dass nach dem Sturz eine Ära der Demokratie beginnen könnte, wurden schnell zerschlagen. Es begann ein mittlerweile 10 Jahre andauernder Bürgerkrieg. Waren es zu Beginn vor allem nationale Milizen und Akteure, die sich bekämpften, kamen im Verlauf des Krieges internationale Akteure hinzu. Russland und die Türkei schickten aktiv Kämpfer und Truppen in das Land. EU-Staaten wie Frankreich und Italien versuchten durch intensive diplomatische Kontakte ihre Interessen zu wahren. So ist Italien das einzige EU Land, das seinen Botschafter nie aus Libyen abgezogen hat. Das Land wurde endgültig zum Spielball der Weltpolitik.

Am 23. Juni treffen sich zum zweiten Mal nach der ersten Libyen-Konferenz im Jahr 2019 die zentralen Akteure des Konfliktes in Berlin, um ein Ende des Kriegsgeschehens auf diplomatischem Weg herbeizuführen. In den letzten Monaten wurde bereits viel erreicht. Die international anerkannte Regierung in Tripoli konnte sich mit dem den Osten des Landes kontrollierenden General Haftar auf eine Übergangsregierung einigen, die mittlerweile vom Parlament bestätigt wurde. Die zentrale Aufgabe dieser Regierung ist die Vorbereitung von Wahlen, die für den 24. Dezember 2021 vorgesehen sind. Im Anschluss soll eine konstituierende Versammlung eine Verfassung ausarbeiten, die das Land wieder zu Frieden und politischer Einigung führt.

Libyen mit seinen ca. 7 Millionen Einwohnern verfügt über die größten Öl- und Gasreserven Afrikas. Das Land hätte theoretisch das Potential dazu, ein Golfstaat am Mittelmeer zu sein. Neben dem Kampf um die Kontrolle der Ressourcen spielt Libyen eine zentrale Rolle für Migranten aus Subsahara-Afrika, die das Land auf dem Weg nach Europa passieren müssen.

In Berlin werden auf Einladung von Außenminister Heiko Maas und UN-Generalsekretär Antonio Guterres nun die Verhandlungen fortgesetzt. Es spricht für den Erfolg der ersten Berlinkonferenz, dass man dieses Format beibehält, auch wenn sich Heiko Maas bei einigen Akteuren nicht beliebt gemacht hat, so wie bei Griechenland. Das Land wurde nicht eingeladen, die Türkei schon. Dies hat zu Verstimmung geführt. Neben der Frage, wie ein politisches Gleichgewicht innerhalb des Landes erreicht werden kann, wird die extrem wichtige Frage der Präsenz der ausländischen Truppen im Land diskutiert werden. Deren kontrollierter Abzug ist maßgeblich für den Erfolg des Friedensprozesses. Höchstwahrlich werden sich Staaten, wie Russland und die Türkei nur darauf einlassen, wenn sie ihren Einfluss langfristig gesichert sehen. Darüber hinaus muss die Frage der inländischen Milizen gelöst werden: Die Hauptstadt Tripoli zum Beispiel ist aufgeteilt in unterschiedliche Einflusszonen verschiedener Milizen, die faktisch die Kontrolle haben. Diese Gruppierungen sind über die Jahre reich geworden durch Einnahmen aus dem Waffen- und Drogenhandel sowie auf Kosten von Migranten, die das Land in Richtung Europa durchqueren wollen. Ob und wie diese zahlreichen einflussreichen Milizen entwaffnet werden können und welche Rolle sie künftig im Land spielen werden, ist aktuell noch offen.

Es gibt allerdings Grund für Optimismus. Die Bevölkerung ist des Krieges müde und fordert eine Einigung der Akteure. Darüber hinaus ist das Land prinzipiell reich genug, um allen gesellschaftlichen Gruppen des Landes attraktive Angebote zu machen, falls diese auf ihre Bewaffnung verzichten. Nun könnte die Stunde der Diplomatie gekommen sein, um das Land erfolgreich zum Frieden zu führen. Die Tatsache, dass im Vorfeld kaum Detailvorschläge bekannt wurden, in welche Richtung die Verhandlungen enden könnten, kann dabei ein gutes Zeichen sein, dass man in der Lage ist, die nötigen Kompromisse zu finden.

Dieser Beitrag erschien erstmals am 21.06.2021 in der Fuldaer Zeitung.