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Asien
Besuch in Südkorea und Japan: US-Präsident Biden beschwört demokratische Bündnisse in Ostasien

Besuch in Südkorea und Japan: US-Präsident Biden beschwört demokratische Bündnisse in Ostasien
US-Präsident Biden in Südkorea

 

 

© Picture alliance / AA | Yuichi Yamazaki / Pool

Der Invasionskrieg in der Ukraine sorgt nicht nur in Europa für Angst und politische Unsicherheit. Auch in Ost- und Südostasien fragen sich die Regierungen, wie wichtig die europäischen und US-amerikanischen Verbündeten ihre Partnerschaften im fernen Osten wohl noch nehmen - oder ob die Politik des „Pivot to Asia“ angesichts der Gräueltaten auf europäischem Boden bald komplett der Vergangenheit angehört. Auch deshalb war der Besuch von US-Präsident Joe Biden bei seinen engen Verbündeten in Asien, Südkorea und Japan, mit Spannung erwartet worden.

Und so bemühte sich Biden in Südkorea und Japan darum, wichtige Zeichen der Unterstützung zu setzen. Bei den Treffen standen vor allem sicherheitspolitische Themen wie das nordkoreanische Atomprogramm und die chinesischen Drohgebärden gegenüber Taiwan im Fokus. Auch wirtschaftliche Projekte wie das am Montag angekündigte „Indo-Pacific Economic Framework“ haben strategische Dimensionen. Das alles sollte zeigen: Amerika und seine Verbündeten wollen vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs die Situation in Ostasien nicht etwa vernachlässigen, sondern umso enger zusammenrücken.

Schulterschluss gegen Nordkorea

In Seoul bestärkte Biden mit dem neu ins Amt gewählten Präsidenten Yoon Suk-yeol die Allianz der beiden Länder und besprach das gemeinsame Vorgehen angesichts der Drohkulisse im Norden. Im Vorfeld des Treffens war befürchtet worden, dass das nordkoreanische Regime den US-Besuch als Anlass nehmen würde, als „Vergeltungsakt“ einen Atomwaffentest durchzuführen. Dazu kam es nicht – wohl auch weil Pjöngjang derzeit mit dem ersten offiziellen Covid-19-Ausbruch im Land zu kämpfen hat. Stattdessen antwortete das Regime auf den Besuch mit einem Test von drei Raketen am Tag nach Bidens Abreise und setzte damit seinen Konfrontationskurs fort. Das Regime hatte 2022 bereits mehr als zehn Raketentests durchgeführt und provoziert mit aggressiver Rhetorik über einen nuklearen Erstschlag. Yoon, der die Annäherungsversuche seines Amtsvorgängers zu Recht als gescheitert ansieht, hatte schon im Wahlkampf für einen harten und realistischen Kurs gegenüber Nordkorea geworben.

Biden sicherte Yoon zu, im Rahmen der „extended deterrence“ würde die USA ihr gesamtes Waffenarsenal, also auch Atomwaffen, zur Verteidigung Südkoreas einsetzen. Darüber hinaus beschlossen die beiden Amtskollegen mehr gemeinsame Militärübungen und kündigten an, die high-level Extended Deterrence Strategy and Consultation Group (EDSCG) zu reaktivieren, welche die Stationierung strategischer US-Waffen in Südkorea koordinieren soll. Damit treten Südkorea und die USA gegenüber Nordkorea wesentlich geschlossener auf, als das in den vergangenen Administrationen auf beiden Seiten der Fall war.

China im Fokus?

Es ist kein Geheimnis, dass die US-amerikanische Außenpolitik im indo-pazifischen Raum vom Wettbewerb mit China geprägt ist. Unter dem Motto: „Competitive when it should be, collaborative when it can be, and adversarial when it must be” hatte Außenminister Antony Blinken die China-Strategie der US-Regierung letztes Jahr zusammengefasst. Von Zusammenarbeit war zuletzt allerdings wenig zu spüren, eher im Gegenteil: Amerikanische Waffenexporte und -stationierungen in Ostasien erzürnen regelmäßig China, während ein chinesisches Sicherheitsabkommen mit den Solomon Islands in Amerika und Australien für Furore sorgte. Bidens Treffen mit den Präsidenten des demokratischen „Quads“ in Tokio, zu dem neben Amerika und Japan auch Australien und Indien zählen, hatte zum Ziel, gegenüber China und Russland demokratische Allianzen im Indo-Pazifik festzuzurren.

In Washington versucht man in der angespannten Situation, Konstruktives zu betonen und den Elefanten im Raum – China – nicht zu direkt zu thematisieren. National Security Advisor Jake Sullivan hatte im Vorfeld von Bidens Reise versichert, es ginge bei dem Trip um eine „positive Vision davon, wie die Welt aussehen kann, wenn Demokratien und offene Gesellschaften zusammenstehen“. Dies sei „keine negative Nachricht und nicht an ein einzelnes Land gerichtet“. Trotz dieser Rhetorik ist klar: Wenn es etwa heißt, man wolle in Gesprächen mit Indien „Gemeinsamkeiten betonen“, ist damit wohl vor allem die China-Politik gemeint.

Deutlich wurde die ohnehin schon angespannte Stimmung zwischen Washington und Peking bei einem der sensibelsten Themen für die chinesische Regierung: Auf die Frage, ob die USA Taiwan im Falle eines chinesischen Angriffs militärisch verteidigen würde, antwortete Biden mit einem klaren: „ja“. Es ist nicht das erste Mal, dass er diese Frage bejaht, und erneut wurde seine Aussage schnell vom Weißen Haus als in Einklang mit der bisherigen US-Position uminterpretiert. Amerika verfolgt eine Politik der „strategischen Doppeldeutigkeit“ gegenüber Taiwan, das es einerseits nicht als Staat anerkennt, andererseits mindestens indirekt bei seiner Verteidigung unterstützt. Trotz Washingtons Bemühungen, die Wogen zu glätten, sorgte Bidens Ausspruch in China für Entrüstung. Ohnehin kritisierte die chinesische Staatspresse Bidens Reise auf Schritt und Tritt - Peking fühlt sich von Bidens Bündnispolitik umzingelt.

Wirtschaftliche Zusammenarbeit mit strategischer Bedeutung

Auch auf wirtschaftlicher Ebene wollen die USA strategische Partnerschaften stärken. So kündigten Yoon und Biden bei ihrem gemeinsamen Besuch einer Chip-Fabrik von Samsung enge Zusammenarbeit im Bereich von Lieferketten und Halbleitertechnologien an. Biden betonte dabei, wie wichtig es sei, sich bei Lieferketten für bedeutende Technologien auf Länder mit ähnlichen Werten verlassen zu können, damit „unsere Wirtschaft und nationale Sicherheit nicht von Ländern abhängen, die unsere Werte nicht teilen“ – gemeint war neben Russland auch China. Der Satz unterstreicht das strategische Motiv der wirtschaftlichen Zusammenarbeit.

Noch eindeutiger ist die strategische Dimension beim Indo-Pacific Economic Framework (IPEF), das Biden am Montag in Japan ankündigte. Das Netzwerk, das neben den „Quad“-Nationen Amerika, Australien, Indien und Japan auch Südkorea, Neuseeland und einige südostasiatische Nationen beinhalten wird, soll unter anderem „Standards für die digitale Ökonomie, Saubere Energie und die Sicherheit von Lieferketten“ setzen. Auch wenn Details noch fehlen, wird die wirtschaftliche Dimension des Abkommens wesentlich kleiner sein als die des Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP), dem Nachfolger der nie umgesetzten Trans-Pacific Partnership (TPP), aus der Trump 2017 ausgestiegen war. Vielmehr wird das Abkommen als Versuch gesehen, Chinas wachsendem Einfluss im Indo-Pazifik und seiner „Neuen Seidenstraße“ eigene Strukturen entgegenzusetzen.

Was bleibt vom Biden-Besuch in Ostasien? Den größten medialen Aufruhr haben nicht etwa strategische Projekte gebracht, sondern der Taiwan-Ausspruch des US-Präsidenten. Doch im Schatten dessen stehen wichtige Zeichen der Unterstützung, gerade angesichts der russischen Invasion sowie nordkoreanischer und chinesischer Drohgebärden. Das neue Indo-Pacific Economic Framework ist zwar bei weitem keine ostasiatische Nato, aber Bidens Besuch ist eindeutig ein Versuch, die Reihen der Demokratien in Ostasien zu schließen.

Thomas Grosser ist derzeit Praktikant im FNF-Büro Seoul. Er studiert Sinologie (MA) an der Universität Münster.