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Südkorea
Knapper Wahlsieg des konservativen Politikneulings Yoon Seok-yeol

outh Korea's president-elect Yoon Suk-yeol

outh Korea's president-elect Yoon Suk-yeol

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picture alliance / EPA | SONG KYUNG-SEOK / POOL

 

Wahlkrimi in Südkorea: Bei den Präsidentschaftswahlen hat Yoon Seok-yeol, Kandidat der konservativen People Power Party, seinen Konkurrenten Lee Jae-myung mit hauchdünnem Vorsprung besiegt. Im Interview erklärt unsere Südkorea-Expertin Sungeun Lim was das Wahlergebnis für Südkorea bedeutet.

Bei der Präsidentschaftswahl in Südkorea haben gerade 0,73 Prozent der Stimmen über Sieg und Niederlage entschieden. Mit 48,56 Prozent der Stimmen entschied der Kandidat der konservativen People Power Party, Yoon Seok-yeol, die Wahl für sich. Sein Konkurrent Lee Jae-myung, Kandidat der regierenden Democratic Party, konnte immerhin 47,83 Prozent der Stimmen vorweisen, musste damit allerdings seine Niederlage einräumen. Trotz des vermeintlichen Politikverdrusses unter den Südkoreanern war die Wahlbeteiligung mit 77 Prozent ähnlich hoch wie bei vergangenen Wahlen. Allerdings war der Wahlkampf von persönlichen Attacken und Skandalen geprägt. Wie geht es nun mit dem Land weiter? FNF-Expertin Sungeun Lim, analysiert im Interview die Auswirkungen dieses Wahlergebnisses.

Frau Lim, warum wurde Yoon, ein absoluter Politikneuling, gewählt?

Zwar ist Yoon neu auf dem politischen Parkett, er war aber Kandidat der etablierten konservativen Oppositionspartei People Power Party. Außerdem war er durch seine ehemalige Position als Generalstaatsanwalt sehr bekannt in der Öffentlichkeit.

Sein Sieg ist vor allem auf den Wunsch der Öffentlichkeit zurückzuführen, dem derzeitigen Regierungslager einen Denkzettel zu verpassen. Umfragen vom vergangenen Jahr zufolge befürwortete mehr als jeder zweite Südkoreaner einen Regierungswechsel. Hauptgründe dafür sind das Scheitern der Immobilienpolitik und Skandale wichtiger Regierungsmitglieder.

Das linksliberale Lager konnte dieser öffentlichen Stimmung keine überzeugende Zukunftsagenda entgegensetzen. Zwar hatte sich Lee Jae-myung um Abgrenzung von der derzeitigen Regierung bemüht, indem er sogar das Scheitern der Immobilienpolitik der Regierung Moon Jae-in einräumte. Am Ende aber reichte das nicht für den Wahlsieg.

Die schlechte Immobilienpolitik war ein entscheidender Faktor für Yoons Sieg. Er erhielt in Seoul, das am stärksten von den stark gestiegenen Immobilienpreisen betroffen ist, rund 330.000 Stimmen mehr als Lee. Da der Unterschied von 0,73 Prozent der Stimmen zwischen den beiden Kandidaten etwa 250.000 Stimmen umfasst, waren die Stimmen aus Seoul wohl entscheidend.

Noch nie ist eine Wahl in Südkorea so knapp ausgegangen. Was sind die Gründe dafür?

Es gibt einige Variablen, die das endgültige Wahlergebnis beeinflusst haben könnten, wie etwa die Last-Minute Aufgabe des zentristischen Kandidaten Ahn Cheol-soo zu Gunsten von Yoon, die explosive Ausbreitung der Omikron-Variante kurz vor der Wahl und die zunehmende öffentliche Aufmerksamkeit für Sicherheitsfragen aufgrund des Krieges in der Ukraine.

Der Hauptgrund für dieses knappe Ergebnis ist jedoch der Geschlechterkonflikt. Angesichts der öffentlichen Meinung, die einen Regierungswechsel befürwortet, hätte der Kandidat Yoon Seok-yeol mit einem größeren Vorsprung in Führung gehen müssen. In letzter Minute stimmten vor allem Frauen zu Gunsten von Lee Jae-myung.

Während des Wahlkampfs versprach Yoon, das Ministerium für Geschlechtergleichstellung und Familie abzuschaffen und die Strafen für falsche Anschuldigungen bei sexuellen Übergriffen zu verschärfen, um junge männliche Wähler anzusprechen, die dem Feminismus kritisch gegenüberstehen. Dies führte dazu, dass sich die meisten Wählerinnen aller Generationen mit Ausnahme der über 60-Jährigen von Yoon abwandten und für Lee als Alternative stimmten. 

Das Muster der Geschlechterkonfrontation war in der Altersgruppe der 20-jährigen besonders deutlich. Bei den Männern dieser Altersgruppe erhielt der designierte Präsident Yoon 59 Prozent der Stimmen und lag damit deutlich vor Lee, der nur 36 Prozent der Stimmen erhielt. Bei den Frauen der Altersgruppe hingegen erhielt der Kandidat Lee 58 Prozent und Yoon 34 Prozent der Stimmen, was einen entgegengesetzten Trend zeigt. Bei den übrigen Generationen unterschied sich die erwartete Wahlbeteiligung der Kandidaten je nach Geschlecht nicht so stark.

Mit welchem politischen Richtungswechsel ist zu rechnen?

Es ist damit zu rechnen, dass mehrere politische Entscheidungen der jetzigen Regierung rückgängig gemacht werden.

Es wird zu größeren Veränderungen in der Immobilienpolitik kommen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass mehrere staatliche Vorschriften und Maßnahmen auf dem Immobilienmarkt, die auf den Schutz von Mietern und die Eindämmung von Wohnungsspekulationen abzielten, zurückgedreht werden. Diese Eingriffe hatten ungewollt zu schwerwiegenden Marktverzerrungen und damit zu höheren Preisen geführt. Experten erwarten, dass der Markt durch die Bereitstellung von mehr öffentlichen und privaten Wohnungen stabilisiert werden wird. Grundsätzlich kündigte Yoon mehr Deregulierung in der Wirtschaftspolitik an.

In der Außenpolitik wird erwartet, dass das traditionelle Bündnis mit den Vereinigten Staaten gestärkt wird. So könnten sich auch die Beziehungen zwischen Korea und Japan, die sich seit Jahren verschlechtert haben, im Rahmen des amerikanisch-japanisch-koreanischen Bündnisses etwas verbessern. Der Konflikt mit Nordkorea könnte sich jedoch weiter verschärfen, da Yoon sich von der - weitgehend gescheiterten – Appeasement-Politik der Moon-Regierung distanzieren will.

Was kommt nun auf Yoon zu?

Der gewählte Präsident sieht sich nun einer starken Opposition im Parlament gegenüber. Die Demokratische Partei kontrolliert 172 der 300 Parlamentssitze. So kann die Opposition massiven Einfluss auf die nationale Politik ausüben. Yoon muss mit der Oppositionspartei kooperieren, sonst könnte er in vielen Bereichen, etwa bei neuen Gesetzen und der Wahl des Premierministers, Probleme bekommen. Yoon erklärte bereits in seiner Wahlrede, dass er mit der Oppositionspartei zusammenarbeiten werde. Ob ihm das gelingen wird, bleibt fraglich. In der Vergangenheit gab es heftige Auseinandersetzungen und Blockaden im Parlament, sowohl unter konservativen als auch linksliberalen Regierungen.

In den letzten Jahren war die koreanische Gesellschaft durch eine extreme Polarisierung in Bezug auf Ideologie, Generation, Geschlecht und Einkommen gekennzeichnet. Diese Wahl hat diese Konfrontation zwischen den gespaltenen Lagern noch weiter verschärft. Der Geschlechterkonflikt erweist sich als eines der gravierendsten sozialen Probleme in Korea. Die Überwindung der extremen sozialen Spaltung scheint keineswegs einfach zu sein, wie das knappe Rennen zeigte. Beide Seiten haben fast die gleiche Anzahl von Anhängern. Aber das macht den öffentlichen Ruf nach sozialer Einheit noch lauter.

Entscheidend wird sein, dass Yoon die gesellschaftlichen Gräben innerhalb der Bevölkerung verringert und die Zusammenarbeit mit der Opposition erfolgreich aufbauen kann. 

*Sungeun Lim ist Programm-Managerin für Südkorea im Korea Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit Sitz in Seoul.