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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Taiwan
Eine wichtige Wahl

Taiwan ist eine reife Demokratie. Sie entscheidet am Samstag über Präsident und Parlament.
Taiwan
© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Louise Delmotte

Vielerorts in der Welt - und auch in Deutschland - macht man sich zu Recht Sorgen über die zunehmende Attraktivität von Autokratien. Es ist deshalb geradezu erfrischend, an einen Ort zu reisen, an dem die Demokratie makellos funktioniert  - und zwar in einer Region, wo freie Wahlen alles andere als selbstverständlich sind. Die Rede ist von Taiwan.

Die Insel Taiwan liegt gerade mal 160 Kilometer von China entfernt, dem mit Abstand bevölkerungsreichsten Land der Welt, das trotz wirtschaftlicher Öffnung ein autoritär regierter Einparteienstaat geblieben ist. Seit den Neunzigerjahren ist Taiwan zu einer mustergültigen Demokratie herangewachsen. Seit 2016 wird es von einer liberalen Präsidentin regiert, die 2020 wiedergewählt wurde - kurz nachdem China mit seinen Sicherheitsgesetzen den politischen Druck auf Hongkong verstärkte, woraufhin die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit ihren "Global Innovation Hub" von Hongkong nach Taipeh verlegte. Zu Beginn des Jahres 2024 werden nun am kommenden Samstag in Taiwan Präsident und Parlament neu gewählt. Dies war Anlass für eine Delegation von Liberal International, das Land kurz vor der Wahl zu besuchen und bis zum Wahlabend dort zu bleiben.

Die Eindrücke von der Reise sind stark. Die Wahl ist von herausragender Bedeutung, auch geopolitisch. Sie verdient internationale Aufmerksamkeit. Mit ihr wird deutlich, ob wenige Kilometer vom chinesischen Festland - und trotz des Drucks, den China über viele Kanäle auf die Insel ausübt - in Taiwan Demokratie und Rechtsstaat als freiheitliche Errungenschaften funktionieren. Und sie tun es: Die Vorbereitung der Wahlen und die Arbeit der Parteien macht einen überaus professionellen Eindruck, zum Teil professioneller, als wir es zum Beispiel in Deutschland erlebt haben - man denke nur an Berlin mit seiner gerichtlich monierten Bundestagswahl, die zum Teil wiederholt werden muss. Auch der Stolz der Taiwanesen auf ihre Errungenschaften ist spürbar: Alle stehen zur Demokratie, die längst zur Selbstverständlichkeit geworden ist.

Im Wahlkampf selbst ging es zunehmend auch um Themen, wie sie für hoch entwickelte Industrieländer typisch sind. Natürlich bleibt das Verhältnis zu China einer der zentralen Streitpunkte. Aber daneben stehen Fragen, die wir auch aus Deutschland und Europa kennen: Spaltet sich die Gesellschaft in eine urbane Elite, die von Technologie und Wachstum profitiert, und jene Menschen, die sich subjektiv "abgehängt" fühlen und um ihre Zukunft fürchten? Wie ist der erreichte Lebensstandard bei steigenden Mieten und Preisen zu halten? Wie geht die Politik mit einer alternden Gesellschaft um? Gerade wegen dieser Fragen ist auch Bewegung in das traditionelle Zwei-Parteien-System des Landes gekommen. Neben die regierende liberale Democratic Progressive Party (DPP) und die Nachfolgepartei der Kuomingtan (KMT) ist eine neue Partei getreten, die TPP (Taiwan People's Party). Die Wahlen sind heiß umkämpft.

Auffallend erfreulich ist auch die Motivation der Menschen, sich an der politischen Willensbildung zu beteiligen. Bei einer Wahlkampfveranstaltung der DPP kamen in Taipeh 100.000 Menschen für 2 1/2 Stunden zusammen - ein riesiges Fahnenmeer breitete sich über dem zentral gelegenen Platz am Ketalagan Boulevard aus. Viele junge Menschen waren darunter und jubelten nicht nur dem Spitzenkandidaten Lai zu, sondern unterstützten auch lautstark den politischen Nachwuchs, der auf der Bühne seine politischen Botschaften kämpferisch präsentierte.

Fazit: Die Demokratie lebt. Jedenfalls in Taiwan. Es ist die erste einer langen Serie von Wahlen in vielen Ländern der Welt im Jahr 2024. Ihr Verlauf macht Mut. Ihr Ergebnis werden wir am Samstag erfahren. Wir werden darüber berichten.