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China und Taiwan
Doppelte Bewerbung bei CPTPP - wer gewinnt?

Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen hält eine Rede während der Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag.
Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen hält eine Rede während der Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag. Der Beitritt zur CPTPP ist derzeit eines der wichtigsten Vorhaben der taiwanischen Regierung. © picture alliance / ZUMAPRESS.com | Daniel Ceng Shou-Yi

Eigentlich sollte die Transpazifische Partnerschaft, kurz TPP, unter Führung der USA zur größten Freihandelszone der Welt werden und Chinas Einfluss in der Pazifik-Region eindämmen. Nach dem Rückzug der USA unter Trump will nun ausgerechnet China dem Bündnis, das jetzt CPTPP abgekürzt wird, beitreten. Aber auch aus Taiwan gibt es eine Bewerbung. Was steckt hinter den Manövern aus Peking und Taipei? 

Donald Trump und Detailwissen in außenpolitischen Belangen, das hat noch nie zusammengepasst. Das stellte er unter anderem bei einer Wahlkampfveranstaltung 2015 unter Beweis: Die Transpazifische Partnerschaft (englisch: Trans-Pacific Partnership, kurz TPP) sei ein miserabler Deal, der es China erlaube, durch die Hintertür mitzumischen und andere zu übervorteilen, sagte er. Das Statement brachte ihm viel Häme ein, denn: Das von seinem Vorgänger Barack Obama ausgehandelte Abkommen war dafür geschaffen worden, mit elf weiteren Staaten aus der Pazifik-Region ein wirtschaftspolitisches Bollwerk gegen China aufzubauen; die Volksrepublik war nie als Teilnehmer vorgesehen. Nicht Peking sollte vom weltgrößten Freihandelsabkommen profitieren, sondern Washington und dessen Partner. Noch am ersten Tag seiner Amtszeit besiegelte US-Präsident Trump dennoch den Austritt der USA aus der TPP. Das hat auch sein Nachfolger Joe Biden noch nicht rückgängig gemacht.    

Nun könnte sich eine bittere Ironie der Geschichte zeigen. Trump könnte doch noch Recht bekommen – wenngleich er es war, der den Lauf der Dinge mit seinem Rückzug maßgeblich beeinflusst hat. China will nun tatsächlich dem Abkommen, das auch ohne die USA weiter existiert und inzwischen den Namen Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP) trägt, beitreten. Im September, kurz nachdem das trilaterale Militärbündnis zwischen den USA, Australien und Großbritannien (AUKUS) bekannt wurde, ging beim CPTPP die Bewerbung aus Peking ein.

Bis zu einer Mitgliedschaft der Volksrepublik ist es allerdings noch ein langer Weg, denn alle elf verbliebenen Staaten – unter anderem Kanada, Japan und Neuseeland – müssen dem Ersuchen zustimmen. Und ihnen liegt noch eine weitere Mitgliedsanfrage vor: die der „Sondersteuerzone Taiwan, Kinmen, Penghu und Matsu-Inseln“. Taiwan wird von der chinesischen Regierung als abtrünnige Provinz angesehen, nur wenige Länder unterhalten diplomatische Beziehungen zu der demokratisch legitimierten Regierung in Taipei, die ihre Insel „Republic of China“ nennt. Wer Geschäfte mit Peking machen will, muss der KP-Sicht auf Taiwan zustimmen – der Ein-China-Doktrin. Die doppelte Bewerbung beim CPTPP ist auch insofern eine diplomatische Herausforderung. 

Was verspricht sich China von der CPTPP-Bewerbung?

Peking war schon mit dem Beitritt zu einer anderen Freihandelszone, der zur „Regional Comprehensive Economic Partnership“ (RCEP), ins Zentrum des Freihandels in Asien gerückt. Mit den 15 Mitgliedern von RCEP – außer China auch Länder wie Südkorea und Japan, aber auch Myanmar und Laos – entstand eine Freihandelszone, die fast ein Drittel der Weltwirtschaft umfasst. Die USA sind auch bei RCEP außen vor geblieben. Allerdings ist RCEP kein anspruchsvolles Abkommen, urteilt die „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (SWP). Die darin vereinbarten Standards – etwa bei geistigen Eigentumsrechten, Dienstleistungen, Investitionen, handels­bezogener Personenfreizügigkeit – seien durchgehend schwach ausgeprägt und wenig zukunftsweisend.

CPTPP hingegen sieht ausgesprochen hohe Standards vor, etwa in den Bereichen Arbeitsrecht und Umweltschutz. Peking müsste von der Politik der Bevorteilung von Staatsbetrieben absehen und etwa die Vorgaben zu grenzüberschreitendem Datenfluss und geistigem Eigentum reformieren, um CPTPP beitreten zu können. Abgesehen von den inhaltlichen Hürden passt CPTPP zusammen mit RCEP und der „Belt and Road“-Initiative zur Strategie der weltwirtschaftlichen Integration der Volksrepublik. Gleichzeitig setzte Peking in den vergangenen Jahren auf Protektionismus statt Freihandel. Und auch die Inhalte des neuesten Fünf-Jahres-Plans (2021-2025) wollen nicht so recht dazu passen. Das dort vorgestellte Konzept der “zwei Kreisläufe” hat zum Ziel, die Abhängigkeit der Volksrepublik vom Internationalen Markt zu verringern. Für den „internen Kreislauf“ soll der chinesische Binnenmarkt gestärkt und die heimische Nachfrage vorrangig durch chinesische Firmen befriedigt werden. Dieser Kreislauf soll künftig die Hauptstütze der chinesischen Wirtschaft sein. Der „externe Kreislauf“, also der internationale Handel, soll nur noch eine unterstützende Rolle spielen. Investitionen internationaler Firmen sollen nur noch dann willkommen geheißen werden, wenn diese der Stärkung der chinesischen technologischen Leistungsfähigkeit dienen.

Was verspricht sich die Volksrepublik also von ihrer CPTPP-Bewerbung? Eine mögliche Erklärung ist, dass China dem Abkommen beitreten will, um Taiwans Mitgliedschaft zu verhindern. Dafür spricht, dass die Volksrepublik ihren Beitrittsantrag sieben Tage vor Taiwan eingereicht hat. Während schon länger bekannt war, dass Taiwan an seinem Antrag arbeitete, kam das chinesische Beitrittsgesuch unerwartet. Zwar ist es theoretisch möglich, dass sowohl Taiwan also auch China CPTPP-Mitglieder werden. Jedoch muss jedes Neumitglied einstimmig aufgenommen werden. Sollte die Volksrepublik dem Abkommen vor Taiwan beitreten können, hätte sie damit ein de-facto Vetorecht. Dass sie das auch einsetzen wird, wird aus der Reaktion Pekings auf Taiwans Beitrittsgesuch klar: „Es gibt nur ein China auf dieser Welt und Taiwan kann nicht von China getrennt werden. Wir lehnen Taiwans Teilnahme in jeder offiziellen Organisation oder Vereinbarung in aller Deutlichkeit ab. Chinas Haltung in dieser Sache ist sehr klar”, sagte Zhao Lijian, Pressesprecher des chinesischen Außenministeriums. Die Möglichkeit einer Koexistenz wie beispielsweise bei der Welthandelsorganisation hat die Volksrepublik damit de facto ausgeschlossen. 

Peking will Taiwan isolieren. Diese Taktik ist nicht neu, sondern der bisherige Modus Operandi. Taiwan soll so lange außen vorgelassen werden, bis es keine andere Möglichkeit hat als sich der Volksrepublik anzunähern und schlussendlich einer Vereinigung zuzustimmen. Nur hat sich der Wind inzwischen gedreht. Die USA unterstützen eine “bedeutsame Rolle” für Taiwan in den Vereinten Nationen, osteuropäische Länder spenden Impfstoffe, Mandatsträger besuchen Taipei. Zuletzt hatte US-Präsident Joe Biden sogar öffentlich erklärt, die USA würden Taiwan im Falle eines Angriffs verteidigen. Die Isolations-Strategie Chinas scheint aus der Zeit gefallen.

Regierung in Taipei will die Insel international vernetzen

Taiwans Interesse an einem multilateralen Handelsbündnis wie CPTPP ist auf den ersten Blick naheliegender. Noch dazu ist die Insel eine Marktwirtschaft und sehr stark exportorientiert: Gemessen am BIP liegt die Exportquote bei mehr als 50 Prozent. Mehr als 40 Prozent aller Exporte gehen in die Volksrepublik China inklusive Hong Kong. Die Halbleiterproduktion Taiwans ist weltberühmt und begehrt. Vor 50 Jahren hat Taiwan den Sitz in den Vereinten Nationen an die Volksrepublik verloren und ist seitdem aus den meisten UN-Organisationen ausgeschlossen. Die Regierung in Taipei ist seit langem darum bemüht, das auszugleichen und Taiwan internationaler zu vernetzen - ein Vorhaben, das durch Pekings strenge Auslegung der Ein-China-Politik nicht einfach ist. 

Umso wichtiger ist aus Taipeis Sicht daher die Mitgliedschaft bei CPTPP: “CPTPP ist derzeit das wichtigste regionale Wirtschaftsintegrationsabkommen im asiatisch-pazifischen Raum, vielleicht sogar weltweit”, erklärte Premier Su Tseng-chang in einer Pressemitteilung. Die Mitgliedsländer dieses Abkommens machen 24 Prozent von Taiwans internationalem Handelsvolumen aus. Die Regierung in Taipei erhofft sich deutlich einfachere Handelsbeziehungen zu den Vertragspartnern in Asien-Pazifik und damit weniger Abhängigkeit von den Exporten in die Volksrepublik. Der Beitritt zur CPTPP sei derzeit eines der wichtigsten Vorhaben der taiwanischen Regierung, sagte der DPP-Abgeordnete Chih-cheng Lo bei einer Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung für Freiheit. Er plädierte ebenfalls für einen Abbau der Abhängigkeiten vom Festland.

„Mit einem Beitritt zum CPTPP wird Taiwan als Standort für deutsche Unternehmen noch attraktiver. Für Taiwan als Industriestandort ist die Einbindung in internationale Abkommen und Handelspartnerschaften essenziell für eine breitere Aufstellung der Handelspartner und zur Verringerung von einseitigen Abhängigkeiten“, sagt Axel Limberg, Delegierter der deutschen Wirtschaft in Taiwan dem „FNF China Bulletin“. Eine CPTPP-Mitgliedschaft könnte außerdem Standortnachteile von Unternehmen in Taiwan ausgleichen, die sich daraus ergeben, dass die Unternehmen in Taiwan weder von den ASEAN-Regelungen profitieren noch vom RCEP-Abkommen.

Unterschiedliche Signale der übrigen Mitgliedsstaaten

Da Beitrittsgesuche von beiden Seiten der Taiwanstraße auf dem Tisch liegen, ist die Situation kompliziert. Länder wie Vietnam und Singapur haben signalisiert, dass sie die chinesische Kandidatur unterstützen. Aus Japan, Australien und Kanada kamen hingegen positive Signale für Taiwans Kandidatur. Gegen eine Aufnahme Chinas spricht nicht nur die Nichterfüllung zahlreicher CPTPP-Standards. Peking könnte sich auch mit den zunehmenden internationalen Konflikten der letzten Monate eine einstimmige Aufnahme selbst verbaut haben. Chinas Führung belegte Australien mit Sanktionen, mit Kanada eskalierte der Konflikt um die Festnahme der Finanzchefin Huaweis, Meng Wanzhou.

Dennoch könnte es für China im kommenden Jahr etwas leichter werden, sich der CPTPP anzunähern. Dann wird nicht mehr Japan, sondern das China-freundlichere Singapur dem Bündnis vorstehen. Auch für die USA besteht weiterhin die Möglichkeit, der CPTPP wieder beizutreten und so zu einem der stärksten Partner zu werden. Aus Washington ging jedoch bislang keine Bewerbung ein.  

 

*Anna Marti leitet das FNF-Büro in Taipei. Vanessa Steinmetz ist Projektassistentin im FNF-Regionalbüro SOOA in Bangkok.