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RCEP-Abkommen: China im Zentrum, die USA außen vor

Hafen Singapur Freihandel
Blick über den Hafen von Singapur. 9 der 10 größten Hafen der Welt liegen in der neu geschaffenen RCEP-Zone.

Am Rande des virtuell stattfindenden ASEAN-Gipfels haben die Handelsminister von 15 asiatischen Staaten ihre „Regional Comprehensive Economic Partnership“ (RCEP) unterzeichnet – also eine regionale, umfassende Wirtschafts-Partnerschaft. Moritz Kleine-Brockhoff, Regionalbüroleiter Südost- und Ostasien der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, analysiert im Interview mit freiheit.org die Folgen der gigantischen Freihandelszone für die globale Ordnung.

Wie wichtig ist dieses Freihandelsabkommen?

Das Abkommen ist sowohl wirtschaftlich als auch geopolitisch signifikant. Wirtschaftlich, weil die nun entstehende Freihandelszone knapp ein Drittel der Weltwirtschaft umfasst. RCEP wird zu Wirtschaftswachstum in den 15 Mitgliedsstaaten beitragen. Dass Freihandel Armut reduziert und Mittelklassen weiter anwachsen lässt, ist erwiesen. Ich verstehe nicht, dass Gegner des Freihandels kaum dafür kritisiert werden, dass sie diese Fakten ignorieren. RCEP wird sich in den Ländern Asiens, die beigetreten sind, positiv auswirken. Das Abkommen bringt Entwicklungsländer wie Myanmar, Kambodscha und Laos zusammen mit aufstrebenden Staaten wie Indonesien, Malaysia, Thailand, Philippinen, Vietnam und mit reichen Staaten wie Australien, Neuseeland, Südkorea und Singapur. Im Zentrum steht der Wirtschaftsriese China.

Sie nannten geopolitische Signifikanz von RCEP. Worin liegt sie?

Das Abkommen wird China noch weiter aufwerten. Weder die USA noch die EU haben ein pan-asiatisches Freihandelsabkommen – China mit RCEP nun aber sehr wohl. Das stellt die Verhältnisse von vor ein paar Jahren auf den Kopf. 2016 hatte US-Präsident Barack Obama ein Trans-Pacific Partnership Agreement (TPP) unterschrieben, das zwölf asiatische und amerikanische Staaten zusammenbrachte – und China draußen ließ. Unter Präsident Donald Trump zogen die USA sich vom TPP-Abkommen zurück. China nutze die Gunst der Stunde und forcierte seine Freihandelsverhandlungen, die jahrelang vor sich hingedümpelt hatten. Und nun, mit dem RCEP-Abschluss, ist Peking das Zentrum des Freihandels in Asien – und die USA sind außen vor. Dass Chinas Premier Li Keqiang RCEP als „Triumph des Multilateralismus und des Freihandels“ bezeichnete, mutet wie ein Seitenhieb in Richtung Washington an.

Nebenbei bringt RCEP Staaten zusammen, die untereinander Konflikte bezüglich Gebietsansprüchen im südchinesischen Meer haben. Als Freihandelspartner werden sie viel daransetzen, Frieden und Stabilität in der Region zu erhalten. ASEAN und China verhandeln derzeit über einen „Code of Conduct“, also über bindende Spielregeln im südchinesischen Meer.

Könnte der künftige US-Präsident Joe Biden den TPP-Ausstieg revidieren?

Das ist möglich, aber nicht sicher. Biden hat sich dazu noch nicht geäußert. Dafür spricht, dass der Wiedereinstieg in das Abkommen gut für die USA wäre, dass es die Obama/Biden Regierung war, die TPP damals forcierte und unterzeichnete und dass RCEP Handlungsdruck schafft. Allerdings stehen weder Joe Biden noch seine Partei im Ruf, Freihandel zu umarmen. Joe Biden hat angekündigt, dass die Prinzipien „Made in America“ und „Buy American“ Priorität haben werden.

Eine weitere wichtige Volkswirtschaft Asiens ist bei RCEP nicht dabei: Indien. Warum?

Indien hatte sieben Jahre lang an den RCEP-Verhandlungen teilgenommen. Und dann, beim Ostasien-Gipfel in Bangkok im vergangenen Jahr, verkündete Premierminister Narendra Modi: Indien macht doch nicht mit. Das hatte offenbar innenpolitische Gründe. Anscheinend will Modi Wirtschaftssektoren im eigenen Land schützen, zum Beispiel den Agrarsektor. Protektionismus statt Wettbewerb. Indien fehlt nun bei RCEP als auch bei TPP. Das ist übrigens nicht nur schlecht für Indien, sondern auch bedauerlich für die beiden Abkommen, die mit Indien noch signifikanter wären.

Und Europa? Schaut die EU beim Handel mit Asien zu?

Jein. Die EU schaut nicht zu, sondern hat im vergangenen Jahrzehnt mehrere wichtige Freihandelsabkommen in Asien abgeschlossen: mit Südkorea, Japan, Singapur und jüngst mit Vietnam. Ein weiteres Abkommen wird derzeit verhandelt, und zwar mit dem G-20 Staat Indonesien. Die EU unternimmt also einiges. Aber bei den großen Würfen, bei den großen Abkommen, ist Europa nicht dabei. Seit Jahren wird darüber gesprochen, dass die EU und ASEAN ein Freihandelsabkommen anstreben könnten. Leider wurde bislang nichts Nennenswertes unternommen.

Vielen Dank, Herr Kleine-Brockhoff.

Moritz Kleine-Brockhoff
Moritz Kleine-Brockhoff leitet seit 2018 das Regionalbüro Südost- und Ostasien der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit Sitz in Bangkok/Thailand.