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Sri Lanka
Sri Lanka am Abgrund

Sri Lanka

Regierungschef Rajapaksa reichte den Rücktritt ein, nachdem seine Anhänger Demonstranten angegriffen hatten

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Eranga Jayawardena

Hier finden Sie das Interview von Wolfgang Heinze, Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Colombo, über die aktuelle Situation in Sri Lanka bei WDR5 zum Thema „Unruhen in Sri Lanka“.

Sri Lanka blickt auf einen bewegten Tag zurück. Am Vormittag zerstörten Unterstützer des Premierministers das Protestlager der Regierungskritiker und verletzten dortige Demonstranten teils schwer. Bei den darauffolgenden Ausschreitungen wurden unter anderem 30 Häuser von Regierungsvertretern in Brand gesetzt. Das krisengebeutelte Land erreicht einen neuen Tiefpunkt.

Mit dem Angriff von Regierungsanhängern auf Demonstranten und den darauf folgenden Ausschreitungen eskaliert die Krise in Sri Lanka. Der Premierminister Mahinda Rajapaksha trat innerhalb weniger Stunden zurück. Eine Ausgangssperre wurde für das ganze Land verhängt.

Einen Tag nach den schwersten Ausschreitungen seit mehr als drei Jahrzehnten gleicht Colombo einer Geisterstadt. Die Straßen sind leer, die Geschäfte geschlossen. Wer sich auf die Straße traut wird von Militäreinheiten an Kreuzungen überprüft. Innerhalb von 12 Stunden geriet die Stadt in eine der größten Krisen seit Jahrzehnten. Kaum einer hätte das am Montagmorgen erwartet, als in der Zwei-Millionen Stadt eine eigentlich normale Arbeitswoche begann. Zwar hat der Präsident Gotabaya Rajapaksa  den Premierminister, seinen Bruder Mahinda Rajapaksa, am vorigen Freitag aufgrund der schweren Wirtschaftskrise um seinen Rücktritt gebeten, dieser war aber von wenigen politischen Beobachtern tatsächlich erwartet worden. Zu viele Krisen haben die Rajakapsas in der Vergangenheit durch Geschlossenheit durchgestanden. Derzeit leidet die Bevölkerung massiv unter der Misswirtschaft und seit letzter Woche stehen zusätzlich neue, schwere Korruptionsvorwürfe gegen die Rajapaksas im Raum. Dennoch glaubte die Regierung bis gestern, dass sie auch diese Spannungen überwinden könnte. Verschiedene Experten und Think Tanks, unter anderem Partner der Friedrich-Naumann-Stiftung, hatten bereits seit Jahren Wirtschaftsreformen gefordert und vor einer schweren Krise gewarnt. Diese wurden aber nicht umgesetzt, stattdessen blieb die Regierung auf ihrem desaströsen Kurs.

Die letzte Machtdemonstration des Premierministers

Statt seinen Rücktritt anzukündigen, lud der Premierminister am Montagmorgen hunderte Anhänger in seine Residenz ein. Dort demonstrierten sie zunächst gegen einen Regierungswechsel und machten sich anschließend auf den Weg zum Protestcamp der Regierungskritiker. Nahezu ungehindert konnten die Anhänger des Premierministers den Ort erreichen, an dem Demonstranten seit Wochen friedlich den Rückzug der Rajapaksas aus der Regierung fordern.

Zerstörter Protestort durch Regierungsanhänger

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Im Protestcamp kam es dann zu blutigen Auseinandersetzungen, mehr als 100 Demonstranten der Anti-Rajapaksa-Bewegung wurden in Krankenhäuser eingeliefert. Den ganzen Nachmittag wurden Livestreams im Fernsehen und den Sozialen Medien übertragen, die Rajapaksa-Anhängern beim Zusammenschlagen wehrloser Demonstranten und Niederbrennen des Camps zeigten. Die Polizei setzte erst Wasserwerfer und Tränengas ein, als nahezu das gesamte Lagerzerstört war.

Der Präsident, Gotabaya Rajapaksa, verhängte daraufhin eine Ausgangssperre in Teilen von Colombo. Diese wurde aber sehr schnell auf die ganze Insel ausgeweitet, da sich überall spontane Anti-Rajapaksa Demonstrationen bildeten.

Spontane Ausschreitungen

Der Premierminister, Mahinda Rajapaksa, trat wenige Stunden später zurück. Zu spät, denn die Wut der Bevölkerung, welche seit Monaten unter der Wirtschaftskrise leidet und die Anti-Regierungsdemonstrationen unterstützte, entlud sich bereits in zahlreichen Ausschreitungen. Nachdem eine Liste mit Kennzeichen der Busse der Regierungsanhänger in Sozialen Medien auftauchte, wurden diese von GotaGoHome-Demonstranten angehalten und zerstört, die Insassen verprügelt. Im ganzen Land wurden Regierungsvertreter angegriffen, ihre Wagen zerstört und ihre Häuser niedergebrannt.

Liste der zerstörten Häuser

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Ebenso wurden zwei Hotels der Rajapaksas und ihr Familienanwesen im Süden des Landes in Brand gesetzt. Demonstranten versuchten auch die Residenz des Premierministers zu stürmen, er konnte deshalb erst in den frühen Morgenstunden und unter dem Schutz der Armee das Anwesen verlassen. Mittlerweile sammeln sich Menschenmassen vor dem Marinestützpunkt, in den er geflüchtet sein soll.

Demonstranten vor der dem Marinestützpunkt in Trincomalee

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Vertiefte Krise in Sri Lanka

Nach einem turbulenten Tag steht die Regierung nun vor einem Scherbenhaufen. Mit dem Angriff auf die friedlichen Demonstranten hat die Regierung den Konflikt in Sri Lanka verschärft und den Rest ihrer Legitimation verspielt. Die Fortführung einer demokratischen Rajapaksa-Regierung ist unter diesen Umständen kaum vorstellbar. Da die politische Opposition aber auch nicht geeint ist, ist eine Übernahme durch einen Oppositionsführer nicht zu erwarten. Politische Beobachter sprechen sich für eine Übergangsregierung aus, welche die dringend notwendigen wirtschaftlichen Reformen einleitet und den Weg für Neuwahlen freimacht.

Eine Lösung der zahlreichen Probleme Sri Lankas sowohl auf der wirtschaftlichen, als auch politischen Ebene ist in naher Zukunft nicht absehbar. Die Ausweitung der Krise auf politischer Ebene birgt zudem die Gefahr, dass notwendigen Wirtschaftsreformen erst nach einer politischen Stabilisierung möglich sind.

Das wiederum wird die Krise im Land verschlimmern und verlängern. Statt einem schnellen Ende der Anti-Regierungsdemonstrationen wie es evtl. von Mahinda Rajapaksa geplant war, findet sich das Land in einer größeren Krise wieder.

Wolfgang Heinze ist Leiter der Büros in Sri Lanka und Bangladesch der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Colombo.