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Haushalt
Scholz' Bunker: Wo bleiben die Grundsätze von Klarheit und Wahrheit im Bundeshaushalt?

Durch bunkern der Staatsüberschüsse entsteht ein Schattenhaushalt ohne parlamentarische Kontrolle. Das ist unseriös – der Finanzminister muss handeln.
Paqué
© Thomas Imo/photothek.net

Die Haushaltspolitik des Bundes wird immer merkwürdiger. Seit Jahren gibt es – angeblich unerwartete – Überschüsse, und zwar in gigantischer Größenordnung. Für 2019 sind es, man lese und staune, 17,1 Milliarden Euro. Das sind fast fünf Prozent des Haushaltsvolumens. Nach dem derzeitigen Stand soll dieses Geld in die sogenannte Asylrücklage wandern. Sie wächst damit auf etwa 48 Milliarden Euro an.

Erfreuliche Nachrichten für den Bundesfinanzminister, keine Frage. Wer hat nicht gern einen vollen „Geldsack“, in den man „zur Not“ greifen kann, wenn es eng wird? Dagegen sieht die Sache für die Bürger unseres Landes ganz anders aus. Schließlich sollte der Staat ihnen nur so viel wegnehmen, wie er wirklich zur Erfüllung seiner Aufgaben braucht.

Die Kosten für diese Aufgabenerfüllung muss er – nach bestem Wissen und Gewissen – im Voraus realistisch schätzen. Genauso wenig wie er unseriös knapp kalkulieren darf, darf das Geld der Bürger „gebunkert“ werden.

Genau dies geschieht derzeit. Der Überschuss von über 17 Milliarden Euro hat nämlich im Wesentlichen vier Gründe, drei davon auf der Ausgabenseite, alle vorhersehbar: Zinszahlungen, Investitionsmittel und Sozialabgaben.

Bei den Zinszahlungen zeichnet sich seit Jahren (und nicht erst 2019) ein klarer Trend nach unten ab. Der Kapitalmarkt gewährt dem Bund inzwischen auf breiter Front langfristige Mittel zu Null- beziehungsweise Negativzinsen. Eine Tatsache, die nun wirklich jedem bekannt ist, außer offenbar dem Bundesministerium der Finanzen.

Bei den Investitionsmitteln stockt seit Jahren der Abfluss. Einer der Hauptursachen: Die Kommunen sind als potenzielle Empfänger außerstande, die nötigen Projekte auf die Beine zu stellen, sei es wegen bürokratischer Hemmnisse oder der Knappheit von Fachkräften am Arbeitsmarkt. Auch diese Tatsache ist längst bekannt.

Staat kassiert das Geld der Bürger

Bei den Sozialausgaben hilft die hervorragende Lage am Arbeitsmarkt: hohe Rekordbeschäftigung bei niedriger Arbeitslosigkeit. Auch diese Entlastung ist alles andere als neu. Sie zeichnet sich seit fast einem Jahrzehnt ab und hat schon seit Mitte der Dekade kräftig an Dynamik gewonnen.

Also: Wo man nur hinsieht, gibt es voraussehbare Entlastungen. Und gleichzeitig steigen immer weiter die Steuereinnahmen, bedingt durch die progressive Wirkung des Steuersystems auch bei moderatem Wachstum. Auch dies ein langfristiger Trend, spätestens seit Ende der Finanzkrise Anfang des letzten Jahrzehnts.

Der Staat kassiert also Geld der Bürger, das er nicht braucht - jedenfalls nicht zeitnah, wie es eine seriöse staatliche Finanzbuchhaltung eigentlich verlangt. Deshalb der Weg in die „Asylrücklage“, bei der allerdings völlig unklar bleibt, für was die fast 50 Milliarden Euro, auf die sie angewachsen ist, jemals gebraucht werden.

 
Der Staat darf aber nicht einfach auf Dauer Summen dieser Größenordnung „beiseitelegen“, ohne konkrete entsprechende Projekte zu benennen. Ansonsten entsteht ein Schattenhaushalt von inzwischen 14 Prozent des regulären Haushalts 2020 - eine schwarze Kasse ohne parlamentarische Kontrolle.

Es gibt in einer solchen Situation eigentlich nur einen einleuchtenden Ausweg. Den Bürgern muss das Geld zurückgeben werden, also Auflösung der Asylrücklage und Steuersenkungen. Die Einnahmen des Staates müssen endlich auf ein Niveau zurückgeführt werden, was den tatsächlichen Aufgaben des Staates entspricht; Ausgaben die der Staat wirklich braucht. 

Und natürlich die Rückkehr zu einer Haushaltsplanung, die das Prädikat „seriös“ verdient: mit vorsichtigen, aber realistischen Prognosen von Zins-, Investitions- und Sozialausgaben sowie Steuereinnahmen. Schluss mit dem Bunkern, Herr Scholz!

 

Dieser Artikel erschien das erste Mal am 17. Januar im Handelsblatt uns ist hier zu finden.