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Interview
„Interesse an der Abstraktion“

Der Kurator Daniel Laufer von der jüdischen Künstlerförderung Dagesh im Interview
Das religiöse Symbol der Menora ist an der Synagoge der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf an einem Fenster angebracht
Das religiöse Symbol der Menora ist an der Synagoge der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf an einem Fenster angebracht. © picture alliance/dpa | Fabian Strauch

Diese Woche feiern Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt das Laubhüttenfest "Sukkot". Obwohl rund 200.000 Jüdinnen und Juden in Deutschland leben, werden sie oft immer noch als "Fremde" wahrgenommen. Das will Kurator Daniel Laufer mit dem Programm Dagesh ändern, das junge jüdische Künstlerinnen und Künstler unterstützt.

Interview: Ralf Balke

Hat das biblische Bilderverbot einen Einfluss auf Kunst, die Jüdinnen und Juden schaffen?

Das biblische Bilderverbot kann durchaus als eine der treibenden Kräfte verstanden werden, warum in der Kunst der Moderne, aber auch in der Konzeptkunst so viele jüdische Vertreterinnen und Vertreter zu finden sind. Wörtlich ausgelegt, wäre Jüdinnen und Juden damit die Ausübung aller bildenden Künste ja untersagt. Das ist natürlich nicht geschehen. Aber es entstand ein vermehrtes Interesse an der Abstraktion. Zugleich erklärt das auch, warum Juden im Naturalismus eher selten zu finden sind.

Welche Folgen hat das für die Wahrnehmung jüdischer Künstlerinnen und Künstler?

Die enge Verknüpfung von Jüdinnen und Juden mit der künstlerischen Moderne leitete in der Vergangenheit einen Prozess der Ausgrenzung ein. Nicht ohne Grund waren in der von den Nationalsozialisten organisierten Ausstellung „Entartete Kunst“ so viele jüdische Vertreterinnen und Vertreter zu sehen. Zudem gibt es in der Gegenwart in Deutschland wieder eine Tendenz, Nationales in den Vordergrund zu rücken. Kunstschaffende sehen sich aber häufig eher in internationalen Kontexten, was gerade für Jüdinnen und Juden zum Problem werden kann: Sie werden nicht nur in neurechten Milieus dann als Kosmopoliten verleumdet, sondern es schwingt auch der Vorwurf mit, nicht „authentisch“ zu sein.

Daniel Laufer
Daniel Laufer ist Kurator der Künstlerförderung Dagesh. © Burg Hülshoff

Sie selbst verbinden in Ihren Rauminszenierungen oftmals Malerei mit Videos, Texten und Musik. Spielen jüdische Themen dabei eine Rolle?

Für die Golem-Ausstellung im Jüdischen Museum in Berlin beispielsweise habe ich mich intensiv mit dem Mythos dieser legendenumwobenen Figur und ihrem Schöpfer beschäftigt, dem Rabbi Löw. Solche Themen kommen auf mich zu und das hat eine Menge mit spiritueller Praxis zu tun. Ich hatte von der Geschichte gehört, dass der jüdische Friedhof in Berlin-Weißensee von einem Golem beschützt worden sei, weshalb ihn die Nazis nicht zerstören konnten. Das hat mein Interesse geweckt, mich diesem Ort und dem Thema künstlerisch zu nähern.

Wo liegt der Schwerpunkt Ihrer Arbeit als Kurator?

Ich arbeite für Dagesh, ein Programm der Leo Baeck Foundation. Es versteht sich als Schnittstelle zwischen kultureller und politischer Bildungsarbeit und zugleich als Plattform, die junge jüdische Künstlerinnen und Künstler unterstützt. Wir wollen ihnen Räume zugänglich machen, in denen auch aktuelle Fragen nach dem Jüdischsein in der Kunst verhandelt werden können.

Welche Bedeutung hat das in der Gegenwart?

Es gibt Herausforderungen, die vor allem jüdische Künstlerinnen und Künstler betreffen. Es geht zum einen um Fremdzuschreibungen, gegen die wir uns wehren. Zum anderen ist die unsägliche Boykott-Bewegung gegen Israel, „BDS“, gerade im Kunstbetrieb ein Problem. Nur wenige dort sind sich über den alltäglichen Antisemitismus in Teilen der deutschen Gesellschaft bewusst und können BDS daher nicht adäquat einordnen. Zudem gibt es einen Gruppenzwang, den die Kampagne oft auslöst, sodass im Zweifel viele auf einen Boykottaufruf verständnisvoll reagieren. Das hat auch viel mit dem zu tun, was ich einen Pseudo-Humanismus nenne. BDS nimmt mittlerweile Jüdinnen und Juden generell in Kollektivhaft. Das sah man exemplarisch an der Ausladung des jüdischen Reggae-Musikers Matisyahu vom Festival Rototom Sunsplash 2015.

Dieses Interview stammt aus der Liberal 1/21.

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