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Sachlichkeit ist das Antibiotikum gegen Wut und Hass

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger über den Umgang mit Rechtspopulismus
Sabine-Leutheusser-Schnarrenberger

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sprach in Nagold über die Herausforderungen durch den Rechtspopulismus

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Der Rechtspopulismus stellt unsere Demokratie vor Herausforderungen. Vereinfachungen, Verunglimpfungen, Hass, Hetze und der Versuch, eine Entfremdung von Bürgern und „denen da oben“ zu schüren, sind dabei übliche Methoden, den pluralistischen Diskurs und unsere offene Gesellschaft zu diskreditieren. Wie man dieser Entwicklung entgegentreten kann, war Thema eines Vortrags unseres Vorstandsmitglieds Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in Nagold.

Entwicklung und Wesen des Rechtspopulismus

Schon in den 1970er Jahren erstarkten sogenannte Volksparteien, wie die ehemalige Justizministerin aufzeigte. In den späten 80er und frühen 90er Jahren verzeichnete der Rechtspopulismus weiteren Zuwachs, beispielsweise in Form der österreichischen FPÖ oder der Lega Nord in Italien. Inzwischen sind rechtspopulistische Parteien in vielen Ländern- sowie im Europaparlament nach beachtlichen Wahlerfolgen vertreten.

Wie lässt sich diese Entwicklung erklären und womit haben wir es hier eigentlich zu tun? Es gehe Populisten um die Vermittlung tatsächlicher oder vermeintlicher Missstände – dabei werden komplexe Inhalte zumeist möglichst einfach und verkürzt dargestellt. Gesellschaftliche Eliten werden als Antagonisten des Volkes beschrieben und die entsprechenden politischen Parteien versuchen, ein autokratisches System zu etablieren, in dem Presse- und Meinungsfreiheit störende Elemente sind und das an traditionellen nationalen Werten orientiert ist.

 

Sachlicher Diskurs als richtige Umgangsweise

Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage des richtigen Umgangs mit Rechtspopulisten, so Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Lange wurden diese für ewig Gestrige mit einem eher niedrigen Bildungsniveau gehalten. Dies sei aber nicht der Fall – es handele sich keineswegs nur um ein bildungsfernes Milieu, sondern durchaus auch um die Mittelschicht, die enttäuscht sei, das Gefühl habe, abgehängt zu sein oder sich mit den Strukturen der globalisierten Welt überfordert fühle. Die Flüchtlingspolitik habe hier die Problematik zusätzlich befördert und rufe bei einigen die Sehnsucht nach einem starken (National-)Staat hervor.

Man dürfe nicht mit dem Gestus der Empörten reagieren, sondern müsse nüchtern mit den Positionen umgehen, so Leutheusser-Scharrenberger. Es sei wichtig, nicht auszuweichen, sondern den Diskurs zu führen und die Möglichkeit des Gesprächs – und auch des Streits – zu nutzen.

Ignoranz ist nicht cool und Unwissenheit keine Tugend.

Sabine-Leutheusser-Schnarrenberger
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Wir sind alle Zeitzeugen von einem Angriff auf demokratische Werte, wobei Worte zu Waffen werden – von „Lügenpresse“, „Volksverrätern“ und „barbarischen muslimischen Horden“ ist oftmals in den Aussagen der rechtpopulistischen Parteien die Rede. Demgegenüber brauche es eine stabile Verfassung und wehrhafte Demokraten, die bewusst die Wertbindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bewahren. „Ignoranz ist nicht cool und Unwissenheit keine Tugend", so die ehemalige Ministerin. Man müsse der rechtspopulistischen Bewegung das Bekenntnis zu konkreten liberalen Lösungsvorschlägen entgegensetzen. Die bestehenden Probleme dürfe man nicht ausblenden, um der Kritik zu kontern, dass man sich diesen nicht stelle oder sie nicht wahrhaben wolle. Dem Versuch, Ängste mit nicht belegten Zahlen und Fakten zu schüren, müsse man argumentativ begegnen: „Sachlichkeit ist das Antibiotikum gegen Wut und Hass“, so Leutheusser-Schnarrenberger.

Das Fundament des Verfassungsstaats ist aktuell stabil und die Demokratie nicht im Kern gefährdet, so ihre optimistische Einschätzung. Man müsse sich dazu jedoch stets bemühen, Mehrheiten zu finden, die Auseinandersetzung zu führen und gegen falsche Behauptungen Fakten zu setzen. Das verlangt die Bereitschaft von uns allen, sich dem zu stellen und auch alte Debatten mit neuen Akzenten immer wieder zu führen – so ihr Plädoyer für mehr Engagement.