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Antisemitismus
Rapper gegen Antisemitismus: Erfolgreiche Präventionsarbeit an Schulen mit Ben Salomo

Florian Diddens, Ben Salomo und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Florian Diddens, Ben Salomo und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger auf der Leipziger Buchmesse.

© FNF

Die Antisemitismusprävention ist seit Jahren fester Bestandteil politischer Bildungsarbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Ein Format hat dabei in den letzten Jahren besondere Bedeutung gewonnen: Seit 2019 hat die Stiftung zusammen mit dem Rapper Ben Salomo mehr als 500 Veranstaltungen an Schulen im gesamten Bundesgebiet zum Thema Antisemitismus durchgeführt. Im Fokus standen und stehen dabei die Rap-Szene, die Verbindung zur Jugendkultur und der Resonanzboden, auf den judenfeindliche Botschaften mancher Rapper auch im Schulumfeld treffen.

Ben Salomo tritt bei diesen Veranstaltungen nicht als reiner Wissensvermittler auf. Er kennt das, worüber er spricht, aus eigener Erfahrung. Aus Protest gegen die antisemitischen, gewaltverherrlichenden und Terrorismus glorifizierenden Texte vieler Rapper stieg er 2018 aus der Szene aus. Doch nicht nur im deutschen Gangsta-Rap als Teil der Jugendkultur ist Judenfeindlichkeit verbreitet– auch als Kind in Berlin hatte er bereits einschneidende Erfahrungen machen müssen. Mit Ausschnitten aus Liedtexten und Videos sowie persönlicher Ansprache wird eine emotionale Ebene mit den Schulklassen hergestellt, die im gewöhnlichen Unterricht oftmals unerreicht bleibt.

Leipziger Buchmesse
© FNF

Dieses Bildungsangebot für Schulen wurde jüngst durch Prof. Dr. Julia Bernstein und Florian Diddens von der Frankfurt University of Applied Sciences analysiert und unter pädagogischen Gesichtspunkten wissenschaftlich ausgewertet. Das Programm und die wissenschaftlichen Befunde sind auf der Leipziger Buchmesse von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Ben Salomo und Florian Diddens unter der Moderation von Katja Raab (Länderbüro Mitteldeutschland der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit) präsentiert und diskutiert worden.

Die Zuhörerinnen und Zuhörer erlebten dabei einen interessanten Abgleich der Erkenntnisse in der Studie mit den Ausführungen von Ben Salomo und einer politischen und gesellschaftlichen Einordnung der stellvertretenden Vorsitzenden der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

In der Arbeit mit den Jugendlichen (durchgeführt wurden die Veranstaltungen v.a. von der 9. Klasse aufwärts), sei ihm vor allem Unwissenheit begegnet, so Ben Salomo. Antijüdische Narrative, die von Rappern bewusst in ihren Texten aufgenommen wurden, seien unreflektiert aufgenommen worden. Eindrücklich berichtete Ben Salomo über den Antisemitismus als „bestehendes Klima“ in der Rap-Szene. Er beschrieb dabei drei Ebenen, in denen sich diese feindliche Haltung allen Juden gegenüber stützt und verstärkt. Das eine seien die sogenannten Gangsta-Rapper selbst, die häufig anti-israelische und antijüdische Narrative aufnähmen und mit ihren Texten verbreiteten. Teils könne man diese Haltung darüber hinaus auch durch Glorifizierungen von und Solidarisierungen mit Terrororganisationen wie der Hamas beobachten. Die zweite Ebene sei die Rap-Industrie und Kulturszene allgemein, in welchen derlei Gedanken einen deutlichen Widerhall fänden. Die Echoverleihung 2018, Skandale um die Documenta sowie die jüngsten Äußerungen auf der Berlinale sprächen für sich. Zum Teil würde die antisemitische Haltung dort noch weiter verstärkt und gefördert. Die dritte Stufe seien schließlich die Konsumenten der Musik, die mit Klickzahlen und Käufen dem Antisemitismus eine wirtschaftliche Basis gäben und ihn somit in der Szene weiter verstärkten.

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So richtete Sabine Leutheusser-Schnarrenberger dann auch einen Appell an die Bundesländer: Wenig sensibilisierte Schülerinnen und Schüler und nicht adäquat geschultes Lehrpersonal könnten diesem Trend wenig entgegensetzen. Sensibilisierung für das Thema und der richtige Umgang mit antisemitischen Haltungen müssten verpflichtender Bestandteil der Lehrerausbildung werden. Der aktuelle Ansatz in Nordrhein-Westfalen, entsprechende Inhalte im Referendariat zu integrieren, sei zwar ein richtiger Schritt. Allerdings müsse es integraler Bestandteil bereits des Lehramtsstudiums sein. „Judenfeindlichkeit ist“, so Leutheusser-Schnarrenberger weiter, „ein klarer Verstoß gegen Artikel 1 unseres Grundgesetzes“.

Die Studie von Prof. Dr. Julia Bernstein und Florian Diddens zeigt im Übrigen einen Aspekt, den auch Ben Salomo nochmals auf dem Podium bekräftigte: Das Aufzeigen der Betroffenenperspektive ist ein elementarer Bestandteil einer erfolgreichen Bildungsarbeit mit Jugendlichen. Häufig bestehen unter ihnen zwar mehr oder minder explizite Vorstellungen darüber, wie „die Juden“ denn seien. Einen direkten Austausch mit Menschen jüdischen Glaubens hatten die allermeisten jedoch nicht. Das Ausblenden der betroffenen Seite und das Nichtwissen um jüdische Kultur in ihrer Vielfältigen Form bereiten einen Nährboden für diffuse Verschwörungstheorien.

Antisemitische Feindbildkonstruktionen, wie etwa die Dämonisierung des Staates Israel, eine Täter-Opfer-Umkehr, treffen, so zeigt die Studie, auch bei Schülerinnen und Schülern auf Zustimmung. Gerüchte und Unwahrheiten setzen sich nicht zuletzt wegen der antisemitischen Hassbotschaften einiger deutschsprachiger Gangsta-Rapper in den Köpfen der Jugendlichen fest.

Gerade nach dem 7. Oktober 2023 habe sich die Situation an den Schulen nochmal verschärft, fügte Florian Diddens hinzu. Insofern sei eine aktive Präventionsarbeit – auch durch das Wahrnehmen solcher externen Bildungsangebote – wichtiger denn je. In der Studie kommen die Wissenschaftler zur Schlussfolgerung, dass das Veranstaltungsangebot mit Ben Salomo als pädagogisches Konzept als „gelungen und effektiv einzuordnen“ sei. Es leiste durch seinen einen „elementaren Beitrag für die Antisemitismusprävention“ und „einen wesentlichen und bedeutenden Beitrag für die demokratische Zivilgesellschaft“.