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Sicherheitspolitik
Nachbericht zur Nürnberger Sicherheitstagung

Nürnberger Sicherheitstagung

Nürnberger Sicherheitstagung: Eine Zeitenwende in Deutschlands Sicherheitsstrategie?

© Thomas Dehler Stiftung

„Russland hat die Ukraine angegriffen. Das ist völkerrechtswidrig. Das Völkerrecht besagt, dass sich die Ukraine wehren darf. Es sagt auch, dass andere, sofern Deutschland nicht selber Soldaten in das Land schickt, die Ukraine mit Material unterstützen kann. Das ist das Völkerrecht. Wir dürfen das Völkerrecht nicht relativieren.“, sagte Agnes Strack-Zimmermann auf der Sicherheitstagung am 13.—14. Mai in Nürnberg.

Die alljährliche Nürnberger Sicherheitskonferenz, zu der die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und Thomas-Dehler-Stiftung einladen, war dieses Jahr von besonderer Bedeutung. Auf dem Podium der Konferenz sprachen Oberstleutnant i.G. Marcel Bohnert (v.l.n.r.), die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und General a.D. Egon Ramms über die sicherheitspolitischen Erkenntnisse aus dem Ukraine-Krieg. Das Podium wurde von Herrn Ulrich Lechte, außenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und Leiter der Nürnberger Sicherheitsgespräche, moderiert. 

Schwachstellen der deutschen Verteidigungs-und Sicherheitspolitik

Im Mittelpunkt der Tagung stand der Angriffskrieg auf die Ukraine, das angekündigte Sondervermögen für die Bundeswehr und die „Kriegstüchtigkeit“ und „Kriegstauglichkeit“ der Deutschen. Dieses Thema ist bekannterweise kein beliebtes und dennoch hat der schreckliche Angriffskrieg auf die Ukraine gezeigt, dass es essenziell ist, diese Debatte zu führen. „Wir haben hohen Zeitdruck und Handlungsbedarf“, sagte Egon Ramms. Der Krieg weist auf mehrere Schwachstellen der deutschen Verteidigungs-und Sicherheitspolitik hin. Diese sind zwar kein Novum, doch werden endlich ernsthaft diskutiert. Auch der Afghanistaneinsatz mit 92.000 Soldaten sollte als „lesson learned“ der Interventions-und Friedensmission genutzt werden, um zukünftige Fehler zu vermeiden.

Sondervermögen der deutschen Bundeswehr

Das langfristig kultivierte Ausstattungsproblem der Bundeswehr wird durch das Sondervermögen von 100 Milliarden zwar kurzfristig gelöst, doch ist es keine langfristige Lösung. Der Haushalt sollte jährlich 20 Milliarden mehr betragen als bisher, um die deutsche Handlungsfähigkeit zu erhöhen, so General a.D. Ramms. „Sondervermögen ist etwas Feines und passt für die nächsten fünf Jahre, aber es muss etwas danach kommen. Danach hat nach meinem Kenntnisstand in der Politik bisher keiner geredet.“ Putin hat Deutschland und Europa schon längst gezeigt, dass er sich an Verträge und Abkommen nicht hält, ja sie sogar verspottet. Spätestens seit dem Georgienkrieg 2008 lag auf der Hand, dass Putin eine ernst zu nehmende Bedrohung ist. Die Politik jedoch hat diese Bedrohung nicht ernst genommen.

Auch Dr. Strack-Zimmermann unterstrich, dass Deutschland in dieser Hinsicht die Entwicklungen nicht wahrhaben wollte. Die Annexion der Krim war der Anfang des Krieges. Schon damals ist Russland in die Ostukraine einmarschiert, sodass 14000 Menschen ums Leben kamen. Und auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Jahr 2008 hat Putin angekündigt, was er plant, verweist Strack-Zimmermann.

Putins Ziel ist es, Europa zu destabilisieren, und das zeigt er öffentlich und ohne Skrupel. Deswegen ist es von enormer Wichtigkeit, die materiellen sowie personellen Lücken Deutschlands zu füllen, mahnt Oberst André Wüstner.

Ausstattung der Bundeswehr

Das Problem der deutschen Verteidigung ist nicht nur das fehlende Material und die Ausstattung, auch die fehlende Veteranenkultur spielt dabei eine wichtige Rolle. Es ist bekannt, dass die deutsche Gesellschaft eher wenig von Verteidigung und der Bundeswehr wissen möchte und dahingehend eher gegen ein erweitertes Vermögen für die Ausstattung der Bundeswehr stimmt. Auch die Bereitschaft für die Bundeswehr ist niedrig in Deutschland. Das änderte sich zwar kurzfristig nach Anfang des Krieges, doch schon jetzt ist ein Rückgang der Zustimmung zu sehen.

Alle Experten auf der Sicherheitstagung waren sich einig: Deutschland braucht Streitkräfte; nicht nur mit hoher Präsenz, sondern auch mit entsprechender Einsatzbereitschaft. Deutschland benötigt im Falle des Falles Reservisten. Das Sondervermögen müsse auch dafür sorgen, dass zügig die Einsatzbereitschaft gesteigert wird, so Oberstleutnant i.G. Marcel Bohnert. Eines ist klar: Was für Europa, die NATO und Deutschland auf dem Spiel steht, ist nicht nur die Integrität der Länder, sondern auch, dass Nachbarstaaten der Ukraine schon bald in Putins Fokus geraten könnten. Hierfür müssen Deutschland und die NATO-Länder gewappnet sein. Deutschland steht jedoch noch am Anfang seiner strategisch wichtigen Generalüberholung des Verteidigungsapparats.