EN

Tsitsi Dangarembga
Kampf um die Freiheit

Tsitsi Dangarembga
© picture alliance / EPA | AARON UFUMELI

Es ist unglaublich mutig, den Kampf mit einem Staatsapparat aufzunehmen, der Freiheit und Menschenrechte unterdrückt. Das gilt erst recht in Staaten, die die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien zur eigenen Machtsicherung missachten und die universelle Menschenrechtserklärung als unverbindliches Papier ad acta legen. Die dort niedergelegte Meinungs- und Demonstrationsfreiheit stört, passt sie doch nicht zum Selbstverständnis autokratischer Machthaber. Verbale Kritik, und sei sie noch so harmlos, muss nach diesem Verständnis unterbunden werden, mit allen Mitteln. Weltweit stehen mutige Oppositionelle, Human Rights Fighters sowie Künstlerinnen und Künstler unter Dauerbeobachtung.  So auch Tsitsi Dangarembga, die weltweit bekannte Autorin und Filmemacherin aus Simbabwe, die in ihren Werken die Unterdrückung der Frauen in ihrem Heimatland anprangert und sich für ein besseres Leben für sie einsetzt. Erst jüngst mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet, wird die Schriftstellerin Dangarembga durch einen autoritären Staatsapparat verfolgt. Seit zweieinhalb Jahren steht sie vor Gericht – wegen Nichtigkeiten. Ein Plakat auf den Straßen von Harare, zusammen mit der Journalistin Judith Barnes getragen, war der Stein des Anstoßes. Auf dem Plakat fand sich lediglich ein allgemeiner Aufruf zu Reformen in Simbabwe. Von Anfang an war klar, dass Tsitsi Dangarembga einem Schauprozess ausgeliefert sein würde. Gelegentlich wird der Anschein eines rechtsstaatlichen Verfahrens erweckt, wenn nach britischem Vorbild Richter, Staatsanwalt und Angeklagte in einem Raum sitzen. Das war es denn aber auch. Viele Menschen inner- und außerhalb Simbabwes sehen die Schriftstellerin, Filmemacherin und Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels als Fackelträgerin des jahrzehntelangen Kampfes gegen Unterdruckung und Korruption. Seit 2020 beklagt sie auf friedliche und dabei breitenwirksame Weise nicht nur den Zerfall der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Ordnung des Landes, sondern liefert Ideen für institutionelle Reformen und die Stärkung der Meinungsfreiheit. Anlass zum Protestieren gibt es reichlich, die Wirtschaftslage ist seit Jahren desolat, der Staat korrupt und die Armut groß. Der ehemalige Präsident Robert Mugabe galt nach dem Zerfall des Apartheid-ähnlichen Regimes von Ian Smith 1979 für einige Jahre als Hoffnungsträger der Demokratisierung und ließ sich als antikolonialer Freiheitsheld feiern. Stattdessen beutete er zum eigenen Machterhalt sein Land aus, massakrierte Tausende und zerschlug die noch junge Verfassungsordnung des Landes. Groß angelegte Enteignungen privater Ländereien führten zum Absturz der einstigen Kornkammer Afrikas.

Nach Mugabes Tod 2019 leidet das Land nun unter seinem Nachfolger Emmerson Mnangagwa (Spitzname: The Crocodile) weiter unter Hyperinflation, Armut und Klientelpolitik. Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit hat die Entwicklung des Landes und der Politik von Anfang an begleitet und ist seit dem Sturz Ian Smiths im Lande. Die ersten Jahre waren verhältnismäßig einfach, es wurde viel Aufbauarbeit geleistet. Richtig schwierig wurde es ab 1999, als die Stiftung durch ihre Partner an der Formulierung einer neuen demokratischen und liberalen Verfassung mitarbeitete – und diese dann in einer Volksabstimmung, gegen den Willen des damaligen Präsidenten Mugabe, mit Mehrheit angenommen wurde. Mugabe hatte sowohl die neue Verfassung wie auch die für ihn verlorene Volksabstimmung richtig eingeschätzt: Es ging darum, die autokratische Herrschaft seiner Regierungspartei ZANU zu beenden.

Hunger und Hyperinflation

Seine Antwort waren groß angelegte Farm-Invasionen und die vollkommene Zerschlagung des Agro-Business – der Basis der simbabwischen Volkswirtschaft. Innerhalb weniger Jahre wurde aus dem Brotkorb Simbabwe ein Klingelbeutel. Armut, Hunger und Hyperinflation waren die Folgen. Politisch wurde auf alle Andersdenkenden Jagd gemacht. Das hielt und hält auch vor der Stiftung nicht an: Es kam immer wieder zu Besuchen des Geheimdienstes und des Militärs, die Büros wurden verwanzt und die Hotelzimmer der Projektleiterin demonstrativ in ihrer Abwesenheit durchsucht. Telefone und E-Mails wurden abgehört, Kuriersendungen zuverlässig aufgemacht. Und doch lassen sich unsere Partner nicht unterkriegen und geben somit auch der Stiftung den Mut – und auch die Verpflichtung –, weiter für einen demokratischen Wandel in Simbabwe zu arbeiten. Dangarembgas Kernbotschaft „Ein besseres und gerechteres Simbabwe für alle“ ist kein Aufruf zur Revolution. Jedoch scheint sich das simbabwische Regime dadurch schwer herausgefordert zu sehen. Zwei Jahre und 29 ermüdende Prozesstage später steht fest: Die Demonstration wurde ihr nicht nur übelgenommen, sondern die Staatsanwaltschaft wirft ihr Agitation für Gewalt, Friedensbruch und darüber hinaus „Bigotterie“ vor. Obwohl es keine Beweise gibt, zielt der Antikorruptionsgerichtshof allem Anschein nach auf eine Haftstrafe.

Zermürbungs-Taktik vor Gericht

Ja, Tsitsi Dangarembga hätte sich längst in Sicherheit bringen können. Simbabwe zu verlassen kam für sie jedoch nicht infrage. Mein Eindruck nach einem langen und bewegenden Gespräch in Harare mit ihr ist: Selten hat eine Verfechterin eines aufgeklärten Afrikas mit mehr Leidenschaft für die Sache gekämpft. Und ist dabei so hartnäckig und unerschrocken geblieben. Ihre künstlerische und intellektuelle Verbundenheit mit ihrer Heimat Simbabwe zeigt sich nicht nur in ihrem Werk. In ihrem Roman „Aufbrechen“, der biografische Bezüge aufweist, zeigt sie die traditionelle Rolle von Frauen in Simbabwe: Kaum Zugang zu Bildung oder Arbeit, keine Selbstbestimmung in der Lebensführung – was bedeutet es, aus solchen Strukturen auszubrechen? Tumbudzai Sigauke, die Protagonistin in „Aufbrechen“, erlebt Gewalt, Unterdrückung und familiäre Entfremdung. Im heutigen Simbabwe geht es ebenfalls um zerschlagene Hoffnungen. Das Regime in Harare zeigt sich unbeeindruckt von der internationalen Empörung über diesen Prozess und seinen Ablauf. Dangarembga ist dem Präsidenten ein Dorn im Auge, weil sie nicht nur Simbabwes berühmteste Schriftstellerin, sondern eine laute Stimme im Kampf für Demokratie und Frieden, Freiheit und Menschenrechte ist. Sie steht stellvertretend für all die Verfolgten und Angeklagten, für die Unterdrückten und Inhaftierten – und einmal mehr sitzt auch die Freiheit in Simbabwe auf der Anklagebank.

Zwei Jahre lang wurden Hoffnungen auf einen Freispruch von den wechselnden Richterinnen und Richtern immer wieder zerschlagen, zuletzt am 4. August diesen Jahres, als der Antrag auf Einstellung des Verfahrens abgelehnt wurde. Die Dauer des Prozesses und die Zermürbungstaktik des Antikorruptionsgerichtshofs mögen zwar Spuren hinterlassen. Doch Tsitsi Dangarembga bleibt unbeugsam. 

Dieser Beitrag erscheint erstmalig am 1. Oktober in der neuen Ausgabe des Magazins Liberal.

Hier können Sie die neue Ausgabe kostenlos abonnieren.

Freiheit vor Gericht

Der simbabwische Schriftsteller Tsitsi Dangarembga  und seine Kollegin Julie Barnes halten Plakate, als sie während eines Protestmarsches gegen Korruption auf der Borrowdale Road am 31. Juli 2020 in Harare verhaftet werden.

Weil sie in Harare für institutionelle Reformen demonstrierte, steht die simbabwische Schriftstellerin Tsitsi Dangarembga in einem Schauprozess vor Gericht. Das Regime versucht an ihr ein Exempel zu statuieren, das Kritiker einschüchtern soll. So beweist das Verfahren, was Dangarembga dem Regime bei ihrem Protest vorgeworfen hat: Es braucht ein besseres Simbabwe.

Weiterlesen