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Wohneigentum
Aus der Traum

Warum rückt das Eigenheim für viele gerade in weite Ferne?
Ein Baugerüst steht an der Fassade von einem nicht fertig gebauten Wohnhaus auf einer Baustelle

Ein Baugerüst steht an der Fassade von einem nicht fertig gebauten Wohnhaus auf einer Baustelle

© picture alliance/dpa | Monika Skolimowska

Etwa neun von zehn (87 Prozent) aller 14- bis 19-Jährigen wollen bereits mit 30 Jahren im Eigenheim leben. Gleichzeitig gehen 90 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen fest davon aus, dass sie in ihrem Leben auch die finanziellen Möglichkeiten haben werden, Wohneigentum zu erwerben. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Befragung des Forsa-Instituts im Auftrag des Verbands der Privaten Bausparkassen. Der Traum vom Leben in „den eigenen vier Wänden“ existiert nicht nur bei den Jüngeren, sondern ist in allen Altersklassen präsent. 72 Prozent aller Mieterinnen und Mieter würden gerne Wohneigentum erwerben. Die Menschen in Deutschland träumen vom eigenen Haus. Doch insbesondere aufgrund der hohen Zinsen rückt das Eigenheim für viele gerade in weite Ferne.

Wie hoch ist die Wohneigentumsquote in Deutschland?

Deutschland ist eine Mieternation. Die Wohneigentumsquote – der Anteil der Haushalte, die im selbst genutzten Wohneigentum leben – liegt in Deutschland aktuell bei 46,5 Prozent. Erst ein Vergleich mit den neun Nachbarländern macht deutlich, wie niedrig die Wohneigentumsquote in Deutschland tatsächlich ist. Lediglich die Schweiz weist mit einer Wohneigentumsquote von 42,3 Prozent einen geringeren Wert als Deutschland auf. Nachbarländer wie Polen, Tschechien oder Belgien besitzen hingegen einen deutlich höheren Anteil an Wohneigentümern. Diese Beobachtung beschränkt sich nicht allein auf Deutschlands direkte Nachbarländer. Innerhalb der Europäischen Union liegt die durchschnittliche Wohneigentumsquote bei 70 Prozent und damit mehr als zwanzig Prozentpunkte höher als in Deutschland. Tatsächlich besitzt kein anderes Land innerhalb der EU eine niedrigere Wohneigentumsquote als Deutschland.

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© Eurostat, FNF, IW

Fakt: Deutschland hat mit 46,5 Prozent die niedrigste Wohneigentumsquote innerhalb der EU.

Wie hoch ist die Eigentumsquote in unterschiedlichen Altersklassen?

Während die Wohneigentumsquote innerhalb der Bevölkerungsgruppe mit einem Alter über 45 Jahren aktuell bei 54,2 Prozent liegt, beträgt der Anteil der Wohneigentümerinnen und -eigentümer in der Altersgruppe unter 45 Jahren gerade einmal 25,2 Prozent. Die Schere zwischen jüngeren und älteren Eigentümern geht dabei immer weiter auseinander. Aktuell liegt die Differenz bei etwa 29 Prozentpunkten, im Jahr 2000 lag der Unterschied noch bei „nur“ 20 Prozentpunkten. In Deutschland herrscht also eine deutliche Diskrepanz zwischen Traum und Wirklichkeit.

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© Quelle: FNF, IW

Fakt: In der Altersgruppe unter 45 Jahren liegt die Wohneigentumsquote bei gerade einmal 25,2 Prozent.

Warum wird der Eigentumserwerb gerade noch schwieriger?

Neben einer Explosion der Baukosten gibt es hierfür einen zentralen Grund: Die Bauzinsen steigen – und damit auch die Finanzierungskosten für Immobilienkredite.

Die letzten Jahre waren geprägt von einem historisch niedrigen Zinsniveau. Im Zeitraum zwischen 2017 und 2021 lag der Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) im Jahresdurchschnitt durchgehend bei 0 Prozent. Banken konnten sich also über einen langen Zeitraum äußerst günstig Geld bei der EZB leihen und dieses Geld in Form günstiger Kredite an ihre Kundinnen und Kunden weitergeben. Im Jahr 2021 kam es jedoch zu einem deutlichen Anstieg der Inflationsrate, der durch die Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und den damit verbundenen Anstieg der Energiepreise noch weiter befeuert wurde. Im Oktober 2022 erreichte die Inflationsrate in Deutschland mit 10,4 Prozent ihren zwischenzeitlichen Höhepunkt. Diese Entwicklung zwang die Europäische Zentralbank zu einer Zinserhöhung auf inzwischen zwei Prozent.

Wenig überraschend ist daher auch bei den Bauzinsen ein erheblicher Anstieg seit Jahresbeginn sichtbar. Eine Auswertung von Interhyp zeigt, dass Kredite mit langfristiger Zinsbindung (wie sie für die Finanzierung eines Immobilienerwerbs üblich sind), von den Banken nur noch mit deutlichem Risikoaufschlag vergeben werden. Der Zinssatz für zehnjährige Kredite lag Ende 2021 noch bei lediglich einem Prozent. Aktuell liegt der Zinssatz für einen Kredit mit zehnjähriger Laufzeit bereits bei 3,56 Prozent. Bei Krediten mit fünfzehnjähriger Zinsbindung liegt der Zinssatz aktuell bei 3,68 Prozent, während er Ende 2021 noch bei 1,29 Prozent lag (Stand: 01.12.2022).

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© Quelle: Interhyp

Fakt: Insbesondere die steigenden Zinsen machen den Eigentumserwerb gerade so schwierig.

Warum ist der plötzliche Zinsanstieg so problematisch?

Der plötzliche Zinsanstieg hat zur Folge, dass sich die finanzielle Gesamtbelastung für Immobilienkäuferinnen und -käufer deutlich erhöht. Dies wird durch ein Rechenbeispiel besonders klar. Angenommen wird ein Kreditvolumen von 400.000 Euro sowie eine Tilgungsrate von 2 Prozent. Für den Zinssatz werden zwei Szenarien betrachtet. In Szenario 1 liegt der Zinssatz bei 1 Prozent, in Szenario 2 wird ein Zinssatz von 3 Prozent angenommen. Während die monatliche Belastung für den aufgenommenen Immobilienkredit in Szenario 1 lediglich 1.000 Euro betragen würde, beträgt diese Belastung in Szenario 21667 Euro. Durch den Zinsanstieg von zwei Prozentpunkten – der relativ gering erscheinen mag – erhöht sich die monatliche Belastung um etwa 67 Prozent. Damit wird klar, dass ein langfristiger Zinsanstieg den Erwerb von Wohneigentum deutlich erschweren würde.

Der Zinsanstieg ist nicht nur für diejenigen problematisch, die derzeit über den Erwerb von Wohneigentum nachdenken – oder nachgedacht haben. Der Zinsanstieg betrifft auch für diejenigen, die bereits eine Immobilie gekauft haben. 48 Prozent aller Käuferinnen und Käufer, die in den letzten fünf Jahren eine Immobilie erworben haben, machen sich aufgrund der gestiegenen Zinsen Sorgen bezüglich der Anschlussfinanzierung. Nur 12 Prozent haben bereits eine Anschlussfinanzierung abgeschlossen. Somit besteht die konkrete Gefahr, dass in den nächsten Jahren mehr und mehr Haushalte die steigende Finanzierungslast nicht mehr tragen können.

Fakt: 48 Prozent aller Immobilienkäuferinnen und –käufer sorgen sich derzeit um die Anschlussfinanzierung.

Führt die aktuelle Entwicklung zu sinkenden Preisen?

Es verdichten sich die Anzeichen, dass sich der Zinsanstieg und die damit verbundenen Zusatzkosten auf die Nachfrage nach Kaufimmobilien auswirkt. Diese Auswirkungen machen sich nun auch bei den Preisen bemerkbar. Laut dem Preisindex des Verbands deutscher Pfandbriefbanken sanken die Preise für Wohnungen und Häuser im dritten Quartal 2022 gegenüber dem Vorquartal um 0,7 Prozent. Der Aufwärtstrend bei den Immobilienpreisen scheint also vorerst gestoppt. Von einem Einbruch der Immobilienpreise kann aber (zumindest bis jetzt) keine Rede sein. Die bisherigen Preisrückgänge sind keinesfalls so hoch, dass sie die Mehrkosten durch das steigende Zinsniveau kompensieren könnten.

Fakt: Die Immobilienpreise sinken aktuell – ein Einbruch der Preise ist aber nicht zu beobachten.

Warum wäre mehr Wohneigentum überhaupt wünschenswert?

Kritiker könnten die Frage stellen, warum eine höhere Wohneigentumsquote überhaupt wünschenswert wäre. Hierfür gibt es fünf handfeste Gründe, die in unserem Policy Paper „Wird Wohneigentum unerreichbar?“ herausgearbeitet werden:

  1. Eigentümerinnen und Eigentümer sind glücklicher.
  2. Eigentümerinnen und Eigentümer haben einen „Vermögensvorsprung“
  3. Eigentümerinnen und Eigentümer leben günstiger
  4. Eigentümerinnen und Eigentümer sind vor Mietsteigerungen geschützt
  5. Eigentum ist Werbung für die Soziale Marktwirtschaft

Fakt: Wohneigentum macht – unter anderem – glücklicher, „reicher“ und schützt vor Mietsteigerungen.

Was kann man tun, damit Wohneigentum auch in der aktuellen Situation erreichbar bleibt?

Es braucht die richtigen Rahmenbedingungen für den Eigentumserwerb. Andernfalls könnte das Aufstiegsversprechen der „eigenen vier Wände“ in Deutschland gänzlich verloren gehen. Zum anderen könnte sich der Wettbewerb um bezahlbare Mietwohnungen noch weiter zuspitzen. Die Abkehr vom Wohneigentum hat nämlich einen unliebsamen Nebeneffekt, der oftmals übersehen wird: Statt Eigentum zu erwerben, müssen die Menschen dann nach Alternativen auf dem Mietmarkt suchen.

Neben Maßnahmen zur Ausweitung des Angebots (z.B. zügige Nutzung des verfügbaren Baulands) werden insbesondere Anstrengungen zur Senkung der Erwerbsnebenkosten (z.B. Reform der Grunderwerbsteuer) und zur Reduzierung des Eigenkapitalbedarfs (z.B. eigenkapitalersetzende Darlehen) benötigt. Zudem könnte in Zukunft auch über neue Konzepte wie staatlich unterstützte Mietkaufmodelle nachgedacht werden, bei denen das Eigentum Schritt für Schritt an die Mieterinnen und Mieter übergeht.