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Rückvergütung
Angst frisst Aktienkultur

Zum geplanten EU-Verbot für Rückvergütungen
Aktien
© picture alliance/dpa | Silas Stein

Gut gemeint ist nicht automatisch gut gemacht. Das wäre die positive Interpretation des geplanten EU-Verbots für Rückvergütungen an Aktienbroker. Angst frisst Aktienkultur! So könnte die negative Auslegung der Grundsatzeinigung zwischen dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament lauten. Beide haben sich Ende Juni auf das Verbot des sogenannten Payment for Order Flow (PFOF) geeinigt. Aktuell läuft die Arbeit an der konkreten Regulierung.

Hintergrund ist die etablierte Praxis, dass Aktienbroker häufig eine Provision von den Handelsplattformen bekommen, an die sie Kundenaufträge weiterleiten. So können die Broker auch für Kleinstbeträge sehr günstige Aktien- und ETF-Sparpläne anbieten. Teilweise fallen überhaupt keine Gebühren an. Ein Verbot der Rückvergütungen wird dies wohl beenden. Bei größeren Anlagebeträgen würde das nicht ins Gewicht fallen. Aber das Investieren von kleinen Beträgen würde sich deutlich verteuern. Leidtragende des PFOF-Verbots wären damit wohl vor allem Anleger und Anlegerinnen, die beispielsweise 10 oder 20 Euro im Monat in einem Sparplan investieren.

Aufbau einer Altersvorsorge

Dies wäre dramatisch für das zarte Pflänzchen der Aktienkultur, das in den letzten Jahren gerade unter jüngeren Menschen gewachsen ist. Sie sind besonders darauf angewiesen, die hohen und langfristig verlässlichen Renditen von Aktienmärkten zu nutzen. Hier liegt die Möglichkeit für heutige Studenten, Schüler und Azubis in einer älter werdenden Gesellschaft eine angemessene Altersvorsorge aufzubauen. So gehen Prognosen davon aus, dass im Jahr 2050 ungefähr zwei Erwerbstätige einen Rentner finanzieren müssen. 1950 betrug das Verhältnis noch sechs zu eins.

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Zum Glück nutzen immer mehr junge Menschen diese Chance: 2022 haben sich laut Deutschem Aktieninstitut 600.000 junge Erwachsene unter 30 Jahren neu an die Börse gewagt – mehr als in allen anderen Altersgruppen. Insgesamt waren 12,9 Millionen Menschen in 2022 in Aktien, Aktienfonds oder ETFs investiert. Das ist knapp jeder fünfte in Deutschland über 14 Jahren. Im Umkehrschluss heißt dies jedoch: Rund 80 Prozent der Menschen über 14 Jahren bleiben der Börse fern. Die Vorteile der langfristigen und breit gestreuten Aktienanlage haben sich immer noch nicht genug herumgesprochen.

Misstrauen gegenüber Finanzmärkten

Das geplante Verbot kommt damit zur Unzeit: Digitale Plattformen, günstige Gebühren und die Möglichkeit, über ETFs auch Kleinstbeträge breit über ganze Aktienmärkte zu streuen haben den Zugang zu Börsen und ihren Renditechancen gerade erst breit verfügbar gemacht. Immer mehr Menschen nutzen die Chancen dieser Entwicklungen. Und jetzt kommt der Regulierungshammer und würgt diese Entwicklung im schlimmsten Falle ab.

Das Misstrauen gegenüber Aktien und Börsen ist wohl ein Grund für die Entscheidung. Die Regulierung scheint immer häufiger eher von Misstrauen gegenüber Finanzmärkten geprägt zu sein, statt vom Versuch, ihre Chancen nutzbar zu machen. Wer schon mal ein Depot eröffnet hat, kennt vielleicht das Gefühl: Sollen die vielen Fragen zur persönlichen Risikoneigung und Erfahrung eigentlich aufklären oder abschrecken? Beim PFOF-Verbot drängt sich ein weiterer Gedanke auf: Sollen so neue Anbieter, die ihren Kunden günstige Konditionen bieten, vom Markt verdrängt werden?

Ohne Frage, das PFOF-Verfahren ist kompliziert. Seine Transparenz zu erhöhen wäre sinnvoll. Das Verbot wirkt jedoch so, als solle mit Kanonen auf Spatzen geschossen werden. Statt die Markttransparenz zu verbessern, wird eine allem Anschein nach für Anleger und Anlegerinnen vorteilhafte Praxis verboten. Eine Untersuchung der BaFin kam 2022 jedenfalls zu dem Ergebnis, das Verfahren sei für kleine Anlagesummen überwiegend vorteilhaft. Kollateralschäden der Marktabschottung träfen Kleinanleger und -anlegerinnen, die Aktienkultur und die Vorsorge fürs Alter. Und das ganz unabhängig davon, ob das Verbot nun wenigstens gut gemeint war, oder nicht.

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Eine gekürzte Version des Beitrags erschien am 31.07.2023 in der Fuldaer Zeitung.