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US-Außenpolitik
Comeback als demokratische Führungsmacht – amerikanische Außenpolitik unter Joe Biden

Joe Biden während seiner mit Spannung erwarteten Grundsatzrede zur amerikanischen Außenpolitik
Joe Biden während seiner mit Spannung erwarteten Grundsatzrede zur amerikanischen Außenpolitik © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Evan Vucci

Amerika ist zurück – das war das kraftvolle Grundmotiv der ersten außenpolitischen Grundsatzrede des amerikanischen Präsidenten Joe Biden. Vor den Mitarbeitern des Außenministeriums, des State Department, legte er dar, wie er die USA zurück auf die globale Bühne, zurück in Allianzen und Partnerschaften führen will. Ohne den Namen seines Vorgängers im Präsidentenamt zu nennen, setzte er damit einen klaren Kontrast zu dessen Politik. Zunächst dankte er den Mitarbeitern des State Department für ihren Einsatz und hob ihre wichtige Rolle hervor. Er versicherte ihnen, dass er sie jederzeit unterstützen wird und bezog sich auf seine lange persönliche Geschichte als Außenpolitiker und seine langjährige Zusammenarbeit mit den Diplomaten. Das war auch ein Symbol dafür, dass unter seiner Präsidentschaft Diplomatie und Dialog wieder die primären Instrumente im Verhältnis zu anderen Staaten sein werden.

Gemeinsame Werte

Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte sollen im Zentrum der amerikanischen Außenpolitik der kommenden vier Jahre stehen. Joe Biden fand bereits im ersten Teil seiner Rede klare Worte zu zwei aktuellen Entwicklungen: Er kritisierte den Militärputsch in Myanmar scharf und forderte die sofortige Freilassung des russischen Oppositionspolitikers Alexey Nawalny. Auch ohne dass der Präsident ins Detail ging, wurde deutlich, dass er zu starken Gegenreaktionen entschlossen ist, wenn die Ergebnisse von fairen Wahlen nicht anerkannt werden oder Oppositionspolitiker bedroht und inhaftiert werden. Die Wertebasis als Grundlage von Allianzen mit anderen Demokratien war ein Schwerpunkt der Rede – die demokratischen Staaten müssen zusammenstehen, um ihre Werte zu verteidigen. In diesem Zusammenhang kündigte Biden auch einen Gipfel der Demokratien an, ohne konkreter zu werden. Er hob den Wert von Allianzen und Partnerschaften hervor, um die Welt der Zukunft zu gestalten.

Auffällig war insgesamt, wie deutlich der Präsident die Bedeutung der Menschenrechte ansprach – von der Freiheit der Meinungsäußerung und der Pressefreiheit bis zu den Rechten von Minderheiten und der LGBTI-Community erstreckte sich seine Betonung des amerikanischen Engagements auf diesem Gebiet – auch das eine klare Abgrenzung von seinem Vorgänger und ein Zeichen sowohl an die Kämpfer für Menschenrechte als auch an diejenigen Staaten, die sie missachten.

Ein weiteres Signal setzte er mit seinem Bekenntnis zur Aufnahme von politischen Flüchtlingen, die wieder verstärkt eine Heimat in den USA finden sollten und mit seiner Abkehr von der pauschalen Einreisesperre für Menschen aus bestimmten islamischen Staaten.

Engagement und Führung

Das amerikanische Engagement in den globalen Organisationen wird Biden deutlich stärken, ebenso die Anstrengungen zur Lösung globaler Probleme gemeinsam mit Partnern. Doch das heißt nicht automatisch, dass der Umgang mit den Vereinigten Staaten auf der globalen Ebene einfacher wird. Denn Biden machte auch klar, dass für ihn amerikanisches Engagement und amerikanischer Führungsanspruch untrennbar miteinander verbunden sind. Damit stellt er sich in eine lange Linie amerikanischer Politiker, die ihr Land als weltweites Vorbild und Durchsetzer des demokratischen, freiheitlichen Modells betrachten und im Gegensatz zu einer reinen Interessenpolitik oder zur Selbstisolierung standen, die auch eine wichtige Rolle in der politischen Debatte spielten. Die Stärkung der amerikanischen Führungsrolle für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit beinhaltet, so macht Biden klar, auch eine Stärkung der eigenen Institutionen, um die Vorbildwirkung glaubhaft wahrnehmen zu können.

Biden betonte seine Überzeugung, dass die USA für andere Staaten ein Vorbild sein können, wenn sie ihr Potential ausschöpfen, und dass sie dann auch Möglichkeiten haben, an die kein anderes Land heranreicht. Das mag für viele nicht leicht zu akzeptieren sein, doch auch darauf müssen sich die Politiker einstellen, die mit Joe Biden zusammenarbeiten werden.

Die USA wollen unter Joe Biden einen aktiven Beitrag zur Lösung globaler Probleme leisten. Er betonte noch einmal, dass er schon am ersten Tag im Amt die Rückkehr in das Pariser Abkommen in die Wege geleitet hat. Auch beim Schutz vor zukünftigen Pandemien und anderen Risiken setzt er auf globale Zusammenarbeit. 

Auch Sicherheitsfragen und das militärische Engagement kamen zur Sprache. Letzteres soll gemeinsam mit dem Verteidigungsministerium überprüft werden. Bis dahin wird der Truppenrückzug aus Deutschland gestoppt – er schloss ihn aber auch für die Zukunft nicht aus. Das ist ein doppeltes Signal: Einerseits sind die USA bereit, weiterhin für die Sicherheit ihrer Partner einzutreten – andererseits verbinden sie das mit Erwartungen an diese Partner. Hier schließt Biden ganz klar an die Politik an, die er gemeinsam mit Präsident Obama als dessen Vize vertreten hat.

Wenn man sie mit den außenpolitischen Schwerpunkten der letzten Jahre vergleicht, fallen einige weitere Dinge ins Auge: Die Positionen zu China als globalem Konkurrenten waren klar und deutlich, doch stand das Land nicht so stark im Mittelpunkt, wie man hätte erwarten können. Das gilt auch für Israel und die arabischen Staaten – zu ihnen war nichts zu hören. Die europäischen Partner kamen ebenfalls relativ kurz – doch sie sind natürlich ein wesentlicher Adressat der angebotenen Zusammenarbeit der Demokratien

Handel und wirtschaftliche Kooperation: Amerikanische Interessen im Mittelpunkt

Joe Biden betonte, dass die amerikanische Außenpolitik den Interessen der amerikanischen Bevölkerung, den Interessen der arbeitenden Menschen dienen muss. Das heißt mit großer Wahrscheinlichkeit, dass eine einfache Abkehr von protektionistischen Maßnahmen nicht zu erwarten ist. Auch Joe Biden ist Anhänger des Mottos „Buy American“. Doch er gibt ihm eine teilweise andere Richtung: Es ist nicht so sehr gegen andere Länder gerichtet, die Amerika bestehlen, sondern darauf, die eigene Wirtschaftskraft zu stärken, innovativ zu sein, neue Märkte zu erschließen – auch durch eine auf Kooperation orientierte Außenpolitik. Die Botschaft ist nicht zuerst auf die Abwehr von Feinden und Konkurrenten gerichtet, sondern auf die eigene Stärke und die Chancen der Kooperation. Das heißt jedoch nicht, und auch hier sollte sich niemand Illusionen hingeben, dass die USA nicht gegen Handelspraktiken und staatswirtschaftliche Eingriffe vorgehen werden, die sie als unfair ansehen. Freihandel gehörte nicht zu den Grundwerten, die Joe Biden betonte – in der Wirtschaftspolitik setzt er sicher stärker auf Interessenpolitik und innenpolitische Erwägungen.

Fazit: Eine anspruchsvolle Führungsmacht

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind zurück als verlässlicher Akteur auf der Weltbühne. Sie sind auch zurück als kraftvoller Vertreter von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Sie wollen wieder führen und ihren Beitrag auf vielen Feldern leisten – und zwar nicht auf der Basis kurzfristiger Deals, sondern als teil langfristiger und stabiler Allianzen. Das eröffnet viele Chancen für die Zusammenarbeit. Doch diese wird für viele anderen Staaten herausfordernd sein. Für die Demokratien, da Joe Biden von ihnen ebenfalls ein klares Engagement erwartet. Für autoritäre Staaten, da sie in Zukunft mehr und klareren Gegenwind spüren könnten.

Es bleibt abzuwarten, wie viel innenpolitische Unterstützung Joe Biden für seine Außenpolitik generieren kann -  denn er betonte selbst, dass Außenpolitik immer Innenpolitik sei, und Innenpolitik immer Außenpolitik.