Covid-19
Zweite Corona-Welle: Kein pauschaler Lockdown

Politik muss smarte und lokal angepasste Krisenkonzepte entwickeln
Maskenpflicht im oeffentlichen Personenverkehr.
Maskenpflicht im oeffentlichen Personenverkehr. © picture alliance / SvenSimon | FrankHoermann/SVEN SIMON

Wie ein Damoklesschwert hängt die Gefahr einer zweiten Corona-Welle über Deutschland. Oder hat sie uns schon überspült? Fakt ist: Die Sorge vor der zweiten Corona-Welle ist allgegenwärtig – und damit auch die Angst vor erneuten drastischen Einschränkungen des öffentlichen Lebens und grundlegender Freiheiten.

Die Einführung von Hygiene-Kontrollen, Maskenpflicht und Abstandswahrung hatten geholfen, die Corona-Infektionszahlen über die vergangenen Monate zu reduzieren. Es sollten zeitlich befristete Ausnahmen sein, doch sie sind zum Alltag geworden. Es ist die viel zitierte neue Normalität – und sie ist verhältnismäßig.

Zu keiner neuen Normalität aber dürfen pauschale Lockdowns werden, wie wir Sie zu Beginn der ersten Corona-Welle erlebt haben. Die Politik sollte aus den Erfahrungen der letzten Monate lernen und ziellose Manöver zu Lasten von Bildung, Wirtschaft und Gesundheit vermeiden. Statt unangebrachte Härte zur persönlichen politischen Profilierung zu praktizieren, braucht es smarte und lokal angepasste Krisenkonzepte. Wenn in Hessen die Infektionszahlen steigen, muss darunter kein Landkreis in Mecklenburg-Vorpommern leiden. Einige Virologen sprechen in diesem Zusammenhang von „Glutnestern“, die gelöscht werden müssen, um den Ausbruch eines Flächenbrands, der zweiten Welle, zu verhindern.

Dies kann nur gelingen, wenn lokal getestet, lokal identifiziert, lokal eingeschränkt und auch lokal wieder geöffnet wird. Eine gewisse Vorbildfunktion hat dabei der Kreis Gütersloh. Nach dem Ausbruch in einer Fleischfabrik hatte die Landesregierung zügig gehandelt und lokal begrenzte Einschränkungen umgesetzt – auch wenn diese noch nicht differenziert und verhältnismäßig genug waren, wie das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht zurecht monierte. Letztendlich war die Eindämmung eine Erfolgsgeschichte, auf der sich aufbauen lässt.

Nun braucht es konkrete Lösungen für die vielen Herausforderungen: Die Landesregierungen müssen noch während der Ferien Konzepte für einen Präsenzunterricht an den Schulen und für den Kitabesuch erarbeiten. Es braucht genügend Testkapazitäten und Schutzausrüstung, um Engpässe zu verhindern. Und schließlich muss die Corona-Warn-App im Ernstfall voll funktionsfähig sein. All das braucht es, um eine Wiederholung des landesweiten Lockdowns zu verhindern. Denn dieser darf niemals zur neuen Normalität werden.
 

Der Artikel erschien erstmals am 4. August im Handelsblatt.