EN

Confusa Italia

Eine gefährliche Allianz zwischen Populisten und Rechten
Parlament

Die italienischen Parlamentswahlen bedeuten eine Zäsur - zu ungunsten der EU

© Gettyimages/ YinYang

Die derzeitige politische Lage in Italien lässt sich gut in einem Wort zusammenfassen: „confuso“, unübersichtlich. Denn selbst wenn eine Regierung unter dem  Juraprofessor Giuseppe Conte nun feststeht und damit den Weg für eine Koalition zwischen der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der rechten Lega ebnet, möchte man angesichts der turbulenten vergangenen Wochen nur unter Vorbehalt eine Aussage über die politische Zukunft Italiens treffen. Eines steht allerdings fest: die Wahlen am 5. März bedeuten eine Zäsur für die Politik Italiens, vor allen Dingen im Hinblick auf die Europapolitik des Landes.  

Knapp drei Monate nach den vorgezogenen Parlamentswahlen schien die Hängepartie in Italien erst einmal weiterzugehen. Trotz einer nach der Wahl entstandenen Pattsituation zwischen der Lega und der Fünf-Sterne-Bewegung waren die Koalitionsverhandlungen und eine Regierungsbildung unter Giuseppe Conte zuletzt so gut wie abgeschlossen. Diese wurden jedoch durch ein überraschendes Veto des Staatspräsidenten Sergio Mattarella zunichte gemacht, welcher den von der Lega benannten euroskeptischen Paolo Savona als Wirtschafts- und Finanzminister ablehnte. Diese Entscheidung, welche sich demokratisch aus dem Amt des Präsidenten ableitet und somit legitim ist, führte in Teilen jedoch nicht nur zu erheblicher Kritik an der Person Mattarella sondern auch an dem Amt des Staatspräsidenten und der Gewaltenteilung allgemein.

Nach der Absage an Paolo Savona schien alles auf die Bildung einer Technokraten-Regierung als Übergangslösung hinzudeuten, gefolgt von Neuwahlen in diesem Sommer. Während sich die Lega in Verhandlungen anfangs unnachgiebig angesichts der Personalie Savona zeigte und somit eine Regierungsbildung in weite Ferne rückte, zeigte sich die Partei unter Luigi Di Maio letztlich doch kompromissbereit.

Salvini und Di Maio in Schlüsselrollen

Über die unmittelbaren Folgen sowohl für Italien als auch für die EU allgemein kann man derzeit nur spekulieren. Eine entscheidende Rolle werden dabei die beiden Parteiführer spielen; für die Lega Matteo Salvini als zukünftiger Innenminister und Luigi Di Maio als Minister für wirtschaftliche Entwicklung für die Fünf-Sterne-Bewegung.   

Matteo Salvini
Der Lega-Parteichef und zukünftige Innenminister Matteo Salvini © CC BY 3.0 commons.wikimedia.org/ Lega Salvini Premier

Salvini, der bereits zu Schulzeiten der damaligen Lega Nord beitrat und deren Vorsitz 2013 übernahm, hat seine Partei und deren vormals primär regionale, nord-italienische Interessen bedienendes Programm sukzessiv an eine gesamtitalienische Wählerschaft angepasst. Die Sündenböcke der Lega sind nun nicht mehr die „faulen Süditaliener“, sondern die EU und Brüssel allgemein, der Schengen-Raum sowie Flüchtlinge. Zur Erreichung  gemeinsamer Ziele hatte die Lega nach den Europawahlen 2014 bereits mit dem französischen Rassemblement National, damals noch Front National, und der niederländischen PVV Gespräche aufgenommen, eine Partei-  oder Fraktionsbildung scheiterte jedoch letztendlich.

Der erst 31-jährige Polit-Shootingstar Di Maio, der die Fünf-Sterne-Bewegung im Herbst 2017 von Beppe Grillo übernahm, ist als Minister für Arbeit und Entwicklung gesetzt. Er schlägt einen moderateren Ton an als sein Vorgänger. Seine Partei sei zwar eurokritisch, jedoch gleichzeitig pro-europäisch, erklärte Di Maio in einem Zeitungsinterview vor den Wahlen. Interessanterweise warf er hierbei Salvini eben jenen Populismus und die Ausnutzung der Emotionen der Wählerschaft vor, welche seiner eigenen Partei zum Erfolg und schließlich auch zur Regierungsbeteiligung verhalf. Zwar propagiert die Fünf-Sterne-Bewegung ähnlich wie das Rassemblement National nun keinen Euro-Austritt mehr, für die erklärte  pro-europäische Ausrichtung ist dies jedoch bei weitem nicht ausreichend. Letztlich wird sich die eurokritische, populistische Bewegung inner- und außerhalb Italiens damit ab sofort erstmals an ihren Taten messen lassen müssen.

Luigi Di Maio

Der zukünftige Arbeitsminister Luigi Di Maio schlägt moderate Töne an

© Presidenza della Repubblica

Kehrtwende in Italiens Europapolitik

Die bisherige Europapolitik Italiens könnte inhaltlich wie personell nicht weniger als eine Kehrtwende erfahren. Der umstrittene Euroskeptiker Savona ist zwar nicht mehr als Wirtschafts- und Finanzminister vorgesehen und repräsentiert Italien somit nicht im Rat der Euro-Finanzminister. Stattdessen soll Savona nunmehr jedoch Minister für Europaangelegenheiten werden und kann dadurch in Zukunft ebenso wie Salvini und Di Maio einen entscheidenden Einfluss auf den europapolitischen Kurs Italiens ausüben.

Das Regierungsprogramm von Lega und der Fünf-Sterne-Bewegung lässt bereits erahnen, was beide Koalitionspartner in den nächsten Monaten planen. Hierunter fallen Neuverhandlungen europäischer Vereinbarungen, darunter die EU-Budgetpolitik sowie der Euro-Stabilitätspakt und großzügige Ausgaben wie die Einführung eines  Grundeinkommens von 780 Euro,  Steuersenkungen sowie die Rücknahme einer Rentenreform. Voraussichtliche Kosten: zwischen 70 und 120 Milliarden Euro pro Jahr. Damit ist ein finanzpolitischer Konfrontationskurs mit der EU bereits vorprogrammiert. Hiermit verpasst Italien, das einen Schuldenstand in Höhe von 132 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufweist, eine wichtige Chance für tiefgreifende Reformen. Seit Jahren verstößt das Land gegen die sogenannten Maastricht-Kriterien, die u.a. eine Schuldenquote von maximal 60 Prozent der Wirtschaftsleistung vorschreiben. Tiefgreifende italienische Reformen sind für die Eurozone sowie die ganze EU von Bedeutung, da Italien neben Deutschland und Frankreich die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone darstellt. "Da werden Versprechen gemacht, reihenweise, die erkennbar nicht zu halten sind. Verlierer dieses Prozesses sind alle: Die Eurogruppe und die Italiener selber. Das wird ein bitteres Erwachen geben.", kommentiert der europapolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Georg Link.            

Die Entwicklung italienischer Staatsanleihen angesichts der unsicheren politischen Situation in den letzten Wochen zeigt, dass Anleger durchaus verunsichert sind. Die Folgen dieser Verunsicherungen konzentrieren sich bisher jedoch auf Italien. Von Ansteckungseffekten auf andere europäische Volkswirtschaften und somit einer Gefährdung der Eurozone ist somit nicht auszugehen.

Eine Kehrtwende deutet sich ebenfalls in der italienischen Flüchtlingspolitik und die diesbezügliche Kooperation auf EU-Ebene an. So hatte sich der künftige Innenminister Salvini in der Vergangenheit wiederholt abwertend und fremdenfeindlich gegenüber Flüchtlingen geäußert und Abschiebungen im sechsstelligen Bereich angekündigt.

Kooperation mit Italien auf der Kippe?

Die politischen Forderungen und Salvinis Strategie, Ängste und Zorn im Volk schüren, geben Aufschluss darüber, wie gefährlich die Allianz von Lega mit der Fünf-Sterne-Bewegung für Europa ist. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass im kommenden Mai Europawahlen anstehen und Europas Populisten – ganz gleich, ob Lega oder Rassemblement National - voraussichtlich an ihre Erfolge aus dem Jahr 2014 anknüpfen werden können und einmal mehr europäische Demokratien herausfordern werden. Für den Harvard-Politologen Yascha Mounk begann bereits im Jahr 2016 die globale Krise der Demokratie, in deren Kontext sich viele Bürgerinnen und Bürger offen für neue „politische Experimente“ zeigten. Das Brexit-Votum, die Wahl Donald Trumps sowie die jüngste Wahl in Italien sind nur einige Beispiele unter vielen. Mounk‘s Strategie gegen Populisten: Für die liberale Demokratie einstehen und sowohl bewährte und bewahrenswerte Aspekte unserer politischen Systeme erklären und gleichzeitig Reformbereitschaft zeigen, um das System zukunftsfähig zu machen.

In diesem Sinne bleibt schließlich zu hoffen, dass das neue Regierungsbündnis in Italien als erste Populistenregierung der EU die verschiedenen Zentrifugalkräfte, Souveränitätsströmungen und teilweise auch anti-deutsche Ressentiments innerhalb der EU nicht noch weiter befeuert und politischer Dialog trotz inhaltlicher Differenzen weiterhin möglich bleibt.

Carmen Gerstenmeyer ist European Affairs Managerin im Regionalbüro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Brüssel.